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RoboCup
RoboCup Junior

Roboter am Ball

18. Juli 2019

Tore schießen, auf der Bühne tanzen, Überlebende retten – darauf werden Roboter von Kindern und Jugendlichen für den RoboCup Junior trainiert. Die Europa­meister­schaft der Nach­wuchs­robotiker fand in diesem Jahr das erste Mal im Rahmen der IdeenExpo in Hannover statt. 500 Mädchen und Jungen aus 20 Ländern zwischen 10 und 19 Jahren bauten und programmierten in Hannover um den Titel. #explore hat sich bei den inter­nationalen Robo-Wettkämpfen an die Seiten­linie gestellt.

Wie aufgezogen steuert der kleine Roboter über das gras­grüne Feld auf den Ball zu, klemmt ihn zwischen seine Zangen, schiebt sich vorbei an seinen zwei elektronischen Gegen­spielern und drückt die Kugel über die Linie. Fabio, Patrik und Maximilian reißen am Spiel­feld­rand die Arme hoch: Tor für Team Trash aus Österreich! Als der Schieds­richter kurz darauf die Partie abpfeift, hat es nicht ganz gereicht. Eine knappe Kiste: Mit 4:3 hat das gegnerische Team aus Kroatien das Spiel gewonnen. Team Trash ist trotz­dem nicht völlig unzufrieden. Die Konkurrenz ist schließlich stark. Und die Richtung stimmt, findet Patrik Baranyi. „Wir konnten den Roboter im Vergleich zu den letzten Spielen deutlich verbessern“, sagt der Zwölf­jährige.

Über vier Monate haben sich die drei Schüler aus St. Pölten in Nieder­österreich vorbereitet, alle zwei Wochen gebaut und gecodet. Ende April ging es zur Österreich-Meister­schaft nach Innsbruck. Mit dem Titel­gewinn in ihrer Alters­klasse bis 14 Jahre sicherten sie sich auch die Qualifikation für die Robo-EM. Nun sind sie hier in Hannover, um sich mit den besten Teams aus 20 Ländern zu messen und den Ball dabei möglichst oft über die gegnerische Tor­linie zu schieben. Dieser sendet in der sogenannten Lightweight-League Infra­rot­signale aus, die der Roboter mit einem entsprechenden Sensor erkennt. „Und ein Kompass-Sensor sorgt dann dafür, dass der Roboter ins richtige Tor fährt“, erklärt der zwölf­jährige Fabio Berger. Den richtig einzustellen sei besonders knifflig, ergänzt sein Team­kollege Maximilian Schuh: „Die Motoren des Roboters erzeugen ein Magnet­feld, und das kann den Kompass-Sensor stören.“ Die Folge: Der Roboter verliert die Orientierung und weiß nicht mehr, wo es langgeht.

Spielerischer Einstieg in die IT

Damit im Team jeder weiß, was während des Wett­kampfes wann und wie zu tun ist, haben sie die Aufgaben verteilt: Fabio ist Team­chef und baut den Roboter, Maximilian kümmert sich um die Programmierung. „Und ich bin der Side­kick“, sagt Patrik und lacht. Sprich: Er unter­stützt die anderen bei allem, was gerade anfällt. Seit rund einem Jahr ist er beim Robo-Soccer dabei. Und er bringt einiges IT-Know-how mit. „Ich habe vorher schon in Java programmiert“, erzählt er. Fabio und Maximilian haben ihre Programmier­­erfahrung beim RoboCup gesammelt. Maximilian ist dabei der Dienst­­älteste im Team: Er baut bereits seit drei Jahren Roboter. Was ihm dabei am meisten Spaß macht? „Den Robotern beim Fuß­ball­spielen zuzugucken, das ist das Coolste!“ Denn auf dem Spiel­feld demonstrieren die autonomen Roboter, was man ihnen beigebracht hat. Ob man sie richtig gebaut und programmiert hat, das bleibt keine graue Theorie – es zeigt sich ganz konkret in der Praxis. So sollen Kinder und Jugendliche auf spielerische Weise an Technik und Programmierung herangeführt werden. Diesen Grund­gedanken hinter dem RoboCup Junior teilt auch TÜV NORD, der Premium-Sponsor der dies­­jährigen Veranstaltung.

Bei Schülerinnen und Schülern stößt das Angebot auf reges Interesse. „Die Robotik gibt es bei uns an der Schule bereits mehrere Jahre und hat sich seitdem wirklich sehr gut entwickelt“, sagt Lehrerin Barbara Gram, die das Team als Mentorin betreut. Über 30 Kinder melden sich jedes Jahr am Gymnasium in der Josef­straße für die Robotik an. 2017 wurde ein Team der Schule im japanischen Nagoya sogar Welt­meister im Robo-Soccer. Ein Erfolg, der offenbar Lust auf mehr machte. Die Schüler aus dem Welt­meister­team planen, später in die technische Richtung zu gehen, und programmieren auch privat sehr viel, berichtet Barbara Gram. „Schön, dass sie das so weiter­verfolgen“, findet die Lehrerin.

Die drei Jungs von Team Trash coden mittler­weile eben­falls jen­seits des RoboCups. „Wir programmieren gerade ein Computer­spiel in der Spiele-Engine ‚Unity‘“, verrät Patrik. Bis zur Fertig­stellung liegt noch einiges an Arbeit vor ihnen, doch das sind sie von den Robotern gewohnt. Denn die sind im Grunde niemals fix und fertig. „Oft stellt sich erst bei den Test­spielen heraus, was den Roboter noch schneller, stabiler und besser machen kann“, erklärt Fabio. „Deshalb verändert sich der Roboter eigentlich alle zehn Minuten.“

Sonnenschutz für den Roboter

Auch bei Jump Prime aus Essen wird derzeit getüftelt. „Ich habe gestern angefangen und erst einmal die Ball­suche und den Kompass-Sensor programmiert“, erzählt der 13-jährige Michael und zeigt auf den Bild­schirm seines Laptops. Über den Kompass-Sensor kann er festlegen, dass der Roboter automatisch und ausschließlich das gegnerische Tor ansteuert. „Außer man macht einen Fehler, dann kann er auch ein Eigen­tor schießen“, sagt Michael und lacht. Tatsächlich ist Team­chefin Anna vor allem für die Programmierung zuständig. Doch die baut gerade eine Art Sonnen­schutz für den Roboter. Das starke und senkrechte Licht in der Halle stört die Sensoren. „Und dann kann sich der Roboter schlechter orientieren“, erläutert die 15-Jährige. Auf den Geschmack gekommen ist sie über ihren Bruder, der schon länger Roboter programmierte. Inzwischen ist sie schon einige Jahre beim RoboCup dabei. „Wenn sich Fehler finden und beheben lassen und der Roboter dann besser wird, ist das einfach toll“, beschreibt sie ihre Faszination für das elektronische Hobby.

Fehler zu erkennen und zu beheben, das scheint Anna und ihren Team­kollegen zu liegen. Bei der World Robot Olympiad (WRO), einem anderen Roboter-Wettbewerb, haben sie es im letzten Jahr bis ins Welt­finale auf die Philippinen geschafft. „Und da haben wir den dritten Platz erreicht“, erzählt der elf­jährige David stolz. Ohnehin kommen die Nach­wuchs-Robotiker durch ihre Wett­kämpfe viel herum. Im Mai waren sie für die RoboCup German Open in Magdeburg. Im Anschluss an die EM in Hannover geht es nach Schwäbisch Gmünd zur Deutschland­meister­schaft der WRO.

Tanzen, retten, auf der Linie bleiben

Fußball ist dabei nicht die einzige Disziplin, in der die Roboter beim RoboCup Junior glänzen: Auf einer Bühne tanzen sie mit ihren menschlichen Coderinnen und Codern. Im Anschluss an die unter­haltsame Inter­aktion zwischen Mensch und Maschine bewertet eine Jury die Kreativität und Komplexität der einprogrammierten Choreo­grafien. Am anderen Ende der Halle retten Roboter gerade Menschen­leben – oder trainieren zumindest schon einmal für einen künftigen Ernst­fall. In der sogenannten Rescue-League müssen sie durch ein simuliertes Katastrophen­gebiet navigieren, um dort Über­lebende zu bergen: Soeben schiebt sich ein Roboter auf dem Parcours eine Rampe hinauf, hoppelt über drei Boden­schwellen, umkurvt vorsichtig eine große Plastik­dose und biegt zurück auf eine schwarze Linien­markierung, die der Unter­disziplin auch ihren Namen gibt. „Bei Rescue Line müssen die Roboter dieser schwarzen Linien­markierung folgen und dabei Hindernisse, Kreuzungen und Lücken in der Linie meistern“, erklärt Henrik Bremermann, der die Wettbewerbe als Freiwilliger unter­stützt. Die Roboter erkennen dabei über Licht­sensoren, wo die schwarze Linie verläuft. Das Ziel ist ein Raum am Ende des Parcours, in dem Kugeln auf­gesammelt und in eine schwarze Ecke bugsiert werden müssen. „Das sind unsere Über­lebenden, denn das Ganze soll ja eine Rettungs­situation darstellen“, ergänzt Bremermann. Wie die Roboter das am besten bewerk­stelligen, das kann sich jedes Team selbst über­legen. Entsprechend sieht man beim Wettbewerb die unter­schiedlichsten Vor­richtungen und Techniken, um die „Opfer“ in die Evakuierungs­zone zu bringen.

Autonom durchs Labyrinth

Königsdisziplin für die Rettungs­roboter ist das sogenannte Maze, also ein Labyrinth, erklärt Henrik Bremermann und zeigt auf einen anderen Parcours an der Seite der Wettkampf­arena. Der wirkt auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär, hat es aber in sich. Die Roboter müssen sich hier ihren Weg durch das Labyrinth suchen, können jedoch nicht einer Linie folgen, sondern müssen sich selbst­ständig im Raum orientieren. „Das ist natürlich noch einmal deutlich komplexer“, sagt Henrik. „Manche Leute lassen die Roboter dabei richtige Karten erstellen. So können sie errechnen, welche Stellen im Labyrinth sie noch nicht abgefahren sind und noch absuchen müssen.“ Eine weitere Heraus­forderung: Die „Opfer“ sind hier Heiz­elemente, die folglich quasi über ihre Körper­wärme erkannt werden müssen. Haben die Roboter sie über Wärme­sensoren oder Kameras auf­gespürt, müssen sie ein Signal abgeben und einen Rettungs­pack abwerfen. Henrik Bremermann hat selbst schon solche Rettungs­roboter gebaut. 2015 und 2016 ist er mit einem Team bei Rescue Line gestartet, im letzten Jahr dann bei Maze. Er und sein Team­kollege Gero Ahting hatten sich dabei eine besonders knifflige Aufgabe gestellt: Statt aus Lego, Fischer­technik oder sonstigen vor­gefertigten Elementen haben die Schüler aus Rastede bei Oldenburg ihren Roboter komplett im Eigen­bau konstruiert. Eine Menge Arbeit, die am Ende mit dem deutschen Meister­titel belohnt wurde. Aus Zeit­gründen hat Henrik Bremermann seine aktive Robobauer-Karriere dann erst einmal an den Nagel gehängt. Doch er wollte der Sache weiterhin treu bleiben. Deshalb ist er jetzt als Freiwilliger beim RoboCup dabei. „Ganz ohne geht es einfach nicht“, sagt Henrik und lacht.