01. August 2024
Um den Verkehr und Prozesse in der Industrie klimafreundlich umzugestalten, brauchen wir große Mengen von grünem Wasserstoff. Das so flüchtige wie nützliche Gas wird aus Wasser und Grünstrom in Elektrolyseuren hergestellt. Aber wie sicher sind Elektrolyseure, und wie werden sie geprüft? Darüber haben wir mit Jan Simoneit von DMT ENERGY ENGINEERS, einer Tochter der TÜV NORD GROUP, gesprochen.
Herr Simoneit, beim Stichwort Wasserstoff denken manche zuerst an die Hindenburg-Katastrophe 1936. Wie gefährlich ist denn die Handhabung von Wasserstoff im Allgemeinen und von Elektrolyseuren im Speziellen?
Jan Simoneit: Tatsächlich schwebt die Hindenburg noch in vielen Köpfen, wie wir in den Bürgerdialogen zu den von uns betreuten Projekten immer wieder feststellen. Hier müssen wir eine ausführliche Aufklärung betreiben, um Sorgen zu zerstreuen und Zweifel auszuräumen. Denn wie es beispielsweise auch für Benzin an der Tankstelle gilt, sind die Risiken von Wasserstoff so bekannt wie beherrschbar. Und im Unterschied zu Benzin ist er nicht giftig und umweltschädlich. Wasserstoff ist nur in Verbindung mit Sauerstoff brennbar und explosionsfähig. Da das Gas leichter ist als Luft, steigt es bei einem Leck auf und verflüchtigt sich sehr schnell. Im Freien können Detonationen daher quasi nicht auftreten. In Innenräumen wie Elektrolyseuren müssen sie natürlich durch Sicherheitsmaßnahmen verhindert werden. Die Auflagen vonseiten des Gesetzgebers sind hier so scharf und umfangreich, dass de facto nichts passieren kann. In der Industrie gibt es eine lange Erfahrung mit der Handhabung von Wasserstoff: Erste Elektrolyseure wurden bereits im 19. Jahrhundert entwickelt. Seit 1938 verbindet eine Wasserstoff-Pipeline im Ruhrgebiet verschiedene Chemieparks und operiert sicher und störungsfrei.
Welche Sicherheitsmaßnahmen für einen möglichen Wasserstoffaustritt werden in den Anlagen ergriffen?
Wasserstoff ist ein sehr leichtes Gas. Um ihn effizient lagern und transportieren zu können, muss man ihn verdichten: entweder indem man ihn verflüssigt oder ihn mit hohem Druck komprimiert. Die Druckbehälter werden geprüft und überdimensioniert. Das heißt: Behälter, die beispielsweise für einen Druck von 500 bar ausgelegt sind, könnten theoretisch auch 650 bis 700 bar aushalten. Sollte sich Feuer um den Behälter ausbreiten, wird der Wasserstoff über Sicherheitsventile an der Oberseite abgelassen. Beim Elektrolyseur dienen dazu Abluftkamine, über die austretender Wasserstoff kontinuierlich abgeleitet wird. Diese stehen dauerhaft offen und stellen so sicher, dass sich zu keinem Zeitpunkt eine explosive Atmosphäre im Gebäude bilden kann. Sensoren überwachen zudem die Wasserstoffkonzentration im Raum. Stehen die Elektrolyseure in einer Maschinenhalle statt in einem Container und messen diese Sensoren eine erhöhte Konzentration, öffnen sich automatisch Belüftungsklappen, über die der Wasserstoff ausströmt.
Wie werden diese Sicherheitsmaßnahmen geprüft?
Wir betreuen aktuell das Projekt eines niederländischen Investors, der Elektrolyseanlagen aufbauen will. Bei der Planung einer solchen Anlage wird zunächst ein Sicherheitskonzept erstellt, das ein Explosionsschutzkonzept, ein Brandschutzkonzept, eine Gefährdungsbeurteilung, ein Umweltschutzgutachten und ein Lärmschutzgutachten umfasst. Diese Konzepte werden von der zuständigen Genehmigungsbehörde geprüft. Wenn alles passt und sämtliche Grenzwerte eingehalten werden, erteilt diese dann eine Baugenehmigung. Ist die Anlage fertiggestellt, wird alles noch einmal überprüft und durchgemessen und erst nach erfolgreicher Prüfung eine Betriebsgenehmigung erteilt. Im laufenden Betrieb gibt es dann regelmäßige Kontrollen, üblicherweise einmal pro Jahr. Je nach Standort oder der gelagerten Wasserstoffmenge können diese Kontrollen aber auch noch engmaschiger erfolgen.
Fallen beim Betrieb von Elektrolyseuren giftige Stoffe an?
Bei der Elektrolyse entstehen nur Wasserstoff, Sauerstoff und als weiteres Nebenprodukt salzhaltiges Wasser. Bei großen Anlagen werden außerdem Kühlmittel benötigt. Hier kommen beispielsweise Wasser-Glykol-Mischungen zum Einsatz. Sie sind weder toxisch noch umweltgefährdend. Viele Anlagenbetreiber setzen daher auf diese Wasser-Glykol-Mischungen, was wir unsererseits bei Projektplanungen empfehlen. Falls man größere Mengen von Wasserstoff schneller speichern möchte, wird dieser mithilfe von Kältemaschinen heruntergekühlt. In diesen Kältemaschinen ist Ammoniak beispielsweise ein sehr gutes Kältemittel, allerdings hochtoxisch. Über entsprechende Schutzmaßnahmen muss gewährleistet werden, dass es bei einer möglichen Leckage nicht ins Erdreich dringen kann. Hier gibt es Alternativen wie CO2, die nicht so stark umweltgefährdend sind. Auch Schwefelhexafluorid als Isolator wird mittlerweile meistens nicht mehr verwendet, obwohl es wie Ammoniak grundsätzlich erlaubt ist. Da es aber beim Entweichen um ein vielfaches klimaschädlicher ist als CO2, verzichten aktuelle Elektrolyseprojekte auf solche und ähnliche Stoffe. So wird gewährleistet, dass die gesamte Anlage so „grün“, also so klima- und umweltfreundlich wie möglich ist.
Bundesrat wie Bundesregierung wollen künftig Genehmigungsverfahren für kleinere Elektrolyseure vereinfachen. Was ist hier geplant?
Tatsächlich sind die Auflagen für die Genehmigungen von Elektrolyseuren aktuell überdimensioniert. Das liegt daran, dass Wasserstoff bislang vor allem mittels Dampfreformierung aus Kohle in großen Industrieanlagen produziert wird. Für die gelten natürlich besonders umfangreiche Auflagen – etwa was den Abstand zur umliegenden Bebauung anbelangt. Geplant ist daher, dass Elektrolyseure mit einer Leistung bis 68 Megawatt und einer Produktionskapazität kleiner als 50 Tonnen pro Tag in einem vereinfachten Verfahren genehmigt werden können. Kleine Elektrolyseure bis fünf Megawatt sollen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz von der Genehmigungspflicht befreit werden. Das soll bürokratische Hürden abbauen und den Ausbau insbesondere kleinerer Elektrolyseure beschleunigen. Von solchen dezentralen Anlagen werden wir künftig viele brauchen, um die Energiewende voranzutreiben und etwa Strom aus Windkraft als Wasserstoff speichern zu können. Bestehende Lärmschutzgrenzen werden von den vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht berührt. Und das gilt selbstverständlich auch für die Anforderungen an den sicheren Umgang mit Wasserstoff. Menschen in angrenzenden Wohngebieten können also weiterhin ungestört und beruhigt schlafen.
Zur Person:
Jan Simoneit ist Consultant bei DMT ENERGY ENGINEERS. Mit seinen Kolleginnen und Kollegen entwirft und plant er Elektrolyseanlagen. Auch beim Bau und bei der Kommunikation mit den Behörden unterstützt er. DMT ENERGY ENGINEERS ist Teil des HydroHubs. Mit dieser Initiative bündelt die TÜV NORD GROUP alle wasserstoffbezogenen Dienstleistungen und Projekte im Bereich Beratung, Engineering und Training.