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Klimawandel

Was ändert sich durch die neue Carbon-Management-Strategie?

13. Juni 2024

Länger schon hat es sich abgezeichnet, nun wird es konkret: Die Bundesregierung will künftig die Speicherung von CO2 im Meeresboden erlauben. Was der Gesetzentwurf umfasst und was erforderlich ist, um die Sicherheit des Speicherverfahrens zu gewährleisten, erklären Michael Baranowski, Experte für Carbon Management beim HydroHub der TÜV NORD GROUP, und Silvio Konrad, Vorsitzender der Geschäftsführung von TÜV NORD EnSys.

 

#explore: Das Bundeskabinett hat die Eckpunkte für eine Carbon-Management-Strategie und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes beschlossen. Was ändert sich, wenn die Gesetzesänderung wie geplant durch den Bundestag geht?

Michael Baranowski: Die Gesetzesänderung soll die momentan bestehenden Hürden für die Speicherung von CO2 im Boden, Carbon Capture and Storage (CCS), und das Weiternutzen von CO2, Carbon Capture and Utilisation (CCU), beseitigen und Leitpunkte für die Nutzung dieser Technologien festlegen. Die Speicherung kann demnach künftig auf hoher See und außerhalb von Meeresschutzgebieten erfolgen, wenn die Standorte nachweislich geeignet sind. An Land ist das außer zu Forschungszwecken weiterhin nicht möglich. Allerdings können einzelne Bundesländer für ihr jeweiliges Gebiet eine Speicherung aktiv erlauben, wofür dann entsprechende Landesgesetze erforderlich sind. Das kann für Bundesländer mit CO2-intensiven Industrien interessant sein. Es muss sich allerdings noch zeigen, ob diese Regelung tatsächlich auch in das finale Gesetz aufgenommen wird.

 

Welche Rolle kann die CO2-Speicherung beim Erreichen der Klimaziele spielen?

MB: Priorität sollte aus unserer Sicht immer die Vermeidung von CO2-Emissionen haben – durch die Verbesserung der Energieeffizienz in allen Sektoren und die Nutzung erneuerbarer Energien. Hier haben wir gesamtgesellschaftlich bereits gewaltige Fortschritte erzielt: Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, dass wir heute über die Hälfte unseres Stroms aus Erneuerbaren produzieren? Aber trotz aller Anstrengungen werden in bestimmten Bereichen wie der Zement- und Kalkindustrie, der Abfallverbrennung oder Teilen der Grundstoffchemie auch künftig Treibhausgase entstehen. Diese unvermeidlichen Emissionen über die Instrumente eines Carbon Managements entweder einer neuen Nutzung zuzuführen oder dauerhaft zu speichern kann daher ein wichtiger Baustein sein, um dem Klimawandel gegenzusteuern.

 


Umweltverbände haben den Gesetzentwurf scharf kritisiert, da er auch Gaskraftwerken die Möglichkeit zur Speicherung von CO2 eröffnet. Die Verbände befürchten, dass die Kraftwerksbetreiber Kohlendioxid künftig speichern, statt Emissionen zu vermeiden, und dass dadurch die Energiewende ausgebremst wird. Wie ist hier Ihre Einschätzung?

Silvio Konrad: Hier muss man differenzieren. Die Bundesregierung hat sich zunächst klar zum beschlossenen Kohleausstieg positioniert. Die Speicherung von CO2 bei Kohlekraftwerken, auch bei Kraft-Wärme-Kopplung, bleibt explizit verboten. Bei Gaskraftwerken oder Biomasseanlagen ist CCS zwar im Sinne eines „technologieoffenen Übergangs zu einem klimaneutralen Stromsystem“ möglich. Es soll aber keine Förderung geben. Deshalb geht das Bundeswirtschaftsministerium davon aus – und das wäre auch meine Einschätzung –, dass CCS im Stromsektor keine oder nur eine geringe Rolle spielen wird, da es für die Unternehmen schlicht keine finanziellen Vorteile bietet.

 

Wie lässt sich sicherstellen, dass geförderte Unternehmen ausschließlich unvermeidliche CO2-Emissionen speichern?

SK: Dazu bedarf es klarer Regeln und einer effektiven Überwachung durch Aufsichtsbehörden und Sachverständigenorganisationen. Die Emissionen müssen genau quantifiziert und verifiziert werden, um sicherzustellen, dass nur unvermeidliche Mengen gespeichert werden. Dazu sollten Unternehmen transparent über ihre Aktivitäten berichten und ihre CO₂-Speicherung nachvollziehbar dokumentieren.

 

Stichwort Wirtschaftlichkeit: Die CCS-Technologie gilt aktuell noch als teuer. Ist sie für Unternehmen denn überhaupt schon eine Option?

SK: Die Kosten für CCS bewegen sich zwischen 70 und 250 Euro die Tonne, sind also noch deutlich höher als die CO2-Steuer beziehungsweise die Preise für CO2-Zertifikate. Die CO2-Abgabe liegt in Deutschland aktuell bei 45 Euro pro Tonne. Momentan ist es für Unternehmen also noch günstiger, CO2 auszustoßen statt es zu speichern. Eine ausreichende staatliche Förderung für Industrien mit unvermeidlichen Kohlendioxid-Emissionen kann hier einen wichtigen Anreiz für den Umstieg schaffen. Um die CCS-Technologie in Deutschland auf die Spur zu bringen, müssen aber auch zügig klare gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen und bürokratische Hürden abgebaut werden. Deutliche Bewegung wird in die CO2-Speicherung in Deutschland spätestens dann kommen, wenn die Abgaben für die Emission von CO2 höher ausfallen als die Kosten von CCS-Maßnahmen: einerseits durch weitere politisch gesteuerte Maßnahmen, etwa Kohlenstoff-Differenzverträge, mit denen etwa heute schon in der Stahlindustrie die Mehrkosten klimafreundlicher Produktionsverfahren gegenüber konventionellen Prozessen ausgeglichen werden. Und andererseits natürlich über sukzessive steigende CO2-Preise und eine Reduzierung der CO2-Zertifikate, die CCS im Gegenzug zunehmend wirtschaftlich machen. Einige europäische Länder haben die Weichen bereits entsprechend gestellt.

 

Was macht denn eine geeignete Speicherstätte für CO2 aus?

MB: Die Auswahl einer geeigneten Speicherstätte erfordert eine sorgfältige geologische Untersuchung. Grundsätzlich bieten sich tiefe poröse Gesteinsschichten an, da diese viel CO2 aufnehmen können. Darüber müssen sich sogenannte Deckschichten befinden, die verhindern, dass das Kohlendioxid wieder aufsteigt. Geeignet sind etwa erschöpfte Erdgas- oder Erdölfelder oder sogenannte Saline-Aquifere, also Gesteine, deren Porenraum mit Salzwasser gefüllt ist. Bei einer Speicherung an Land dürfen diese nicht in der Nähe von Trinkwasserquellen liegen, um eine Versalzung von Grundwasser, Böden und Oberflächengewässern auszuschließen.

 

Auf welchen Wegen soll das CO2 dann in diese Speicher transportiert werden?

MB: Kleinere Mengen können via Lkw oder mit der Bahn transportiert werden. Zentrales Element wird aber ein Pipelinenetz sein, dessen Ausbau über den Gesetzesvorschlag der Bundesregierung ermöglicht wird. Unsere Kolleginnen und Kollegen von DMT begleiten beispielsweise in Nordamerika ein solches Pipelineprojekt und haben hier also schon entsprechende Erfahrungen gesammelt.

 

Wie gefährlich ist CO2 beziehungsweise die CCS-Technologie?

SK: CO2 ist grundsätzlich ein gut beherrschbares Medium. Es ist nicht brennbar und erst in einer hohen Konzentration gesundheitsschädlich. Wie bei jedem anderen Gas besteht beim Transport und der Speicherung das Risiko von Leckagen. Mit spezifischen Vorgaben bei der Auswahl der Transportmittel und der Speicherstätten, einer entsprechend aufwendigen Versiegelung und einer sehr genauen Überwachung beim Transport und im Betrieb ist dieses Risiko aus unserer Sicht beherrschbar. Um es so weit wie möglich zu minimieren, müssen bei CCS-Projekten strenge Sicherheitsstandards eingehalten werden. Da die CO2-Speicherung noch nicht kommerziell in der Breite betrieben wird, sollten diese Projekte engmaschig von Sachverständigen begleitet werden. Weitere Forschung und gesammelte Erfahrungen, zum Beispiel bei Projekten im Ausland, werden dazu beitragen, die Technologie weiter zu verbessern.

 

Zur Person:

Michael Baranowski ist Projektleiter im HydroHub mit dem Fokus auf Import und Export von Wasserstoff. Außerdem beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Carbon Management. Der HydroHub bündelt alle wasserstoffbezogenen Dienstleistungen und Projekte im Bereich Beratung, Engineering und Training der TÜV NORD GROUP.

 

Zur Person:

Silvio Konrad ist Energieexperte und Vorsitzender der Geschäftsführung von TÜV NORD EnSys.

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore