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Gute Frage, nächste Frage

Was passierte beim Urknall?

07. Dezember 2023

Am Anfang unseres Universums war der Urknall – davon haben wir schon in der Schule gehört. Aber was ist bei und nach dem Urknall eigentlich passiert? Warum können wir überhaupt etwas darüber sagen? Und hat es beim Urknall tatsächlich unvorstellbar laut gescheppert?

 

Wie ist das All entstanden? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden. Religionen diverser Couleur machten und machen dafür einen oder mehrere Götter verantwortlich. Die nordische Mythologie denkt neben dem Ursprung auch gleich den Weltuntergang mit – inklusive des nächsten neuen Anfangs. Der griechische Philosoph Aristoteles war dagegen der Ansicht: Die Welt existiert schon ewig und ist unvergänglich. Und auch Albert Einstein war zunächst der Auffassung, das Universum habe keinen Anfang in Raum und Zeit.

 

Das Weltall wächst

Ende der 1920er-Jahre stellten jedoch Astronomen wie Edwin Hubble fest: Die Galaxien um uns herum scheinen sich immer weiter von uns wegzubewegen. Der belgische Astrophysiker und Theologe Georges Lemaître zog daraus als Erster den Schluss, dass das Weltall expandiert. Nicht die anderen Galaxien rasen immer weiter von uns weg; der Raum selbst wächst und wird zwischen den Galaxien immer größer. Wie ein aufgehender Hefeteig, in dem sich die Rosinen immer weiter voneinander entfernen. Oder wie Punkte auf einem Luftballon, die beim Aufblasen immer weiter auseinanderrücken.

Dreht man diese Expansionsbewegung nun um, ergibt sich ein Punkt, an dem die gesamte Energie des Universums gebündelt gewesen sein müsste. Georges Lemaître sprach hier 1927 von der sogenannten Singularität und bog mit der Idee vom Urknall um die Ecke. Demnach war das Universum vor seinem Anfang unendlich klein und unglaublich dicht – als hätte man sämtliche Galaxien auf Orangengröße zusammengepresst. Dann dehnte sich die komprimierte Energie innerhalb von Sekundenbruchteilen in unendlicher Geschwindigkeit von unendlich vielen Punkten aus. Und zwar nicht etwa wie ein Ei, das in dem ansonsten leeren Raum einer Mikrowelle explodiert, denn Raum und Zeit sind nach der Theorie mit dem Urknall überhaupt erst entstanden.

Apropos Mikrowelle. Lemaître und andere waren der Meinung, dass sich auch heute noch Strahlung aus der Zeit nach dem Urknall messen lassen müsste. Der Physiker George Gamow stellte entsprechende Berechnungen an und sagte eine thermische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich voraus. Zu Recht: Im Jahr 1964 entdeckten die Physiker Robert Wilson und Arno Penzias die Hintergrundstrahlung. Sie gilt heute als der stabilste Beweis der Urknalltheorie.

 

Von der Ursuppe zum transparenten Universum

2013 hat das Planck-Teleskop die Hintergrundstrahlung für den gesamten Himmel genau untersucht und sozusagen ein „Babyfoto“ des Universums erstellt. Die Kosmolog:innen konnten sich daraufhin ein konkreteres Bild davon machen, wie das Universum 380.000 Jahre nach dem Urknall aussah.

Was davor geschehen ist, das kann auch die Hintergrundstrahlung nicht direkt verraten. Denn erst um diese Zeit bildeten sich feste Atome, und das Universum wurde transparent – also lichtdurchlässig. Zuvor war das junge Universum – laut Theorie – eine Ursuppe aus heißem und dichtem Plasma, in der sich das Licht nicht ausbreiten konnte. Und die damit auch für unsere Teleskope nicht erfassbar ist.

Denn um zurück in die Vergangenheit zu schauen, benötigen Teleskope Licht. Je weiter die Galaxie entfernt ist, von der sie Lichtteilchen einfangen können, desto älter ist sie auch. Und das Licht, das konnte sich eben in der kosmischen Ursuppe noch nicht ausbreiten. Daher bleiben auch die allerbesten Teleskope für den Anfang blind.

 

Altersbestimmung des Alls

Immerhin können Forschende anhand der Hintergrundstrahlung berechnen, wie viel Energie und Hitze beim Urknall freigesetzt worden sein muss. Und wann er wohl stattgefunden hat: Vor rund 13,82 Milliarden Jahren ist es demnach losgegangen mit unserem Universum.

Zusätzlich hat das 2022 gestartete James-Webb-Teleskop unseren Blick in die Vergangenheit vertieft: Durch seine hochempfindlichen Infrarotsensoren kann es weiter entfernte, also ältere Objekte erfassen als jedes Teleskop zuvor. Und hat so bereits Galaxien entdeckt, die rund 300 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sein müssen.

 

Ohne Zeit kein „Davor“

Über die ersten Minuten und Jahrtausende nach dem Urknall können Forschende nur spekulieren und Modelle erstellen. Oder sie durch teilchenphysikalische Experimente rekonstruieren. Mit ihren gewaltigen Teilchenbeschleunigern kommen die Wissenschaftler:innen bis zu drei Minuten an den Urknall heran. Der Urknall selbst entzieht sich jedoch ihren Experimenten. Allerdings ist er auch nicht Teil der Urknalltheorie. Denn Zeit und Raum sind laut der Theorie erst mit dem Urknall entstanden. Von einem „Vorher“ lässt sich daher überhaupt nicht sprechen. Und auch was den Urknall ausgelöst haben könnte, fällt in den Bereich der Spekulation.

 

Lautloser Urknall?

Was sich aber in jedem Fall gesichert sagen lässt: Einen großen Knall hat es am Anfang aller Dinge nicht gegeben. Denn Schallwellen benötigen ein Medium wie Luft oder Wasser, um sich auszubreiten. Chemische Elemente wie Wasserstoff sind jedoch erst Mikrosekunden nach dem Urknall entstanden. Den Urknalltheoretiker:innen darf man aber keinen Vorwurf machen für das vielleicht etwas schiefe Sprachbild. Denn der Begriff wurde 1949 von dem Astronomen Fred Hoyle geprägt, der sich damit über die Theorie lustig machen wollte, die er selbst nicht für schlüssig hielt. Durchgesetzt hat sich der „Urknall“ trotzdem. Weil er wohl einfach griffiger ist als „Urausdehnungstheorie“ oder was man sich sonst an Bezeichnungen ausdenken könnte. Knalliger klingt er in jedem Fall.

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore