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Klimawandel

CO2: Besser im Boden als in der Atmosphäre

06. Juni 2024

Bisher verboten, bald erlaubt: Die Bundesregierung will in Deutschland den Weg für die unterirdische Speicherung von CO2 auf hoher See frei machen. Das Bundeskabinett hat dazu Ende Mai eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen. Für die Bundesregierung sind die Speicherung von CO2 im Boden sowie die Bindung von Kohlendioxid in neuen Produkten wichtige Bausteine in der Schaffung einer klimaneutralen Wirtschaft. Weltweit treiben junge Unternehmen die Technologie voran und arbeiten an effizienteren Verfahren. Vier Beispiele.

 

Kohlendioxid in der Straße versenken

Das Schweizer Unternehmen Neustark tüftelt seit 2019 an der Abscheidung und Speicherung von CO2. Im Oktober 2023 hat das Spin-off der ETH Zürich seine erste Anlage in Deutschland und der EU in Betrieb genommen: 1.000 Tonnen CO2 können pro Jahr in Berlin-Marzahn in Abbruchbeton gespeichert werden. Dabei wird zunächst Kohlendioxid aus Biogasanlagen unter anderem in Dresden abgeschieden. Anschließend wird das verflüssigte CO2 in die Körner von zerkleinertem Abbruchbeton gespritzt. Es wandelt sich dadurch in Kalkstein um und wird dauerhaft an den Beton gebunden. Mit diesem können dann Straßen gebaut oder Recyclingbeton hergestellt werden. Zehn Kilo CO2 kann die Technologie von Neustark in einer Tonne Abbruchbeton speichern. Eine Anlage könne so in einer Stunde leisten, wofür 50 Bäume ein Jahr brauchen, so das Start-up.

Zwölf Anlagen haben die Schweizer bereits im Betrieb, 15 weitere sind in der Eidgenossenschaft, in Österreich und Frankreich geplant. Aber auch die gewaltigen Mengen an Abbruchbeton, die jedes Jahr weltweit anfallen, sind natürlich nicht unbegrenzt. Daher will Neustark CO2 auch dauerhaft im Erdboden speichern. Das Kohlendioxid aus Biogasanlagen in der Schweiz soll in flüssiger Form via Bahn, Schiff und Lkw nach Norwegen oder Island gebracht werden.

 

CO2-Staubsauger auf der Vulkaninsel

Dass sich Neustark dazu Island ausgesucht hat, ist kein Zufall. Denn die Vulkaninsel gilt aufgrund ihrer geologischen Gegebenheiten als besonders gut geeignet, um große Mengen CO2 dauerhaft in der Erde zu speichern. Daher hat auch ein anderes Schweizer Jungunternehmen Island bereits für sich entdeckt. Climeworks ist ebenfalls eine Ausgründung der ETH Zürich, setzt aber auf ein anderes Verfahren: Bei diesem wird das Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre gefiltert.

Große Ventilatoren saugen Luft in das Innere der Anlage, wo das CO2 in einem Kollektor in speziellen Filtern aufgefangen wird. Ist das Filtermaterial gesättigt, wird der Kollektor geschlossen und auf 100 Grad Celsius erhitzt. Dabei wird das CO2 wieder freigesetzt, wird in Wasser aufgelöst und so bis zu 1.000 Meter tief in poröse Gesteinsschichten gepumpt. Dort reagiert es chemisch mit den Mineralien im Gestein – und beginnt zu versteinern. Rund zwei Jahre dauert dieser Prozess. Dann soll das CO2 für alle Zeiten in Stein gespeichert sein.

 

Hoher Energiebedarf

„Direct Air Carbon Capture and Storage“ (DACCS) nennt sich diese Methode, die auch diffuse CO2-Emissionen aus der Atmosphäre ziehen kann. Dabei handelt es sich um solche, die nicht an einem großen Schornstein produziert werden, etwa von Autos oder in der Landwirtschaft. Da die Konzentration des Klimagases in der Atmosphäre aber natürlich viel geringer ist als in einer Biogasanlage, einem Stahlwerk oder einer Zementfabrik, erfordert DACCS noch einmal deutlich mehr Energie als das Verfahren von Neustark. Forschende der Universität Freiburg kommen zu dem Ergebnis, dass pro Tonne abgeschiedenem CO2 aktuell 0,3 Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Je höher der Anteil Erneuerbarer bei der Energie für die Anlage, desto geringer der CO2-Ausstoß.

Climeworks versucht, den enormen Energiebedarf für seinen CO2-Staubsauger entsprechend über nachhaltige Energie aus der Erde zu decken: Die Anlage des Unternehmens wird aus einem benachbarten Geothermiekraftwerk mit Strom und Wärme versorgt. Aufgrund seines vulkanischen Ursprungs kann heißes Thermalwasser in Island besonders dicht unter der Erdoberfläche und damit zu vergleichsweise geringen Kosten angezapft werden.

 

 

Großprojekt in den USA

4.000 Tonnen CO2 soll die Anlage jedes Jahr speichern, 1.000 davon für den Autobauer Audi, der an dem Unternehmen beteiligt ist. Mittlerweile hat das Klima-Start-up auch einen zweiten CO2-Fänger auf Island in Betrieb genommen, der im Laufe des Jahres fertiggestellt werden soll. In seiner finalen Ausbaustufe wird er jährlich 36.000 Tonnen CO2 speichern können. Das macht den „Mammoth“ benannten CO2-Sauger zur größten DACCS-Anlage der Welt. In noch größerem Stil wird Climeworks in den USA Kohlendioxid aus der Luft fischen. Jeweils eine Million Tonnen CO2 sollen die Anlagen einfangen. Dies entspreche dem jährlichen Ausstoß von rund 445.000 benzinbetriebenen Autos, so das US-Energieministerium, das die beiden Projekte fördert.

Das klingt nicht wenig. Allerdings sind alleine in Deutschland rund 49 Millionen Pkw unterwegs, der größte Teil davon – zumindest noch – Benziner und Diesel. Die Menge der unvermeidlichen CO2-Emissionen, also etwa aus Industrieprozessen, die auch in Zukunft nicht durch fossilfreie Alternativen ersetzt werden können, wird hierzulande auf 34 bis 73 Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Dementsprechend bräuchte es in Deutschland bis zu 73 solcher riesigen CO2-Staubsauger, um diese gewaltigen Mengen aus der Atmosphäre zu ziehen.

Damit das gelingt, müssen sich die CO2-Fänger aber auch für die Betreiber rechnen. Aktuell ist insbesondere das DACCS-Verfahren noch weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt. Damit sich das ändert, müssten einerseits CO2-Zertifikate für Unternehmen deutlich teurer werden, andererseits müsste auch der Energiebedarf der Technologie sinken.

 

Alternative Filter

Das österreichische Unternehmen Krajete will das mit einem alternativen Filtermaterial erreichen. Gemeinsam mit Audi betreibt Krajete in Linz eine Anlage, die mit einem anorganischen Filtermaterial arbeitet. Dieses kann besonders viele CO2-Moleküle aufnehmen und ist außerdem unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit. Die eingesaugte Luft muss im Abscheidungsprozess im Regelfall daher nicht mehr erhitzt werden – und das spart Energie und Zeit. So soll sich schneller und auch günstiger CO2 aus der Luft filtern lassen. Die Kosten liegen laut dem Unternehmen bereits jetzt im unteren dreistelligen Eurobereich für eine Tonne CO2. Den Strom dazu liefert eine Solaranlage auf dem Betriebsgelände.

 

Biologische CO2-Fänger

Neben technologischen Verfahren gibt es natürlich auch biologische Wege, um Kohlendioxid zu binden: Wälder pflanzen oder trockengelegte Moore wiedervernässen. Das Start-up MacroCarbon um die Meeresbiologin Mar Fernández-Méndez vom Alfred-Wegener-Institut setzt dazu auf Algen: Die Braunalge Sargassum wächst besonders schnell und kann den Forschenden zufolge dabei deutlich mehr CO2 speichern als Bäume. Außerdem belegen die Meerespflanzen keine kostbaren Landflächen und brauchen kein Frischwasser für ihre Kultivierung.

Aus den Algen will das von der Bundesagentur für Sprunginnovationen geförderte Start-up Grundstoffe für die chemische Industrie gewinnen – zum Beispiel Bio-Naphtha, eine Art Rohbenzin, das bislang aus fossilen Rohstoffen gewonnene Produkte ersetzen könnte. Dazu arbeitet das Start-up mit dem Chemieriesen BASF zusammen.

Bis 2040 will MacroCarbon mit gewaltigen Algenfarmen auf offener See jährlich 100 Millionen Tonnen CO2-Emissionen binden, bis 2050 dann eine Gigatonne. Zunächst aber muss das Start-up beweisen, dass seine Anbaumethode tatsächlich funktioniert und sein Bio-Rohbenzin ausreichend Abnehmerinnen und Abnehmer findet. So könnte die kultivierte Braunalge einen wachsenden Beitrag zur Entlastung des Klimas leisten.

 

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