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Telekommunikation

Eine kurze Geschichte des Telefons

05. Januar 2023

 

Rauchzeichen, Lichtsignale, Briefe, Telegramme: Lösungen zur Kommunikation über die Distanz hinweg gab es im Verlauf der Menschheitsgeschichte viele. Doch erst das Telefon machte eine direkte Kommunikation in Echtzeit möglich. Wie der Fernsprechapparat erfunden wurde und wie er sich entwickelt hat, erzählen wir in unserer kurzen Geschichte des Telefons.

 

 

„Ankommen Freitag 17 Uhr.“ Ab Mitte des 19. Jahrhunderts machte die elektrische Telegrafie Kommunikation so schnell wie noch nie. Im Telegrafenamt aufgegeben, erreichte die Kurznachricht ihre Empfängerinnen und Empfänger per Botendienst innerhalb von Stunden – über Kontinente und Ozeane hinweg. Wichtig für die Handelsbeziehungen der hochlaufenden Industrialisierung, für Börsen, Militär und die Eisenbahn und um das wachsende Informationsbedürfnis einer sich globalisierenden Welt zu befriedigen. Doch bei all seinen Vorteilen: Das Telegramm bleibt eine ebenso exklusive wie knappe Angelegenheit. Denn beim Fernschreiber zahlt man für jedes Zeichen. Ende der 1870er-Jahre besteht daher fast ein Drittel der Telegramme aus Deutschland aus maximal fünf Wörtern. Für ausführliche Kommunikationen ist diese Lösung schlicht zu teuer. Aber was wäre, wenn man aufbauend auf der Technologie auch die menschliche Stimme von einem Ort zum anderen elektronisch übermitteln könnte?

Das Kind vieler Väter

An dieser Idee wird ab den 1860er-Jahren weltweit getüftelt. Mit dem Telefon ist es daher wie mit vielen Erfindungen des 19. Jahrhunderts, die unsere Welt für immer verändert haben: Es ist das Kind vieler Väter. Und wie ebenfalls so oft wird einer von ihnen zum Gesicht der Innovation. In diesem Fall heißt er: Alexander Graham Bell. Der schottische Gehörlosenlehrer reicht am 7. März 1876 beim Patentamt der Vereinigten Staaten den Antrag für Patent 174/465 ein. Für die „Methode und den Apparat für die telegrafische Übermittlung von gesprochenen und anderen Geräuschen, durch das Hervorrufen elektronischer Wellenbewegungen, ähnlich den Vibrationen geräuschbegleitender Luft“. Bell kommt damit seinem direkten Konkurrenten Elisha Gray, einem Ingenieur aus Chicago, nur wenige Stunden zuvor.

Philipp Reis und Antonio Meucci

Zwar ist Grays Patentantrag technisch detaillierter, aber Bell ist eben schneller und erhält am 7. März das Patent auf seinen „Phonautographen“. Später wird es heißen, Bell habe sich bei der Weiterentwicklung seines Apparats auch in der Patentschrift seines Konkurrenten bedient. Als gesichert gilt, dass er sich auf zwei andere Vorgänger stützt. Da ist zum einen Philipp Reis. Dem hessischen Physiklehrer war es 1861 gelungen, Schallwellen in elektrische Schwingungen zu verwandeln und am anderen Ende einer Drahtverbindung wieder hörbar zu machen. Wenn auch in schwankender Tonqualität und grundsätzlich einseitig: Am anderen Ende der Leitung kann man hören, aber nicht antworten. Das „Telephon“, wie Reis seinen Apparat taufte, wird an vielen Orten vorgeführt, unter anderem im schottischen Edinburgh, wo Bell am 3. März 1847 geboren wurde.

Und da ist zum anderen Antonio Meucci. Der italoamerikanische Erfinder hat bereits von 1871 bis 1873 ein vorläufiges Patent angemeldet, das er aufgrund fehlender finanzieller Mittel aber nicht aufrechterhalten konnte. Bell kommt wohl auf Umwegen an Meuccis Materialien und Unterlagen. Doch die Prozesse, die Gray und Meucci in den folgenden Jahren anstrengen, kann Bell allesamt gewinnen. Erst 2002 wird das US-amerikanische Repräsentantenhaus Antonio Meuccis Rolle bei der Einführung des Telefons würdigen.

 

Es geht voran

Alexander Bell führt 1877 seinen Apparat erstmals vor und gründet im selben Jahr die Bell Telephone Company. Als AT&T wird sie später zu einer der mächtigsten Telefongesellschaften der Welt. Im selben Jahr wird in Deutschland das erste Telefongespräch mit einem Bell-Apparat geführt. Dieser wandelt Schall durch ein Mikrofon in elektrische Signale um, die bei der Empfängerin oder beim Empfänger wieder als Schallwelle ausgegeben werden. Besonders bequem ist das Telefonieren mit dem trichterförmigen Handstück jedoch nicht. Schließlich muss man Mikrofon und Lautsprecher abwechselnd an den Mund und ans Ohr halten, um hören zu können und gehört zu werden. Einander am Telefon ins Wort zu fallen ist noch keine Option. Vor allem muss man sehr genau hinhören: Denn die Gesprächsqualität ist schlecht, die Reichweiten sind gering. Generalpostmeister Heinrich von Stephan beauftragt Werner von Siemens daher mit der Konstruktion eines eigenen Fernsprechers auf Basis der Bell-Apparate. Der Firma Siemens & Halske gelingt es noch im selben Jahr, höhere Reichweiten und Lautstärken zu erzielen. Letztere werden durch das Kohlemikrofon weiter verbessert, das David Edward Hughes in Großbritannien und Thomas Alva Edison und Emil Berliner in den USA unabhängig voneinander entwickeln.

 

Das Fräulein vom Amt

Am 1. April 1881 nimmt in Berlin das erste Telefonnetz in Deutschland seinen Betrieb auf. Mit 48 Teilnehmenden. Zu dieser Zeit haben in den USA bereits fast alle größeren Städte ein eigenes Netz. Doch auch das Telefonnetz in der deutschen Hauptstadt wächst schnell. Das drei Monate später erscheinende erste Berliner Telefonbuch listet schon 200 Anschlüsse, 1885 werden es 4.300 sein. Neben Firmen, Banken, Börse und Hotels sind nur einige wenige gut betuchte Privatleute vertreten. Denn bei einer jährlichen Benutzungsgebühr von mindestens 200 Mark kostet ein Telefonanschluss doppelt so viel wie eine Zweizimmerwohnung in der Reichshauptstadt.

Verbunden werden die Teilnehmenden per Handschaltung, in Deutschland ab 1889 von den „Fräuleins“ vom Amt. Denn wegen der schlechten Leitungsqualität sind höhere Stimmlagen besser zu verstehen. „Und sodann, weil der Teilnehmer friedlich wird, wenn ihm aus dem Telephon eine Frauenstimme entgegen tönt“, wie Unterstaatssekretär Paul Fischer 1894 im Reichstag erläutert.

 

 

 

Wählen und wählen lassen

1889 erfindet Almon Strowger in den USA den Hebdrehwähler und legt so die technische Grundlage für die automatische Gesprächsvermittlung. 19 Jahre später, im Jahr 1908, wird in Hildesheim die erste Vermittlungsstelle mit Wählbetrieb in Europa in Betrieb genommen. Die bis zu 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer können nun im Ortsbereich selber wählen. Wer jemanden außerhalb von Hildesheim erreichen will, ist nach wie vor auf die händische Vermittlung der Fräuleins vom Amt angewiesen.

Das erste echte Fernwählsystem in Deutschland nimmt 1923 in Weilheim in Oberbayern die Arbeit auf. Erreichbar sind Anschlüsse in der Kreisstadt und in umliegenden Ortschaften. Gewählt wird in Deutschland mittlerweile mit dem Nummernschalter; mit der Wählscheibe, die Siemens & Halske 1913 patentieren lässt. Sie operiert nach dem sogenannten Impulswahlverfahren: Per Zeigefinger werden die Rufnummernzahlen nacheinander bis zum Anschlag gedreht. Nach jeder gewählten Ziffer erzeugt eine Schaltung in der Wählscheibe eine bestimmte Anzahl von Unterbrechungen. Die Vermittlungsstelle erkennt daran die Nummer der gewählten Teilnehmerin beziehungsweise des gewählten Teilnehmers.

Die Fernsprechapparate werden in der Folge immer handlicher. Mikrofon und Lautsprecher sitzen längst in einem Telefonhörer. Doch Wirtschaftskrisen und Weltkriege bremsen den Ausbau des Selbstwahlsystems in Deutschland aus. 1955 wird zwischen Lörrach und Basel die erste selbst wählbare Verbindung ins Ausland eingerichtet. Die letzte per Hand gestöpselte Ortsvermittlungsstelle in der Bundesrepublik wird 1966 stillgelegt – und die Fräuleins vom Amt werden in den Ruhestand geschickt. In der DDR dauert es in ländlichen Regionen noch bis Ende der 1980er-Jahre.

 

Das Telefon wird mobiler

Bereits Anfang der 1960er-Jahre wird in den USA das Mehrfrequenzwahlverfahren entwickelt. Die gewählten Nummern werden hier als Töne mit festgelegten Frequenzen übermittelt, die Wählscheibe des Telefons wird durch Tasten ersetzt. Das elektronische System ist schneller und verlässlicher als der elektromechanische Nummernschalter. Bis sich das Tastentelefon in der BRD durchsetzt, wird es aber noch bis Mitte der 1980er-Jahre dauern.

Telefoniert wird dort, wo das Telefon steht. Wer ungestört mit dem Schwarm sprechen möchte, benötigt ein langes Kabel, das bis ins eigene Zimmer reicht. Das ändert sich mit den Schnurlostelefonen, die in Deutschland ab 1984 angeboten werden. Bereits ein Jahr zuvor hat Motorola das erste kommerzielle Mobiltelefon auf den Markt gebracht. Das DynaTAC 8000X wiegt knapp 800 Gramm und ist 33 Zentimeter lang; es passt also noch lange nicht in die Jackentasche. Nach einer halben Stunde Telefonieren muss es aufgeladen werden und kostet 3.995 Dollar – was nach heutigem Stand etwa 11.600 Euro entspricht. Trotzdem halten sich bald rund 300.000 Nutzende den Knochen ans Ohr.

Vom Handy zum Smartphone

1992 wird das Global System for Mobile Communications (GSM) eingeführt, die technische Grundlage für digitale Mobilfunknetze. Handys werden in den folgenden Jahren kleiner und leichter. 1996 kommt mit dem Nokia Communicator 9000 das erste Handy mit Webbrowser auf den Markt. Mit dem Communicator kann man surfen, Faxe, E-Mails und SMS versenden. Den bald populären „Short Message Service“ hat ebenfalls der GSM-Standard möglich gemacht. Mobilfunkverträge und Endgeräte werden erschwinglicher. 1999 bringt Nokia das Modell 3210 heraus, das sich weltweit 160 Millionen Mal verkaufen wird. Öfter als jedes Smartphone.

Das erste seiner Art ist das Simon von IBM von 1994. Das Touchdisplay des klobigen Geräts kommt noch in monochromem LCD und in geringer Auflösung daher. Im Januar 2007 stellt Apple das iPhone vor – und tritt damit die Smartphone-Revolution los. Mittlerweile nutzen weltweit rund 3,9 Milliarden Menschen ein Smartphone. Und unsere Handys sind längst multifunktionale Allzweckgeräte, bei denen das Telefonieren nur noch ein Feature unter vielen ist.

Die mobile Revolution frisst ihre Vorgänger

Telefonieren von unterwegs ist natürlich keine Innovation des mobilen Zeitalters. Dieses Konzept ist gut 100 Jahre älter: 1878 wird in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut die erste öffentliche Telefonzelle aufgestellt. Drei Jahre später hat auch Berlin einen Fernsprechkiosk. Bezahlt wird über ein Telefon-Billett. Ab 1899 folgt dann das Münztelefon. Die Telefonhäuschen sind in Deutschland zunächst gelb und blau, ab 1934 rot. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird in West wie in Ost die Farbe Gelb verpflichtend. Die Telefonzellen prägen das Bild der Städte und Dörfer. Sie werden zum Anlaufpunkt für alle, die sich keinen eigenen Anschluss leisten können oder von unterwegs nach Hause oder in die Ferne telefonieren wollen. Eingehüllt in den Geruch von modrigem Telefonbuchpapier und kaltem Kippenrauch wirft man hastig Münze um Münze ein, damit die Verbindung zur Verwandtschaft oder zur Freundin nicht abreißt.

Die Zeiten, als sich Schlangen ungeduldiger Wartender vor den Telefonzellen herumdrückten, sind heute lange vorbei. Gab es 1999 deutschlandweit rund 170.000 Telefonzellen, sind es mittlerweile noch 12.000. Allesamt silberne Stelen mit kurzem Dach. Die letzte gelbe Telefonzelle wird 2019 in Bayern abgebaut. Im Januar 2023 wird die Telekom nun die letzten verbliebenen Telefonsäulen stilllegen. Aus wirtschaftlichen Gründen: An rund einem Drittel der öffentlichen Telefone wurde 2021 kein einziges Gespräch geführt. Kein Wunder, kann man an Telefonzellen doch weder surfen, Fotos schießen, Youtube-Videos gucken noch Katzen-GIFs verschicken.

 

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