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Landwirtschaft

Feldfrüchte für den Klimawandel

25. Juli 2024

Hitzewellen, Dürreperioden, Starkregen oder Hagelschläge: Die Folgen des Klimawandels machen sich auch hierzulande längst bemerkbar. Die Landwirtschaft versucht, sich auf diese Veränderungen einzustellen – mit Feldfrüchten und Anbaumethoden, die besser mit extremen klimatischen Bedingungen klarkommen.

 

Gandalf heißt der Hoffnungsträger. Nein, nicht der ehrfurchtgebietende Zauberer aus J. R. R. Tolkiens Fantasyepos „Herr der Ringe“, sondern die kleine Melone mit dem zuckersüßen Innenleben, die Daniel Willhalm seit rund fünf Jahren in Lindau anbaut. Der Obstbauer hat die Erfahrung gemacht, dass am Bodensee neben südlichen Apfelsorten neuerdings auch Melonen gut gedeihen.

Die klimatischen Bedingungen in Deutschland haben sich verändert: Längere Hitzeperioden sorgen für trockenere Böden. Zugleich blühen Pflanzen durch die milderen Frühjahre immer früher und werden dann bei plötzlichen Frosteinbrüchen geschädigt, was bei Winzer:innen oder Obstbäuer:innen zu Ernteausfällen führt. Einer der Gründe, warum sich Obstbauer Willhalm nach Alternativen oder Ergänzungen etwa zum Apfel umschaut.

Damit seine wärmeliebenden Zuckermelonen früher reifen und um sie vor Regen zu schützen, zieht Willhalm sie in einem offenen Folientunnel. Nebenan im Freien wachsen Wassermelonen, an denen sich auch Obstbäuer:innen in Brandenburg oder Niedersachsen versuchen, um sich mit Blick auf die klimatischen Veränderungen breiter aufzustellen.

 

Körnerhirse aus Unterfranken

Welche Feldfrüchte für die heißeren Verhältnisse besonders gut geeignet sind – das wird an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) wissenschaftlich erforscht. Experimentiert wird hier beispielsweise mit Schwarzkümmel, Trockenreis, Kichererbse, Sesam, Erdnuss und Körnerhirse. Letztere bietet sich beispielsweise als Alternative zum Mais an, der durch zunehmende Hitze und ausbleibenden Regen weltweit besonders stark unter Druck gerät.

Die Körnerhirse hat sich mit mehreren Strategien für trockene Verhältnisse gerüstet: Ihre langen Wurzeln erreichen auch das kühle Nass in größerer Tiefe. Durch die Wachsschicht auf ihren Halmen und Blättern ist sie zudem vor Verdunstung geschützt. Und ist es selbst für sie einmal zu trocken, legt sie einfach eine Pause ein und wächst erst weiter, wenn sie wieder genügend Wasser bekommt. Tatsächlich konnte die Hirse bereits ihr Potenzial unter Beweis stellen: Auf Versuchsfeldern im unterfränkischen Schwarzenau ließ der Ertrag im Dürresommer 2022 den des Körnermais hinter sich.

 

Eine Frage der Gewohnheit

Verwendet wird die Ernte bislang überwiegend als Futter für Schweine oder Hühner, wofür sie Untersuchungen zufolge gut geeignet ist. Doch für den menschlichen Magen laufe der Verkauf der Hirse in Hofläden bislang schleppend, so Janina Goldbach von der LfL gegenüber dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt. Hirsenudeln oder -mehl seien hierzulande noch nicht so richtig angekommen, sagt die Expertin.

Damit neue Ansätze auf den Feldern erfolgreich sein können, erfordert es eben auch eine Umstellung auf den Tellern der Verbraucher:innen: „Mehr Klimaschutz und ein Wandel in der Landwirtschaft wird es ohne Veränderung in den Ernährungsgewohnheiten nicht geben“, so Frank Ewert, Professor am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) gegenüber dem ZDF

 

Kichererbsen aus Brandenburg

Natürlich hat der Anbau anderer Arten auch Herausforderungen. Kichererbsen etwa gedeihen normalerweise in subtropischen Gebieten. Mittlerweile pflanzen auch Bäuer:innen in Brandenburg oder Franken die eiweißreiche Hülsenfrucht an. Die ist genügsam in Sachen Wasser und Nährstoffe. Und weil ihre Wurzeln Stickstoff binden, verbessert die Kichererbse wie andere Leguminosen die Fruchtbarkeit des Bodens. Wenn es allerdings zur Erntezeit regnet, blühen die Kichererbsen wieder. Dann fällt die Ernte wie im nassen Sommer 2021 magerer aus. Erdnüsse wiederum, die ein Bauer in Bayern ausprobiert hat, benötigen für die effiziente Ernte spezielle Maschinen, die zum Beispiel erst aus den USA beschafft werden müssen.

Neue Arten einzuführen, ist dabei nicht der einzige Weg, auf die Folgen des Klimawandels zu reagieren. Saatguthersteller versuchen unter anderem, etablierte Feldfrüchte wie Weizen oder Roggen fit zu machen für die veränderten Bedingungen: Sie züchten wassergenügsame Sorten, die etwas früher geerntet werden können. So kommen sie den besonders intensiven Hitzephasen zuvor. Solche Züchtungen haben aus Sicht von Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München großes Potenzial, die Folgen des Klimawandels einzudämmen. Doch das geht nicht von jetzt auf gleich: Acht bis zehn Jahre dauert es, bis eine neue Sorte gezüchtet, getestet und zugelassen ist.

 

Im Schatten der Bäume

Aber auch mit anderen Anbauweisen lässt sich auf die neuen Bedingungen reagieren. Um ihren Pflanzen oder Tieren Schatten zu spenden und sie vor Hitze zu schützen, können Landwirt:innen an und auf ihren Feldern und Weiden Bäume pflanzen. Agroforst nennt sich dieses Prinzip, das mit Streuobstwiesen in früheren Zeiten gang und gäbe war, mit der Industrialisierung der Landwirtschaft aber an den Rand gedrängt wurde.

Da große Maschinen aus der heutigen Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken sind, haben sich neue Agroforstsysteme an moderne Verhältnisse angepasst: Das heißt: Obst-, Nuss- oder Nutzholzbäume werden in langen Reihen zwischen breiten Feldstreifen gepflanzt, um dem Säen und dem Ernten möglichst wenig in die Quere zu kommen.

 

Gut fürs Mikroklima

Die Kombination aus Baum und Feld hat neben dem Kühlungseffekt gleich mehrere Vorteile: Die Bäume schützen den Boden vor Erosion und machen ihn fruchtbarer. Sie verbessern das Mikroklima auf den Feldern, da sie Wasser aus tieferen Schichten nach oben befördern und dort verdunsten. Das wiederum kommt den Feldfrüchten zugute. Da Bäume größeren und kleineren Tieren Schutz und Nahrung bieten, erhöhen sie zugleich die Biodiversität auf dem Acker.

Warum trotz der Vorteile nicht bereits alle Landwirt:innen Bäume wachsen lassen? Die Umstellung ist erst einmal mit höheren Kosten verbunden, und auch der Arbeitsaufwand steigt. Außerdem brauchen die Bäuer:innen Abnehmer:innen für ihre Erzeugnisse, die sie teils in verhältnismäßig kleinen Mengen produzieren. Und weil Bäume langsamer wachsen als Mais oder Weizen, dauert es auch länger, bis sie wieder Geld zurück in die Kassen spülen.

Um Landwirt:innen den Umstieg zu erleichtern, werden Agroforstsysteme seit 2023 in Deutschland gefördert – in Frankreich oder Tschechien ist das bereits seit einigen Jahren der Fall. Branchenverbände beklagen allerdings noch allzu enge Förderauflagen und eine fehlende flächendeckende Investitionsförderung in allen Bundesländern.

Beim Umgang mit dem Klimawandel ist es in der Landwirtschaft wie in vielen Branchen und Bereichen: Es müssen kleinere und größere Steine aus dem Weg geräumt werden, damit es für alle vorangehen kann.

 

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore