14. März 2024
Laser sind aus Industrie, Medizin, Wissenschaft und Messwesen kaum noch wegzudenken. Vergleichsweise neue Vertreter der Technologie sind die Ultrakurzpuls-Laser. Wie diese Laser funktionieren, welche Vorteile sie gegenüber herkömmlichen Lasern bieten und wann und warum sie zu einem Fall für die Strahlenschutzprüfung werden, erklärt Philipp Denger, Sachverständiger für Strahlenschutz- und Röntgentechnik bei TÜV NORD.
Herr Denger, was ist überhaupt ein Ultrakurzpuls-Laser?
Philipp Denger: Die Besonderheit des Ultrakurzpuls-Lasers, kurz UKP-Laser, steckt schon im Namen: Er sendet Laserstrahlung nicht kontinuierlich, sondern in extrem kurzen Pulsen aus – wie eine Taschenlampe, die man sehr schnell ein- und ausschaltet. Die UKP-Laser machen das allerdings schneller, als ein Mensch das manuell jemals könnte. Die Pulse moderner Geräte sind wenige Femtosekunden lang, das ist das Billiardstel einer Sekunde. Zum Vergleich: Das Licht legt die 400.000 Kilometer vom Mond zur Erde in etwas über einer Sekunde zurück. In einer Femtosekunde bewältigt es aber gerade einmal eine Strecke vom Durchmesser eines kleinen Bakteriums. Die Lichtenergie des UKP-Lasers wird auf diese unglaublich kurzen Zeitintervalle konzentriert.
Welche Vorteile bietet ein solcher UKP-Laser für welche Einsatzbereiche?
Anders als bei einem normalen Laser franst etwa ein Bohrloch bei UKP-Lasern nicht so stark aus. In der Industrie werden sie entsprechend eingesetzt, um Materialien besonders fein und präzise zu schneiden, zu gravieren oder eben zu bohren. Der zweite Vorteil: Wenn man Werkstoffe mit herkömmlichen Lasern bearbeitet, entsteht dabei große Hitze im Werkstoff. Bei Metallen ist das zumeist kein Problem, für weniger wärmeleitfähige Materialien sind sie dagegen nicht geeignet. Beim UKP-Laser sieht das anders aus. Denn durch seine sehr kurzen Pulse wird die Hitzeentwicklung minimiert, wodurch sich auch Kunststoffe, Gläser, sehr dünne Metalle oder andere wärmeempfindliche Materialien gut damit bearbeiten lassen. Auch in der Medizin werden UKP-Laser bereits verwendet – überwiegend dort, wo heute schon Laser zum Einsatz kommen, also etwa bei chirurgischen Eingriffen am Auge. Der Vorteil ist auch hier die geringe Wärmeentwicklung dieser Laser, die entsprechend gewebeschonend arbeiten.
Phillip Denger ist Sachverständiger für Strahlenschutz- und Röntgentechnik bei TÜV NORD. Der Physiker trägt mit seinen Prüfungen dazu bei, Menschen vor Röntgenstrahlung zu schützen. Denger ist außerdem Mitglied im Ausschuss „Strahlenschutztechnik“ der Strahlenschutzkommission, einem Expert:innengremium, das das Bundesumweltministerium in Fragen des Strahlenschutzes berät.
Nicht zuletzt haben UKP-Laser in Wissenschaft und Forschung neue Möglichkeiten eröffnet: Mit ihnen lassen sich biologische und chemische Prozesse auf atomarer Ebene beobachten, die für unsere Augen ansonsten nicht zu erfassen sind. Mit einem UKP-Laser können wir tatsächlich den Atomen dabei zuschauen, wie sie Elektronen austauschen oder Moleküle bilden. Um immer schnellere Prozesse beobachten zu können, arbeitet man im Forschungsbereich daher daran, die Laserpulse immer kürzer und kürzer zu machen. Im Industriesektor geht die Entwicklung vor allem hin zu einer immer höheren Leistung. Mit einem unerwünschten Nebeneffekt: Ab einer Bestrahlungsstärke von etwa 1013 Watt pro Quadratzentimeter erzeugen diese Geräte auch Röntgenstrahlung (siehe Kasten). Damit werden sie per definitionem zu einer Art Röntgengerät und fallen entsprechend in unseren Prüfbereich.
Welche Geräte müssen entsprechend geprüft werden?
Der Gesetzgeber hat drei Kategorien definiert: Für die gefährlichsten Laseranlagen braucht man eine Genehmigung, also eine Art Führerschein, um sie überhaupt verwenden zu dürfen. Die weniger gefährlichen müssen die Betreiber bei der Gewerbeaufsicht anmelden. Die dritte Kategorie kann man benutzen, ohne eine Behörde darüber zu informieren. Aber in welche dieser drei Kategorien der jeweilige UKP-Laser fällt, lässt sich nicht einfach aus der Betriebsanleitung herauslesen. Das muss vielmehr für jedes Gerät in einer Einstufungsprüfung individuell ermittelt werden. Denn ob ein UKP-Laser Röntgenstrahlen emittiert, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig, unter anderem auch vom Material, das man damit bearbeiten will.
Abhängig von der Einstufung werden die Geräte dann wiederkehrend geprüft: Die besonders gefährlichen einmal im Jahr, die weniger gefährlichen alle fünf Jahre, und die ungefährlichen müssen überhaupt nicht geprüft werden. Die UKP-Laser der höchsten Kategorie gelten damit als kritischer und werden entsprechend auch öfter kontrolliert als Röntgengeräte im medizinischen oder technischen Bereich. Dazu gehören etwa Handgepäck-Scanner am Flughafen, die alle fünf Jahre geprüft werden müssen. Bei der Prüfung messen wir einerseits, ob die Geräte die Grenzwerte für Röntgenstrahlung einhalten, und nehmen auch eine Funktionsprüfung vor: Ist das Schutzgehäuse im laufenden Betrieb sicher verriegelt? Beziehungsweise: Wird der Laser sofort ausgeschaltet, wenn jemand die Tür des Gehäuses mit Gewalt aufreißt?
© TÜV NORD, Phillip Denger
Prüfung einer UKP-Laseranlage zur Materialbearbeitung: Unter anderem wird außerhalb des Schutzgehäuses die Dosis der Röntgenstrahlung gemessen.
Wo liegen die größten Herausforderungen bei der Prüfung solcher UKP-Laser?
Ein Problem liegt bereits vor der eigentlichen Prüfung: Vielen Betreiberinnen und Betreibern solcher Anlagen ist schlicht noch nicht bewusst, dass ihre Geräte Röntgenstrahlen emittieren können und sie entsprechend in der Pflicht sind. Zwar gibt es mittlerweile Aufklärungsinitiativen der Gewerbeaufsicht und teils auch vonseiten der Laser-Hersteller. Es ist aber noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Betreiberinnen und Betreiber von UKP-Lasern entsprechend zu sensibilisieren. Die eigentliche Prüfung solcher Anlagen ist per se anspruchsvoll, da es sich um eine junge Technik und neue Geräte handelt. Prüft man als TÜV-Sachverständige oder TÜV-Sachverständiger etwa Autos, Aufzüge oder herkömmliche Röntgenanlagen, kennt man nach einiger Zeit die Gerätetypen und ihre jeweiligen Besonderheiten. Diese Routine fällt bei solch neuartigen Geräten natürlich weg. Aber gerade das ist es auch, was diese Prüfungen für uns so interessant macht. Außerdem gibt es noch eine konkrete technische Schwierigkeit bei der Prüfung von UKP-Lasern: Die Röntgenstrahlung, die diese Laser abgeben, ist so niederenergetisch, dass sie mit den mobilen Messgeräten, die aktuell auf dem Markt sind, nur schwer zu messen ist. Hier sind die Messgeräte-Hersteller gefragt, besser für UKP-Laser geeignete Geräte zu entwickeln.
Bis es so weit ist und um mögliche Messfehler zu kompensieren, arbeiten wir bei unseren Prüfungen aktuell mit einem großen Sicherheitspuffer: Wir achten darauf, dass sich die Messwerte bestenfalls im Faktor zehn unter dem Grenzwert bewegen. Das spiegelt auch das Prinzip des Strahlenschutzes wider, Grenzwerte nicht auszuschöpfen, sondern Strahlung grundsätzlich so gering wie möglich zu halten, um unnötige Belastungen für Personal und Bevölkerung zu vermeiden.
Welche Rolle spielen UKP-Laser heute in der Industrie, und wie dürfte sich das künftig entwickeln?
Der Einsatz von UKP-Lasern hat sich in den letzten Jahren enorm gesteigert. Und die technische Entwicklung bleibt natürlich nicht stehen. Dem muss auch die Regulierung Rechnung tragen. Denn wo sich das Regelwerk bei herkömmlichen Röntgengeräten über Jahrzehnte verfeinert hat, steht es beim UKP-Laser noch am Anfang. Die Erfahrungen, die wir in den Prüfungen machen, fließen dabei auch wieder in die Arbeit der Regulierungsgremien ein, in denen wir vertreten sind. Wir arbeiten also auf mehreren Ebenen mit an der Weiterentwicklung dieses Regelwerks und können so dazu beitragen, diese neue Technologie so sicher wie möglich zu machen.
Wie wird ein Ultrakurzpuls-Laser zum Röntgengerät?
Fest, flüssig und gasförmig: In diesen drei Aggregatzuständen begegnet uns Materie im alltäglichen Leben. Schießt man mit einem UKP-Laser mit entsprechend hoher Leistungsdichte etwa auf ein Metallstück, verdampft das Material. Es entsteht ein heißes Plasma – der vierte Aggregatzustand von Materie, wie er in der Sonne oder bei Blitzen auftritt. Die Elektronen werden dabei aus ihrer Hülle herausgelöst, sind nicht mehr an den Atomkern gebunden und schwimmen gleichsam frei herum, erklärt Phillipp Denger: „Und beschleunigte Elektronen, also bewegte elektrische Ladung, erzeugen Röntgenstrahlung.“