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Wie lässt sich Fluglärm reduzieren?

06. Februar 2025

Flugzeuge sind erstaunliche Maschinen – und beeindruckend laut. Der Lärm wiederum belastet. Wie lassen sich Luftfahrzeuge leiser machen?

 

Lärm zerrt erst an den Nerven und macht langfristig krank: Wer an stark befahrenen Straßen oder in der Einflugschneise eines Flughafens lebt, hat häufiger mit Schlaf- und Konzentrationsstörungen zu kämpfen und ein deutlich erhöhtes Risiko für Tinnitus, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zwar sind Flugzeuge in den letzten Jahren um rund 75 Prozent leiser geworden, zugleich ist aber auch der Flugverkehr deutlich gestiegen. Chronische Lärmbelästigung verursacht jedes Jahr 12.000 vorzeitige Tode. Ebenso viele Schulkinder können allein durch Fluglärm schlechter lernen, so die EU. Bis 2050 soll der Fluglärm in Europa daher um 65 Prozent gesenkt werden.

 

Wo der Lärm am Flugzeug entsteht

Die zwei größten Lärmfaktoren beim Flieger sind Triebwerke und Aerodynamik – und das in Wechselwirkung. Bei suboptimaler Aerodynamik wächst der Luftwiderstand, der dann mit mehr Schub aus den Triebwerken überwunden werden will.

Dass die Triebwerke überhaupt so ein Getöse machen, liegt an der Verbrennung des Treibstoffs und an der stark beschleunigten Luft, die – wie aus einem gewaltigen Föhn – hinten aus ihnen herausdrückt und das Flugzeug so voranbringt.

 

Dämpfende Luftmäntel und Hinterkantenkämme

Akustisch sind die Flugzeugbauenden hier schon vorangekommen, etwa durch die Entwicklung des Mantelstromtriebwerks: Das heißt, wie es heißt, weil ein äußerer Luftstrom einen inneren Kernstrom „ummantelt“. Die äußere Luftmasse wirkt dabei wie ein Schalldämpfer. Weil diese Triebwerke auch weniger Kerosin schlucken, sind sie heute bei quasi allen zivilen Flugzeugen mit Triebwerk Standard.

Eine Besonderheit ist dagegen noch die sägezahnförmige Hinterkante an den Triebwerken der Boeing 787. Die sogenannten „Chevron Nozzles“ oder „Hinterkantenkämme“, wie sie hierzulande heißen, sorgen dafür, dass sich verschieden schnelle Luftströmungen besser vermischen und dadurch weniger Lärm entsteht.

Beim Start sind Turbinen mit Abstand die größten Krachmacher. Bei der Landung dagegen gehen 30 bis 50 Prozent des Fluglärms auf die Kappe von Fahrwerk, Landeklappen und anderen Faktoren, die Luftverwirbelungen begünstigen. Forschende beim EU-geförderten Projekt „Inventor“ experimentieren daher mit porösen Materialien auf Landeklappen und Fahrwerken, um den Luftstrom zu verändern und so Geräusche zu dämpfen.

 

Unerwünschte Flötentöne und innovative Designs

Was am Flugzeugkörper welchen Lärm macht, lässt sich manchmal erst in aufwendigen Untersuchungen ermitteln. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nahm dahingehend den Airbus 320 akustisch unter die Lupe, der durch hohe Pfeiftöne negativ auffiel. Die Fachleute fanden heraus: Die Töne entstehen, wenn die sogenannte Tank-Druckausgleichsöffnung unter der Tragfläche von Luft überströmt wird – ähnlich, wie wenn man in eine Querflöte bläst. Also entwickelte das DLR eine Vorrichtung, um den Luftstrom umzuleiten und so das unerwünschte Flöten zu verhindern.

Auch mit völlig neuen Flugzeugdesigns ließe sich an der Lärmschraube drehen: Heutige Flugzeuge sind eine Röhre mit Tragflächen dran. Beim Blended-Wing-Body-Konzept geht der Rumpf dagegen fließend in die Tragflächen über. Das verringert den Luftwiderstand, Treibstoffverbrauch und Lärm.

Das Thinktank Bauhaus Luftfahrt hat das Konzept eines Fliegers mit geschlossenem Flügel vorgestellt, der den Flugzeugkörper wie ein Rahmen umgibt. Bei dem vom Kastendrachen bekannten Konstruktionsprinzip entstehen keine Verwirbelungen an den Tragflächen, was ebenfalls den Luftwiderstand, Treibstoffverbrauch und Lärm reduziert.

 

Steiler steigen

Um Anwohnende vor allzu großem Lärm besser zu schützen, lässt man Flugzeuge mittlerweile auch steiler starten. Auf diese Weise sind sie kürzer in hörbarer Höhe über bewohntem Gebiet. Beim Anflug können die Flieger möglichst lange in großer Flughöhe warten, wenn es sich unten auf den Landebahnen gerade staut. Und weil die Luftwirbel um Landeklappen und Fahrwerk so viel Krach machen, kann man letztere möglichst spät ausfahren und mit möglichst geringem Triebwerkseinsatz Richtung Landebahn gleiten – so das Prinzip des am Flughafen Frankfurt entwickelten „Frankfurter Verfahrens“, das sich mittlerweile weltweit verbreitet hat. Manche Flughäfen wechseln An- und Abflugrouten auch während des Tages, um die Lärmdosis quasi paritätischer unter den Anwohnenden zu verteilen.

 

Leiser lohnt sich

Laute Flugmaschinen kommen die Airlines tatsächlich immer teurer zu stehen. Denn die Flughäfen in Deutschland sind gesetzlich dazu verpflichtet, den Lärm in die Berechnung ihrer Flughafengebühren einzubeziehen. Leisere Maschinen starten und landen also günstiger als laute – und das spüren die Airlines durchaus deutlich im Geldbeutel. Am Flughafen Köln/Bonn beispielsweise machen die sogenannten Lärmentgelte mittlerweile bis zu einem Drittel der gesamten Flughafenentgelte aus.

Wie die Lärmgebühren festgelegt werden, ist von Flughafen zu Flughafen verschieden. Manche wie etwa der Flughafen Nürnberg orientieren sich an der Lärmkategorie, die bei der Flugzeugzulassung ermittelt wurde. Andere, beispielsweise Frankfurt, Hannover, Hamburg und München, stufen die Flugzeuge anhand des vor Ort gemessenen Lärms in Kategorien ein.

 

Individuelle Lärmmessung

Der Berliner BER ist als erster Flughafen weltweit noch einen Schritt weitergegangen. Seit September 2022 wird hier der Lärm jedes einzelnen Flugzeugs gemessen und den Airlines in Rechnung gestellt: In der niedrigsten Lärmstufe sind die Airlines bereits mit 40 Euro dabei, in der höchsten Lärmklasse werden stolze 7.500 Euro fällig.

Die Maßnahmen haben sich laut BER bereits bemerkbar gemacht: Mehrere Airlines hätten schon auf das lärmärmere Steilstartverfahren umgestellt. Und immer mehr fliegen den BER mit Fluggeräten der neuesten – und damit leiseren – Generation an. Seit Beginn der individuellen Messungen hat sich deren Anteil fast verdoppelt und liegt mittlerweile bei 25 Prozent.

 

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