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Energiewende

Wo kommt künftig der Wasserstoff her?

4. November 2022

 

Das Forschungszentrum Jülich rechnet für 2050 mit einem Wasserstoffbedarf von bis zu 11 Millionen Tonnen – bis zu achtmal so viel wie heute. Die Hälfte davon müsste über Importe gedeckt werden. Welche Länder kommen künftig als Wasserstoffproduzenten und -exporteure infrage? Auf welchen Wegen wird das H2 vom Produktionsort nach Deutschland transportiert werden? Wir klären die zentralen Fragen.

 

 

Welche Länder bieten sich künftig als Wasserstoffproduzenten an?

165000

Allein in Westafrika könnte jährlich bis zu 165.000 Terawattstunden grüner Wasserstoff günstig produziert werden.

 

„Grundsätzlich kommen alle wind- und sonnenreichen Regionen für die Wasserstoffproduktion infrage“, sagt Patrick Krieger, Wasserstoffexperte von der TÜV NORD-Tochter EE Energy Engineers. Also etwa Afrika, der Nahe Osten, Regionen in Südamerika oder Australien.

Zahlreiche Länder, zum Beispiel Ägypten, arbeiten konkret an Exportstrategien für Wasserstoff. Nach dem Potenzialatlas Grüner Wasserstoff der Bundesregierung könnten allein in Westafrika jährlich bis zu 165.000 Terawattstunden grüner Wasserstoff günstig produziert werden – das wäre über 860-mal so viel, wie wir laut Forschungszentrum Jülich 2050 importieren müssten.

 

 

Zur Person

Patrick Krieger ist Consultant im Competence Center Wasserstoff bei EE Energy Engineers. Der studierte Volkswirt beschäftigt sich also schwerpunktmäßig mit allen Fragen um die Herstellung und den Transport von H2 im HydroHub der TÜV NORD GROUP. Der HydroHub bündelt alle wasserstoffbezogenen Dienstleistungen und Projekte im Bereich Beratung, Engineering und Training (CET) des Konzerns.

Gibt es bereits konkretere Pläne mit ausgewählten Ländern und Regionen?

500000

Deutsche Energiekonzerne wollen pro Jahr jeweils 500.000 Tonnen grünes Ammoniak aus Kanada beziehen.

Forschungskooperationen rund um Wasserstoff betreibt die Bundesregierung aktuell unter anderem mit Namibia, Neuseeland und Australien. Energiepartnerschaften um grünes H2 wurden mit Algerien, Tunesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Marokko angestoßen. Die beiden letztgenannten Staaten haben sich jeweils das Ziel gesetzt, die größten Wasserstoffproduzenten der Welt zu werden. In Marokko beteiligt sich die Bundesregierung etwa am Bau von Meerwasserentsalzungsanlagen, die in dem wasserarmen Staat für die Produktion von H2 benötigt werden. Aber auch aus Kanada könnte Deutschland künftig Wasserstoff beziehen: Im August 2022 unterzeichneten Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck ein entsprechendes Abkommen mit dem Flächenstaat. Zentrales Ziel: eine transatlantische Lieferkette für grünen Wasserstoff aufzubauen. Der soll in Kanada mittels Windkraft erzeugt und bereits ab 2025 in Form von Ammoniak über den Ozean verschifft werden. Die deutschen Energiekonzerne EON und Uniper wollen ab dann pro Jahr jeweils 500.000 Tonnen grünes Ammoniak aus Kanada beziehen. Bis zum Ende des Jahrzehnts will EON dann jährlich weitere fünf Millionen Tonnen aus Australien importieren, wo das Unternehmen Fortescue bis dahin Produktionskapazitäten für 15 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff aufbauen will. Aber grüner Wasserstoff könnte künftig auch aus Norwegen nach Deutschland kommen. So wollen die Regierungen beider Länder den Bau einer Pipeline durch die Nordsee prüfen, durch die dann Wasserstoff aus norwegischer Wasserkraft strömen könnte.

 

Wie wird Wasserstoff künftig transportiert?

2000

Auf Distanzen bis 2.000 Kilometer gelten Pipelines als günstigste Möglichkeit.

Auf Distanzen bis 2.000 Kilometer gelten Pipelines als günstigste Möglichkeit, sagt Wasserstoffexperte Krieger: „Perspektivisch wird Wasserstoff daher gasförmig durch Europa per Pipeline transportiert und gelangt auch durch das Mittelmeer nach Europa.“ Der Transport per Schiff rechnet sich erst ab größeren Distanzen. Denn dazu muss der voluminöse Energieträger komprimiert werden, indem man den Wasserstoff etwa bei Temperaturen von minus 250 Grad verflüssigt.

Das kostet viel Energie, erfordert spezielle Tankschiffe und entsprechende Speicher- und Verflüssigungsanlagen an Land. „Diese Infrastruktur gibt es noch nicht in der nötigen Skalierung“, sagt Krieger. Alternativ kann der Wasserstoff auch in sogenannten Trägersubstanzen (s. Infokasten) gebunden werden: LOHC, Methanol oder Ammoniak.

 

Wie schlagen sich die Trägersubstanzen im direkten Vergleich?

25

Rund 25 Prozent der Energie, die in einem Kilo Wasserstoff steckt, werden für den Transport als Ammoniak benötigt.

Rund 25 Prozent der Energie, die in einem Kilo Wasserstoff steckt, werden für den Transport als Ammoniak benötigt, haben Krieger und seine Kolleginnen und Kollegen überschlagen. Bei flüssigem Wasserstoff ist es dieselbe Menge, bei LOHC bis zu 35 Prozent. Ein großer Vorteil von Ammoniak: Seine Energiedichte ist fast doppelt so hoch wie die von LOHC oder flüssigem Wasserstoff. Krieger: „Man bräuchte also vergleichsweise weniger Schiffe für den Transport.“ Viele Zeichen sprächen daher aktuell für Ammoniak als Trägersubstanz für die Langstrecke. „Aber was sich letztendlich durchsetzen wird, ist immer auch abhängig von den Bedingungen im Produktions- und Zielland.“

 

Wie lässt sich sicherstellen, dass der Wasserstoff nachhaltig produziert wird?

Wind- und Solarkraft in großem Stil auszubauen, um die eigene Bevölkerung mit grünem Strom zu versorgen und zugleich Wasserstoff für den Export zu produzieren – das ist für Länder wie Namibia oder Tunesien natürlich ein großer Kraftakt und zugleich eine große wirtschaftliche Chance, betont Krieger. Beim Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft könnten ganzheitliche Zertifizierungssysteme eine wichtige Rolle spielen: „Eine solche Zertifizierung würde entsprechend sicherstellen, dass der Wasserstoff in den Exportländern klimaschonend, umweltfreundlich und über den eigenen Bedarf hinaus produziert wird. Sie könnte auch sozialökonimische Aspekte im produzierenden Lang berücksichtigen.“

 

Trägersubstanzen für Wasserstoff

LOHC

Das Kürzel LOHC steht für „liquid organic hydrogen carrier“: flüssige organische Verbindungen, die Wasserstoff durch chemische Reaktion aufnehmen und wieder abgeben können. „Dabei handelt es sich um eine ölartige Flüssigkeit, die entsprechend in vorhandenen Pipelines und Tankern transportiert werden kann“, erklärt Krieger den Vorteil. Allerdings benötigt besonders die Freisetzung des Wasserstoffs im Zielland viel Energie. Bei der chemischen Anlagerung des Wasserstoffs wird dagegen Wärme freigesetzt. „Wenn diese vor Ort etwa als Abwärme zum Heizen genutzt wird, verbessert sich entsprechend die Energie- und Kostenbilanz des Gesamtprozesses“, so Krieger.

Methanol

Methanol wird heute mit fossilen oder nachwachsenden Rohstoffen wie Klärschlamm aus Wasserstoff und CO2 produziert und etwa zur Herstellung von Farb- und Arzneistoffen genutzt. Grünes Methanol könnte außerdem Fahrzeuge über spezielle Methanol-Brennstoffzellen antreiben oder wieder in Wasserstoff umgewandelt werden. Der Vorteil: Es lässt sich ebenfalls deutlich unaufwendiger transportieren und lagern als flüssiger Wasserstoff. Der Nachteil: Damit bei der Herstellung kein zusätzliches CO2 freigesetzt wird, muss das Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen werden. „Das ist technisch komplex und mit einem hohen Energieaufwand verbunden“, sagt Krieger von Energy Engineers. Auch die Rückumwandlung von Methanol in Wasserstoff erfordert viel Energie. Und das gebundene Kohlendioxid geht dabei wieder in die Luft. Das Verfahren ist damit CO2-neutral, spart aber keine Emissionen ein. „Wasserstoff als Methanol zu transportieren macht daher vor allem dann Sinn, wenn das Methanol ohnehin benötigt wird – etwa in der chemischen Industrie“, befindet Krieger.

Ammoniak

Rund 200 Millionen Tonnen der chemischen Verbindung aus Wasserstoff und Stickstoff werden jährlich weltweit hergestellt, der überwiegende Teil davon für die Düngemittelproduktion. Ammoniak muss wie flüssiger Wasserstoff zum Transport gekühlt werden, allerdings nur bei moderaten minus 33 Grad. Und anders als für den flüssigen Wasserstoff gibt es – wie bei Methanol und teilweise bei LOHC – bereits eine bestehende Transport- und Speicherinfrastruktur, die genutzt werden kann. Energie wird sowohl bei der Produktion und vor allem bei der Rückumwandlung benötigt. „Wird das Ammoniak vor Ort direkt verwendet, entfällt dieser Faktor entsprechend“, erklärt Krieger.

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