23. Februar 2023
Forschende weltweit tüfteln seit Jahren an der Feststoffbatterie, für manche gilt sie sogar als der „Heilige Gral“ der Elektromobilität. Kein Wunder: Sie gilt als unbrennbar und bietet im Vergleich zu heutigen Lithium-Ionen-Akkus höhere Reichweiten und Ladegeschwindigkeiten. Wie es mit der Feststoffbatterie vorangeht, wann mit ihr zu rechnen ist und ob sie den großen Erwartungen gerecht werden kann.
Lithium-Ionen-Akkus sind eine Erfolgsgeschichte. Sie stecken in all unseren mobilen Endgeräten und haben den Durchbruch der E-Mobilität überhaupt erst möglich gemacht. Ihr Leistungsvermögen ist über die Jahre gestiegen: Sie können immer schneller geladen werden und immer mehr Strom speichern. Doch die Technologie hat ihre Grenzen, die vor allem in ihrer Konsistenz begründet liegen: Heutige Lithium-Ionen-Batterien sind im Kern eine flüssige Angelegenheit. Genauer gesagt ihr Elektrolyt: Durch diesen wandern die Lithium-Ionen von einer Elektrode zur anderen. Beim Laden geht es von der Kathode zur Anode, beim Entladen in die Gegenrichtung. Die Anode besteht heute aus Grafit, dabei wäre metallisches Lithium der vielversprechendere Kandidat. „Es hat eine erheblich größere Energiedichte, würde also mehr Reichweite bei gleicher Batteriegröße bieten“, sagt Thomas Schmaltz. Der Werkstoffwissenschaftler hat gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) die Roadmap Feststoffbatterien erstellt.
Fest statt flüssig
Jahrelang haben Forschende versucht, den flüssigen Elektrolyten mit einer Lithium-Anode zu kombinieren. Ohne Erfolg, denn immer droht die Dendritenbildung: nadelartige Gebilde, die zu einem Kurzschluss führen können oder die Speicherfähigkeit der Batterie verringern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verfolgen deshalb das Ziel, den flüssigen Elektrolyten durch ein festes Material zu ersetzen, das mit der vielversprechenden Lithium-Anode besser kompatibel ist. Eine solche Feststoffzelle soll eine höhere Reichweite bieten und den Akku zugleich sicherer machen, da die brennbare Flüssigkeit entfällt.
Die Erwartungen an die neue Technologie sind hoch. Volkswagen-Chef Oliver Blume etwa stellt einen Reichweitenbonus von 30 Prozent und eine halbierte Ladezeit gegenüber heutigen Akkus in Aussicht. Der Autokonzern hat bereits über 400 Millionen Dollar in das Batterie-Start-up QuantumScape investiert, das eine Feststoffzelle zur Serienreife bringen will. Auch alle anderen großen Hersteller – vom Stellantis-Konzern über Toyota, Nissan und Ford bis zu BMW und Mercedes – stecken große Summen und Hoffnungen in die Entwicklung.
© BMW Group, Solid
Die BMW Group und Ford glauben an die Feststoffbatterien als künftiges Herzstück von Elektromobilen. Dafür kooperieren sie mit dem US-Hersteller Solid Power.
Und Mercedes hat bereits erste Feststoffzellen in seinen E-Bussen im Einsatz. Der Elektrolyt der Batterien im eCitaro besteht aus Polymeren, also aus Kunststoffen. Die Akkus, die Mercedes von einem französischen Hersteller bezieht, bieten tatsächlich größere Reichweiten, kommen aber momentan noch mit einigen Einschränkungen daher: So müssen sie für den Betrieb auf ihre „Wohlfühltemperatur“ von 50 bis 80 Grad geheizt werden. Außerdem ist ihre Schnellladefähigkeit geringer als bei heutigen Batterien. Bei Stadtbussen, die tagtäglich im Dauereinsatz auf festen Routen fahren und über Nacht geladen werden können, macht die größere Reichweite diese Nachteile wett. Für den Einsatz im Auto sind diese Akkus auf dem aktuellen Entwicklungsstand jedoch noch keine Option.
Sulfide für schnelles Laden
Bessere Schnellladefähigkeiten könnten Feststoffbatterien bieten, deren Elektrolyte aus Sulfiden bestehen: Verbindungen aus Schwefel, Lithium und weiteren Materialien wie Phosphor. Ein technologischer Weg, den zum Beispiel BMW in Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen Solid Power einschlägt. Noch vor 2025 will der bayrische Autobauer ein erstes Feststoffzellenfahrzeug vorführen, bis Ende des Jahrzehnts soll die Technologie dann serienreif sein.
Bis es so weit ist, muss allerdings noch einiges an Entwicklungsarbeit geleistet werden. Denn auch die Sulfide weisen gewisse Haken und Herausforderungen auf. Kommen sie direkt mit der Lithium-Anode in Berührung, droht eine chemische Reaktion, die die Leistungsfähigkeit der Batterie beeinträchtigen kann. „Hier muss man entsprechend mit bestimmten Beschichtungen arbeiten, um das zu verhindern“, erklärt Thomas Schmaltz. Darüber hinaus sind Sulfide per se zwar feuerfester als flüssige Elektrolyte. Aber kommen sie mit Wasser in Kontakt, wird giftiger und brennbarer Schwefelwasserstoff freigesetzt. Die Batteriezellen müssen daher besonders gut und sicher verpackt werden.
© Krisztian Bocsi Bloomberg, Getty Images
Lithium-Ionen-Akkus sind derzeitiger Standard in Elektrofahrzeugen. Hier verbindet ein Volkswagen-Mitarbeiter eine entsprechende Batterie mit einem E-Motor.
Manche Hersteller wie QuantumScape wenden sich daher von den Sulfiden ab oder kombinieren sie mit anderen Materialien. Für alle Feststoffkandidaten gilt: Während die Produktionsmethoden für Lithium-Ionen-Akkus seit Jahrzehnten etabliert sind und sukzessive optimiert werden, müssen sie für die festen Varianten erst entwickelt werden. Produktionsstraßen und Maschinen wollen konzipiert und Fabriken gebaut werden.
Evolution statt Revolution
Wenn Feststoffbatterien dann gegen Ende des Jahrzehnts auf den Markt kommen, werden sie die heutigen Akkus daher nicht unmittelbar ablösen, sondern diese vielmehr ergänzen. „Wegen ihrer anfangs höheren Preise dürften sie zunächst vor allem bei Sportwagen oder anderen Premiumfahrzeugen zum Einsatz kommen“, meint Schmaltz.
Mit höheren Stückzahlen werden die Kosten bald sinken, aber selbst dann müssen sie weiterhin mit der heutigen Batterietechnologie konkurrieren. Denn deren Entwicklungspotenzial in Sachen Reichweite und Ladegeschwindigkeit ist ebenfalls noch lange nicht ausgeschöpft, wenn sich die Leistungssprünge auch zunehmend verkleinern werden. Thomas Schmaltz und seine Kolleginnen und Kollegen prognostizieren, dass Feststoffbatterien 2035 gerade einmal zwei Prozent des Batteriemarktes ausmachen werden. „Feststoffbatterien sind der nächste logische Schritt in der Batterie-Evolution, aber nicht der alles verändernde Gamechanger“, zeigt sich Schmaltz überzeugt. Das liege unter anderem daran, dass die neuen Akkus nicht einfach in allen Belangen besser sein dürften als die heutigen. „In der Regel geht eine Verbesserung eines Leistungsparameters zulasten eines anderen“, sagt Schmaltz. Sprich: Erhöht man Energiedichte und Ladegeschwindigkeit, kann auf der anderen Seite die Lebensdauer sinken. Das eröffnet andererseits die Möglichkeit, Batterien gezielt auf bestimmte Anwendungszwecke hin zu entwickeln.
Batterien werden diverser
Feststoffakkus werden aber in jedem Fall für mehr Diversität im Batterieangebot sorgen, das steht für Thomas Schmaltz fest: Bei Bussen oder Pkw für den Stadtverkehr könnten es günstige und weiterentwickelte Polymer-Akkus sein, für die Langstrecke sulfidische Feststoffzellen. Möglicherweise werden sie in der Elektromobilität aber tatsächlich neue Sphären erschließen. Wo heutige Akkus bestenfalls für kleine Flugzeuge und kurze Distanzen reichen, könnten Feststoffbatterien dank ihrer hohen Energiedichte auch größere Flieger vollelektrisch abheben lassen.
Wachsende Akkuvielfalt
Das Akkuangebot wird schon heute immer breiter. So setzen immer mehr Autobauer auch auf günstigere Eisenphosphatbatterien. Die haben eine etwas geringere Energiedichte als klassische Akkus, sind dafür jedoch etwas langlebiger und kommen ohne kostspielige und kritische Materialien wie Kobalt aus. Noch erschwinglichere Natriumbatterien könnten bald hinzukommen, wie sie etwa der chinesische Batterie-Riese CATL angekündigt hat. „Die dürften aufgrund ihrer aktuell schlechteren Performance aber vor allem bei Kleinwagen oder E-Scootern zum Einsatz kommen“, sagt Thomas Schmaltz vom Fraunhofer ISI. Die Perspektive für die nähere und die ferne Zukunft: immer mehr Akkuvarianten für unterschiedliche Budgets und Einsatzwecke – manche davon im Kern flüssig, andere fest.
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