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Solarenergie

Konzentrierte Sonnenkraft

16. Mai 2024

Photovoltaikmodule sieht man mittlerweile überall – auf Dächern, Balkonen oder Wiesen. Der photoelektrische Effekt ist aber nicht der einzige Weg, um die Kraft der Sonne in elektrische Energie umzuwandeln: Auch mit ihrer Wärme lässt sich Strom erzeugen. Solarthermie ist hier das Stichwort. Wie funktionieren solche Solarthermie-Kraftwerke, und welchen Beitrag können sie für die Energiewende leisten?

 

Karg und öde erstrecken sich die staubigen Weiten der Atacama im Norden Chiles. Da plötzlich sieht man den Turm: 250 Meter reckt er sich in die heiße Luft der trockensten Wüste der Welt, gleißend hell leuchtet seine Spitze, um ihn herum scharen sich Abertausende Spiegel in kilometerbreiten konzentrischen Kreisen. Was auf den ersten Blick wie rätselhafte Alien-Technologie aus einem bildgewaltigen Science-Fiction-Blockbuster wirken mag, ist tatsächlich ein Solarthermie-Kraftwerk. Es hört auf den Namen „Cerro Dominador“ und ist das erste seiner Art in Südamerika.

Anders als die Photovoltaik wandelt die Anlage die Kraft der Sonne nicht direkt in Elektrizität um. Sie nutzt vielmehr ihre Wärme, um damit Stromgeneratoren anzutreiben. 10.600 computergesteuerte Spiegel folgen in Cerro Dominador der Sonne und bündeln ihre Strahlen auf den Brennpunkt der Anlage: einen Wärmeabsorber an der Spitze des Turms. Der wird von den Sonnenstrahlen auf 600 Grad erhitzt. Ein Wärmetauscher greift diese Wärme kontinuierlich ab und erzeugt Wasserdampf, der auf Turbinen geleitet wird, die mit Generatoren elektrischen Strom erzeugen.

 

Energiespeicher für sonnenlose Stunden

Mit seiner Leistung von 110 Megawatt soll das Solarturmkraftwerk rund 380.000 Haushalte mit grünem Strom versorgen. Und das rund um die Uhr. Denn die gewonnene Wärme kann über 17 Stunden in einem Flüssigsalztank gespeichert und nachts oder an einem der seltenen bewölkten Tage verwendet werden. 870.000 Tonnen CO2 sollen so Jahr für Jahr eingespart werden.

Da Europa das sonnen- und windreiche Land Chile als Energiepartner für die Lieferung von grünem Wasserstoff an sich binden will, haben sich die EU und die Bundesregierung finanziell an der Solarturmanlage beteiligt. „Einen Leuchtturm für die ganze Region“, so nannte die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze das Projekt bei der Einweihung im Juni 2021. Sie hoffe, dass noch weitere solcher Kraftwerke gebaut werden, um die großen Potenziale der Sonnenenergie zu nutzen, so die Ministerin.

Das Potenzial für die konzentrierte Sonnenkraft („Concentrated Solar Power“ oder kurz CSP in der Fachsprache) in Chile ist hoch. Schließlich zählt die Atacama-Wüste zu den sonnenreichsten Orten der Erde. Ein wesentlicher Grund dafür, warum sich das Sonnenwärmekraftwerk in einem Ausschreibungsverfahren als wirtschaftlichere Lösung auch gegen Gas- und Kohlekraftwerke durchsetzen konnte.

 

 

 

Solarkraft aus der Rinne

Die Idee, über die Kraft der Sonne Maschinen anzutreiben, ist nicht neu. Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten sich Erfinderinnen und Erfinder wie Augustin Mouchot an Solar-Dampfmaschinen. Es sollte aber noch über 100 Jahre dauern, bis 1984 in den USA das weltweit erste kommerzielle Solarwärmekraftwerk ans Netz ging.

Anders als Cerro Dominador in Chile setzt die Anlage im kalifornischen Kramer Junction nicht auf einen Turm: Gewölbte Spiegel in Hunderte Meter langen Reihen bündeln das einfallende Sonnenlicht auf eine Rohrleitung in ihrer Mitte. Durch diese fließt ein Thermoöl, das von der Sonne auf bis zu 400 Grad aufgeheizt wird. Über einen Wärmetauscher wird Wasserdampf erhitzt, der wie beim Solarturmkraftwerk über eine Turbine einen Generator antreibt und so Strom erzeugt.

Diese sogenannten Parabolrinnenkraftwerke sind aktuell der häufigste Typ von Solarkraftwerken weltweit und etwa auch in Südafrika, Marokko oder Israel im Einsatz. In Europa ging 2008 in der spanischen Sierra Nevada das erste Solarwärmekraftwerk ans Netz. Stand Anfang 2020 hat sich Spanien mit 50 Kraftwerken und 2,3 Gigawatt installierter Leistung zum größten Solarthermie-Stromproduzenten der Welt gemausert.

 

Im Sonnengürtel rentabel

Global gesehen spielt die konzentrierte Sonnenwärme im Vergleich zu Windkraft und Photovoltaik allerdings nur eine sehr kleine Rolle. Weltweit waren Ende 2019 Solarthermie-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund sechs Gigawatt im Betrieb. Zum Vergleich: 2023 wurden allein in Deutschland PV-Anlagen mit einer Leistung von 14 Gigawatt installiert – also mehr als doppelt so viel innerhalb eines Jahres in einem einzigen Land!

Das hat seine Gründe. Denn wo sich die immer günstiger und effizienter werdende Photovoltaik schon im Balkonformat und bei mitteleuropäischer Witterungslage rentiert, benötigen die Solarkraftwerke eine Mindestgröße und sehr viel Sonne, um sich wirtschaftlich zu rechnen. Daher sind sie in Wüsten und wüstenartigen Regionen gut aufgehoben und entsprechend ausschließlich im Sonnengürtel unseres Globus zu finden. Aber auch dort ist die pflegeleichte Photovoltaik oft die wirtschaftlichere Lösung gegenüber der wartungsaufwendigeren Solarthermie.

 

Salz statt Öl

Insbesondere in Deutschland wird deshalb daran geforscht, die Effizienz von Solarthermie-Kraftwerken weiter zu verbessern. Und das ist kein Zufall: Denn in vielen Sonnenwärmekraftwerken quer über den Globus steckt Technik von Siemens und anderen deutschen Unternehmen.

Fachleute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) untersuchen etwa seit 2022 in einer Testanlage im portugiesischen Évora, ob sich das Thermoöl bei Parabolrinnenkraftwerken durch flüssige Salze ersetzen lässt. Die sind günstiger, lassen sich auf höhere Temperaturen erhitzen und könnten die Stromerzeugungskosten der Solarkraftwerke um 20 Prozent senken, so die Prognose der Forschenden.

 

Kombination statt Konkurrenz

Einen zentralen Vorteil haben die Solarthermie-Kraftwerke dabei gegenüber der Photovoltaik: Wärme lässt sich einfacher und günstiger speichern als Strom in Batterien. Sie sind also grundlastfähig und können auch nachts oder an bewölkten Tagen die Stromversorgung sichern – insbesondere, wenn man sie mit Photovoltaikanlagen kombiniert, wie die DLR-Fachleute in einer Studie berechnet haben.

Wenn das Stromangebot die Nachfrage übersteigt, müssen PV-Parks heute temporär abgeregelt werden, um die Stromnetze nicht zu überlasten. Der Sonnenstrom geht dann verloren oder muss alternativ in nach wie vor kostspieligen Batterien gespeichert werden. In einer Hybridanlage aus einem Sonnenwärmekraftwerk und einer Photovoltaikanlage könnte überschüssiger PV-Strom einen elektrischen Heizer antreiben und so als Wärme in den Speicher der Solarthermie-Anlage eingespeist werden: ein Verfahren, an dem auch das Fraunhofer-Institut forscht. Solche Hybridkraftwerke könnten laut den Berechnungen des DLR Strom günstiger produzieren als reine PV-Parks mit Batteriespeichern.

In Marokko steht diese Idee bereits kurz vor Realisierung: Nahe der Stadt Midelt wird an einer solchen Hybridanlage gebaut. Noor Midelt 1 soll 2024 in Betrieb gehen und erstmals die Vorteile der Photovoltaik mit denen der konzentrierten Sonnenkraft kombinieren. Wenn Marokko auf diese Weise seine Energiewende vorantreibt, kommt das mittelfristig auch der in Deutschland zugute. Schließlich soll das Königreich unser erster Lieferant für grünen Wasserstoff in Nordafrika werden – und dafür braucht es vor allem viel grünen Strom.

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore