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Neue Norm – neue Regeln

11. Juli 2024

Der EU-Rat hat im April die neue Abgasnorm Euro 7 angenommen, Ende Mai ist sie in Kraft getreten. Welche Änderungen bringt die Euro 7, ab wann gilt die neue Norm für welche Fahrzeugarten, und inwiefern wird sie neben Benzinern und Dieselfahrzeugen erstmals auch E-Autos erfassen? Wir klären die wichtigsten Fragen.

 

Welche neuen Anforderungen stellt die Euro 7 an Lkw und Busse?

Für Busse und Brummis bringt die Euro 7 strengere Grenzwerte für verschiedene Schadstoffe. So werden die Grenzwerte für Stickoxide, die Atemwegserkrankungen verursachen können, in der Laborprüfung von aktuell 460 Milligramm pro Kilowattstunde auf künftig maximal 200 Milligramm mehr als halbiert. Beim Test auf der Straße sind maximal 260 Milligramm erlaubt. Die Grenzwerte für Feinstaubpartikel werden von zehn auf acht Milligramm gesenkt. „Diese neuen Grenzwerte insbesondere beim Test auf der Straße einzuhalten ist für die Hersteller herausfordernd, aber machbar“, sagt Stephan Nentwig, Teamleiter Typzulassung Nutzfahrzeuge bei TÜV NORD Mobilität.

 

Was ändert sich bei den Abgasgrenzwerten für Pkw?

Für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bleiben die Emissionsgrenzwerte für Stickoxide und Feinstaub der aktuellen Euro-6-Norm unverändert. Allerdings gelten die Grenzwerte für Feinstaubpartikel nun für alle Benziner und nicht nur wie bisher für Ottomotoren mit Direkteinspritzung. Außerdem werden mit der Euro 7 künftig auch kleinere Feinstaubpartikel von zehn Nanometern statt wie bislang 23 Nanometern erfasst. Diese kleineren Partikel treten vornehmlich bei Benzinern auf, insbesondere bei solchen mit Direkteinspritzung, erklärt Helge Schmidt, Experte für Abgasemissionen bei TÜV NORD: „Insofern müssen insbesondere Benzinfahrzeuge, die bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen aktuell in der Mehrheit sind, künftig durchaus etwas strengere Anforderungen erfüllen.“

 

Welche weiteren Neuerungen bringt die Euro 7?

Die Euro 7 nimmt erstmals die gesamten Fahrzeugemissionen in den Blick: Auch die Feinstaubpartikel aus dem Abrieb von Bremsen und der Mikroplastikabrieb von Reifen werden künftig reguliert. Denn die EU will die Verschmutzung von Umwelt und Ozeanen durch Mikroplastik bis 2030 um 30 Prozent reduzieren. Damit werden auch Fahrzeuge, die keine Abgase produzieren, von der Norm erfasst – also reine E-Autos und Brennstoffzellenfahrzeuge. „Die Euro 7 trägt insofern hinaus über den Zeitpunkt, an dem keine neuen Verbrenner mehr in der EU zugelassen werden“, erläutert Experte Schmidt.

 

Welche Rolle spielen Brems- und Reifenabrieb bei der Feinstaubbelastung?

Während die Feinstaubemissionen aus dem Abgas durch immer strengere Grenzwerte und immer bessere Abgasreinigungssysteme über die letzten Jahrzehnte deutlich abgesenkt werden konnten, sind diejenigen aus Bremsen und Reifen relativ stabil. Ein Problem insbesondere im städtischen Stop-and-go-Verkehr. „Bremspartikelemissionen und Reifenabrieb werden in Kürze höher sein als Partikelemissionen von Verbrennungsmotoren“, so Schmidt. „Dadurch stagniert der Gesamtabbau der Feinstaubemissionen im Verkehr, zumal die Zahl der Fahrzeuge immer weiter steigt. Eine Regulierung der Abriebsemissionen war insofern dringend erforderlich.“

 

Welche Grenzwerte gelten künftig für den Abrieb?

Das Prüfverfahren und die Grenzwerte für die Partikel aus dem Reifenabrieb werden aktuell noch festgeschrieben. Die Partikel aus dem Bremsabrieb werden auf einem Schwungmassen-Bremsen-Prüfstand ermittelt (siehe Kasten). Bei der Einführung der Euro 7 unterscheiden sich die Grenzwerte noch nach der Antriebsart: Für reine Elektrofahrzeuge gilt ein Grenzwert von drei Milligramm pro Kilometer, für alle anderen Antriebsarten 7 mg/km. Die Logik dahinter: Elektroautos rekuperieren, das heißt, sie nutzen den Motor zum Bremsen, um darüber ähnlich wie mit einem Dynamo die Batterie aufzuladen. Dadurch werden die Bremsscheiben deutlich weniger gefordert als die von Verbrennern. E-Autobremsen produzieren entsprechend weniger Abrieb und können so also auch den strengeren Grenzwert einhalten. Ab 2035 soll dann ein einheitlicher Grenzwert von 3 mg/km unabhängig der Antriebsart gelten.

 

Auf welchen weiteren Ebenen werden E-Autos von der neuen Norm erfasst?

Die Euro 7 legt eine Mindestlebensdauer für die Antriebsbatterien von Stromautos fest. Das soll das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärken und den Umstieg auf ein E-Fahrzeug erleichtern. Demnach müssen die Akkus nach fünf Jahren oder 100.000 gefahrenen Kilometern noch auf 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität kommen. Nach acht Jahren oder 160.000 Kilometern sollen es 72 Prozent sein.

Die Euro 7 soll darüber hinaus eine Antwort auf die Frage geben, wie weit das jeweilige E-Modell im Winter kommt. Denn bei kalten Temperaturen arbeitet die Elektrochemie der Batterien verlangsamt, außerdem will der Innenraum geheizt werden. Das kostet Reichweite – bei dem einen Modell mehr, bei dem anderen weniger. Zusätzlich zur bisherigen WLTP-Messung soll im Rahmen der Euro 7 daher auch ein Tieftemperaturtest bei minus 7 Grad verbindlich werden. „Das schafft Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher und fördert zugleich den technologischen Wettbewerb unter den Herstellern, möglichst hohe Winterreichweiten zu bieten“, sagt Stephan Nentwig von TÜV NORD.

 

Ab wann gilt die neue Norm für welche Fahrzeugarten?

Die Euro 7 ist am 29. Mai 2024 in Kraft getreten. Für Autos und leichte Nutzfahrzeuge, die erstmals eine Typgenehmigung erhalten, gilt die neue Norm 30 Monate nach Inkrafttreten, also ab dem 29. November 2026. Zwölf Monate später, also Ende November 2027, dann auch für alle neu zugelassenen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. Bei Bussen und Lkw ist für die Euro-7-Umstellung eine Frist von vier Jahren für neue Typgenehmigungen und fünf Jahre für alle anderen Modelle vorgesehen, sie müssen also ab Ende Mai 2028 beziehungsweise 2029 die neuen Anforderungen erfüllen.

 

Sollten die Grenzwerte für Pkw mit der Euro 7 nicht eigentlich verschärft werden?

Tatsächlich hatte die EU-Kommission ursprünglich strengere Grenzwerte vorgesehen, ihr Vorschlag wurde aber sowohl vom EU-Parlament als auch von den Ländern deutlich abgeschwächt. Das Argument von Mitgliedsstaaten wie etwa Frankreich, Italien, Polen, Tschechien, Rumänien und Ungarn: Da 2035 keine neuen Verbrenner mehr in der EU zugelassen werden sollen, müssten die Hersteller alle Ressourcen auf die Entwicklung abgasfreier Fahrzeuge konzentrieren. Diese Argumentation sei nachvollziehbar, befindet Abgasexperte Schmidt. Allerdings sei eine Abgasnorm nie fix und fertig, sagt der Experte. „Wie bereits die Euro 5 oder die Euro 6 wird auch die Euro 7 immer weiterentwickelt und angepasst werden, um den aktuellen technischen Entwicklungen gerecht zu werden.“

 

Wie wird der Bremsabrieb ermittelt?

Der Abrieb von Bremsen wird auf einem sogenannten Schwungmassen-Bremsen-Prüfstand nach einem speziellen Verfahren ermittelt. „Das ist ein Thema, mit dem wir uns bereits seit gut zehn Jahren beschäftigen“, sagt Abgasexperte Helge Schmidt. Am TÜV NORD-Institut für Fahrzeugtechnik und Mobilität (IFM) in Essen wurde unlängst ein erster Prüfstand für den Bremsabrieb bei Pkw in Betrieb genommen, ein weiterer ist im Aufbau. In einer großen und abgeschlossenen Röhre werden hier Radaufhängung und Bremse montiert. Dann wollen die Bremsen erst einmal eingebremst werden, wie man es auch mit frisch in der Werkstatt gewechselten Bremsscheiben machen würde. Bei der Prüfung wird in einem festgelegten Zyklus gebremst. Die Bremsscheiben werden dabei von gefilterter, also ihrerseits feinstaubfreier Luft umströmt. Diese Luft wird mit einer Art gewaltigem Staubsauer aufgefangen und im Anschluss der Bremsfeinstaub in der Luft ermittelt. „Wir messen dabei immer eine Vorder- und eine Hinterradbremse, da die Bremsen unterschiedlich stark gefordert werden“, erläutert Stephan Nentwig von TÜV NORD.

 

Zur Person:

Helge Schmidt ist Experte für Abgasemissionen bei TÜV NORD. Im TÜV-Verband leitet der studierte Maschinenbauingenieur den Arbeitskreis Emissionen im Kraftfahrzeugverkehr.

Zur Person:

Stephan Nentwig ist Teamleiter im Bereich Powertrain/Emissions – Engine Dyno am Institut für Fahrzeugtechnik und Mobilität (IFM) von TÜV NORD Mobilität in Essen. Der Ingenieur für Fahrzeugtechnik beschäftigt sich mit der Homologation und Typprüfung von Nutzfahrzeugen von der Straße, der Schiene und aus der Binnenschifffahrt.

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