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Interview

Lebensvereinfacher im Prüflabor

14. November 2024

Was haben der Funkschlüssel eines Autos, ein Fotodrucker in der Drogerie und eine Waschmaschine gemeinsam? Sie könnten das Labor von TÜV NORD Hochfrequenztechnik in Köln-Dellbrück von innen kennen. Hier prüfen sie Ralf Trepper, Denis Raschka und ihr Team unter anderem auf Störfestigkeit, elektromagnetische Verträglichkeit oder Cybersecurity.

 

Im Labor für Hochfrequenztechnik prüfen Sie unter anderem Waschmaschinen. Warum?

Denis Raschka: Jedes Gerät, jedes Auto und jede Maschine kommuniziert heute mit der Umwelt über Funk. Verkürzt gesagt: Es muss sichergestellt werden, dass das Gerät andere Anwendungen selbst nicht stört und nicht durch andere Anwendungen gestört werden kann. Immer mehr Hersteller wollen in ihre Geräte eine Funkanwendung einbauen. Waschmaschinen gibt es schon mehr als hundert Jahre. Aber heute sollen die Geräte per Bluetooth mit einer App verbunden werden. So soll die Waschmaschine melden, dass der Waschvorgang beendet ist. Der Weg in den Keller soll nicht vergeblich sein. Das Ziel ist also Lebensvereinfachung.

 

Wo finden sich derartige Lebensvereinfacher noch?

Denis Raschka: Die gibt es quasi an vielen Straßenecken. Angefangen von funkgesteuerten Fotodruckern in Drogeriemärkten, die eine kabellose Fotoübertragung bis hin zum Direktdruck der Fotos ermöglichen. Bei uns zu Hause: Smart-Home-Anwendungen, Unterhaltungselektronik. Zu den Lebensvereinfachern gehören natürlich auch Funkschlüssel fürs Auto, der Garagentorantrieb oder der Abstandswarner im Auto. Ein ganz cooles System haben wir kürzlich getestet: Es handelte sich um einen Klassensatz Virtual-Reality-Brillen. Die Kinder kriegen die auf, und die Lehrkraft kann zum Beispiel einen virtuellen Ausflug durch das Römische Reich machen. Das war ein hochinteressantes Projekt.

Das sind alles sehr unterschiedliche Produkte. Unterliegen sie alle der gleichen Vorschrift?

Ralf Trepper: Früher gab es tatsächlich Typprüfungen für die einzelnen Produkte, der große Wechsel kam 1995. Damals waren wir eines der ersten Labore, die sich haben akkreditieren lassen. Dann kam der Wechsel, um den Marktzugang europäisch zu regeln. Wenn Sie hier eine CE-Konformität nachweisen, können Sie das Gerät europaweit in Verkehr bringen – nach den gleichen Regularien, nach gerätespezifischen Standards. Wir prüfen die Geräte vor Marktzugang. Die Radio Equipment Directive (RED) regelt unter anderem Anforderungen an die Frequenznutzung, an die Gerätsicherheit und an die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten. Es gibt also nicht die eine Vorschrift, es gibt mehrere. Jedoch haben sie Auswirkungen auf alle Produkte, die in welcher Form auch immer Funktechnik enthalten. Der Hersteller kann anhand der Prüfberichte die Konformitätserklärung erstellen und damit das Gerät mit einem CE-Zeichen kennzeichnen.

Zur Person:

Denis Raschka ist stellvertretender Laborleiter, studierte Elektrotechnik in Köln und kam als Werkstudent ins Labor. Als Verantwortlicher im Bereich der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) ist er die Schnittstelle zwischen den Funk- und Nichtfunkgeräten und stellt durch EMV-Prüfungen die Einhaltung internationaler Normen und Standards der zu prüfenden Geräte sicher.

Zurück zu den unterschiedlichen Anwendungen: Gibt es viele Laboratorien, die sich auf bestimmte Anwendungen spezialisiert haben?

Ralf Trepper: Tatsächlich gibt es einige Laboratorien, die HF-Prüfungen anbieten. Es gibt jedoch Spezialanwendungen, die nicht viele prüfen können. Beispiel Spurwechselassistenten: Die neueste Generation arbeitet im 76-Gigahertz-Bereich. Es gibt nicht viele Labore in Europa, die derart hohe Frequenzen messen können. Die Messtechnik ist sehr komplex und aufwendig geworden.

 

Das klingt nach Frequenzwechsel …

Ralf Trepper: Die ersten Radarsysteme, die für Spurwechselassistenten eingesetzt wurden, waren noch sehr ungenau. Die alten Systeme arbeiten im 24-Gigahertz-Bereich. Die Auflösung war wegen der Breite des Signals allerdings nicht besonders gut. Es wurden Hindernisse erkannt, jedoch nicht ihre Größe. Die Automobilindustrie war deshalb an einer größeren Genauigkeit und damit an einer größeren Bandbreite des Signals interessiert. Nun hatte die Internationale Fernmeldeunion (ITU), eine UN-Unterorganisation, ohnehin den Frequenzbereich für derartige Anwendungen verlegen wollen, und zwar auf 76 Gigahertz. Da waren noch Ressourcen frei, die genutzt werden durften. Der Vorteil der heutigen Radarsensoren ist, dass sie eine viel höhere Auflösung haben, auch aufgrund der besseren Technik und aufgrund der großen Bandbreite, die sie nutzen dürfen.

 

Wie reagieren Sie auf sich ändernde Anforderungen?

Denis Raschka: Wir investieren ständig in neue Prüfausstattung, die immer komplexer wird. Gerade haben wir eine neue Prüfkammer in Betrieb genommen, in die auch ein Smart hineinpassen würde; die Größe war für uns wichtig, weil wir nicht nur Komponenten als solche prüfen, sondern auch im verbauten Zustand. Und wir erweitern ständig unsere Kenntnisse und Akkreditierungen. Erst vor Kurzem haben wir unsere Akkreditierung im zellularen Bereich erweitert.

Also Mobilfunk, 5G zum Beispiel …

Denis Raschka: Genau, GSM, LTE, NB-IoT und 5G, das ist ein riesiger Markt. Nun können wir überprüfende Messungen an vorzertifizierten Modulen durchführen. Diese Module stecken meist in Geräten, die ferngewartet werden oder bei denen aufgezeichnete Daten in eine Cloud hochgeladen werden sollen.

Zur Person:

Ralf Trepper ist Funk-Experte im HF-Labor. Er kam als elektrotechnischer Assistent parallel zum Studium der Nachrichtentechnik Ende der 1980er-Jahre zum Labor, zunächst als Hilfskraft. Heute ist er Laborleiter der TÜV NORD Hochfrequenztechnik.

Ist es schwierig, sich auf immer neue Produkte, Prüfverfahren und Anforderungen einzustellen?

Denis Raschka: Ich habe es eigentlich am liebsten, wenn wir etwas auf den Tisch bekommen, das wir vorher noch nicht hatten, wenn es etwas Neues ist. Im vergangenen Jahr haben wir zum ersten Mal bestimmte Autoradios getestet. Das war eine echte Herausforderung. Aber es macht auch Spaß, weil man sich Gedanken machen muss, wie man die Prüfung gestalten kann.

Es gibt also nicht die eine Prüfung von der Stange. Kann man trotzdem sagen, wie lange derartige Prüfungen in Ihrem Labor dauern?

Ralf Trepper: Wenn wir über Short Range Devices sprechen, also einen einkanaligen Funk – zum Beispiel eine Garagentorsteuerung mit Sender und Empfänger –, dann sind das drei bis vier Tage reine Messzeit. Dann noch Rüstzeiten, das Schreiben des Testberichts. Da sind die Durchläufe schnell. Wir haben auch andere Themen, die sind wesentlich komplexer. Das wäre beispielsweise ein großes Gerät mit Zuleitungen, mit LAN-Port, mit seriellem Port, mit Funktechnik unterschiedlichster Art. Solche Geräte stehen bei uns schon mal ein paar Wochen.

Betrachtet man die wenigen Normengrundlagen, ist das lang. Was wird genau geprüft?

Denis Raschka: Im Bereich EMV messen wir die Geräteemissionen und prüfen die Störfestigkeit der Geräte gegenüber elektromagnetischen Störgrößen. Im Bereich Funk werden beispielsweise die Leistung, die Emissionen und die Bandbreite des Funksignals vermessen. Die dritte Säule bildet die elektrische Sicherheit der Geräte. Im kommenden Jahr kommt die Cybersecurity verpflichtend hinzu und muss bei Funkgeräten betrachtet werden.

Und wie geht es weiter?

Ralf Trepper: Nach vorn zu blicken ist sehr schwer. In der Rückschau wird das klar: Nehmen wir den Funkschlüssel vom Auto, ein Non-specific Short Range Device. Ende der 1980er-Jahre kamen die ersten davon auf den Markt. Damals gab es überwiegend analogen Funk, der Digitalfunk steckte noch in den Kinderschuhen. Wie schnell dort die Entwicklung vorangeschritten ist, hat mich am meisten fasziniert. Die erste Generation hatte einen festen Code im Schlüssel, der immer fix war. Als man dann feststellte, dass das nicht sicher ist, hat man den Rohling-Code eingeführt. Das war die erste Innovation: Er hat synchron zum Auto immer gewechselt. Danach gab es intelligente Systeme: Das sind im Prinzip die Keyless-Systeme, die mit dem Auto kommuniziert und Sicherheitspakete hin- und hergeschickt haben. Nur wenn diese erfüllt waren, wurde das Auto geöffnet. Da hat sich also unheimlich viel getan. Die Funktion ist gleich geblieben, jedoch haben sich die Sicherheitsaspekte stark geändert.

Welche maßgeblichen Fortschritte gab es noch?

Ralf Trepper: Gerade die Radartechnik hat eine wahnsinnig große Entwicklung durchlaufen. Anfangs sind die Radarsysteme sehr einfach gewesen, da hat sich auch dank der Rechnerleistung extrem viel getan. Vor allem aber im zellularen Bereich geht es schnell voran, beginnend bei GSM, was ja teilweise immer noch aktiv ist, über UMTS und 4G bis zum jetzigen 5G-Standard. Das sind sehr große Schritte, was die Datenübertragungsmengen angeht. Ich habe nicht kommen sehen, dass es sich so schnell und in dem Maße entwickeln würde. Wenn man sich das mal überlegt: Es ist gerade mal 17 Jahre her, dass die ersten Smartphones auf den Markt kamen. Gerade weil sich so viel tut, macht die Arbeit so viel Spaß. Das Interessante ist bei uns tatsächlich, dass wir Prototypen bekommen. Daran sieht man, wo es hingegangen ist, wie schon wieder der nächste Schritt erreicht wurde. Und das kriegt man sonst nicht mit. Selbst wenn wir anfangs nicht alles verstehen, denn für uns ist das alles auch erst mal eine Blackbox. Aber durch die Messungen, durch die Technik, durch die Gespräche mit den Kundinnen und Kunden erfahren wir auch sehr viel, und das macht unsere Arbeit sehr interessant.

Die große Prüfkammer im HF-Labor in Köln in der sich alle um Leistungsmessungen und Störfestigkeit, elektromagnetische Verträglichkeit, elektromagnetische Felder, Gerätesicherheit und Cybersecurity dreht.

Die große Prüfkammer von außen im HF-Labor in Köln.

Entdeckt, erklärt, erzählt: Der Podcast von #explore