19. Februar 2018
Das Bedrohungspotenzial durch Cybercrime nimmt rasant zu: Allein im Bundesland Sachsen registriert die Polizei jährlich mehrere Tausend Straftaten mit dem Tatmittel Internet – Tendenz steigend. Um der Lage Herr zu werden, rekrutiert die sächsische Polizei erfahrene Informatiker und bildet sie innerhalb weniger Monate im Schnellverfahren zu Polizisten aus. #explore hat die Cybercops im Landeskriminalamt Sachsen in Dresden besucht.
Eigentlich hätte Eric Fischer in einem Start-up Karriere machen können. Eine Spitzenposition in einem großen Unternehmen wäre ebenso drin gewesen. In jedem Fall stünden ihm viele Türen offen. Eigentlich. Stattdessen hat er sich für eine Beamtenlaufbahn entschieden – und damit für weniger Einfluss auf Arbeitsort und Aufgabengebiet. Und weniger Gehalt. Sein Verdienst ist zwar sehr gut, aber eben nicht so schwindelerregend hoch wie die Beträge, die in der Privatwirtschaft manchmal gezahlt werden, um Fachleute wie ihn zu halten oder anzuwerben. Eric Fischer ist Kriminalkommissar mit dem Schwerpunkt Computer- und Internetkriminalität, wie sein Dienstgrad in der Amtssprache der Polizei korrekt heißt. Er arbeitet am Landeskriminalamt Sachsen im „Cybercrime Competence Center“, kurz SN4C.
IT-Experten dringend gesucht
Cybercops, wie Fischer und seine Kollegen deshalb häufig auch genannt werden, sind deutschlandweit gefragt, denn die Bedrohung durch Cyberkriminalität wächst schnell. Im Jahr 2016 etwa registrierte die Polizei in Sachsen 10.269 Straftaten „mit dem Tatmittel Internet“, vier Jahre zuvor waren es noch knapp 3.000 Fälle weniger. Die Polizei ist auf IT-Experten angewiesen, die sie im Kampf gegen Hacker, Datenklau und Cyber-Erpresser unterstützen. Weil die Profis nicht leicht zu haben sind, ging die sächsische Polizei 2016 in die Offensive und wirbt seitdem mit dem Slogan „Endlich Zugang zum Polizeirechner – und damit Gutes tun!“ um gut ausgebildeten Nachwuchs.
© Thomas EisenhutNichts für Grobmotoriker: Die Experten im Handylabor leisten Millimeterarbeit.
Normalerweise dauert das Studium für den sogenannten gehobenen Polizeivollzugsdienst insgesamt 36 Monate. Die neuen Kommissare müssen hingegen bereits ein abgeschlossenes Informatikstudium mitbringen und durchlaufen die Ausbildung zum Polizisten dann in einem zwölfmonatigen Schnellverfahren. Anschließend steigen sie direkt als Kriminalkommissar entweder in den Cybercrime-Kommissariaten der Polizeidirektionen ein oder starten wie Eric Fischer beim SN4C am sächsischen Landeskriminalamt. Das Netto-Einstiegsgehalt liegt bei rund 2.300 Euro.
© Thomas EisenhutNeu vs. alt: Die Cybercops arbeiten mit der aktuellsten Technik, doch so manches Zubehör verstauen sie in Holzkästchen, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben.
Berufswunsch: Polizist?
Natürlich stellt eine gewisse Affinität zum Polizeidienst eine wichtige Grundvoraussetzung dar. Eric Fischer, der nach seinem Informatik-Diplom als IT-Security-Consultant gearbeitet hat, wollte eigentlich schon als Kind Polizist werden. Der Werbeoffensive der Polizei konnte er sich schließlich irgendwann nicht mehr entziehen: „Ich hörte ständig die Werbung im Radio und sah überall die Plakate. Selbst meine Freunde haben mich darauf angesprochen: ‚Mensch, wäre das nicht was für dich?‘“ Ja, seine Freunde hatten recht: Eric Fischer wollte definitiv Cybercop werden. Im Herbst 2016 startete er bei der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg, nur wenige Hundert Meter von der polnischen Grenze entfernt. Sechs Monate lang erlernte er hier die Grundlagen der Polizeiarbeit. Schieß- und Einsatztraining standen dabei ebenso auf seinem Stundenplan wie etwa öffentliches Recht, Strafrecht oder Kriminal- und Vernehmungstechniken. Auf das halbe Jahr fachtheoretischer Ausbildung folgten dann sechs Monate Praktikum: Streife fahren, Anzeigen aufnehmen, Polizeialltag. Seit Herbst 2017 ist Eric Fischer endlich angekommen und nun gemeinsam mit einem Kollegen für die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime, kurz ZAC, zuständig. Diese Abteilung unterstützt Unternehmen, Verbände und Behörden, die Opfer von Cyberattacken geworden sind und sich damit an die Polizei wenden. Die ZAC nimmt diese Sicherheitsvorfälle auf und entscheidet dann, welche polizeilichen Maßnahmen notwendig sind: Genügt eine Anzeige, oder müssen schnell mehrere Polizisten ausrücken, um vor Ort die Daten und mögliche Spuren zu sichern?
Als Cybercop Gutes tun
Dabei bildet die ZAC nur einen Teil des SN4C: Den größten Teil machen die Ermittler, die Forensiker und die Kollegen aus der Telekommunikationsüberwachung aus. Angefangen hat das Cybercrime Competence Center 2014 mit rund 60 Mitarbeitern. Heute arbeiten hier bereits knapp 80 Menschen, die entweder erfahrene Kriminalisten sind oder Informatiker wie Eric Fischer, der zur zweiten Ausbildungsgeneration der Cybercops gehört. Ein Cybercop der ersten Stunde ist dagegen seine Kollegin Lisa Schwertz*. Während die Unternehmen in der Region das Gesicht von Eric Fischer kennen sollen, um auf vertrauter Basis zusammenarbeiten zu können, will und muss Lisa Schwertz unerkannt bleiben. Sie ist IT-Ermittlerin und fahndet im Netz nach Cyberkriminellen. Im Herbst 2016 zählte sie zu den ersten zehn Absolventen der Ausbildung mit dem Schwerpunkt Computer- und Internetkriminalität. Von ihnen starteten sieben beim LKA in Dresden, lediglich drei Beamte fingen in den Polizeidirektionen Leipzig, Chemnitz und Görlitz an.
© Thomas EisenhutHier entlang zum Dezernat 31: Nur kleine Türschilder verraten den Besuchern, wo sie gerade sind. Auffällige Schilder, die den Weg zum Cybercrime Competence Center (SN4C) weisen, sucht man vergebens.© Thomas EisenhutEs ist nicht alles verloren: Im Handylabor können die Forensiker des SN4C auch aus einem völlig zerstörten Mobiltelefon noch Daten retten.© Thomas EisenhutDie Spezialisten haben mehrere Möglichkeiten, um den Chip mit wertvollen Informationen aus den Handyresten zu bergen. Eine davon ist ein thermisches Verfahren: Dabei wird der Chip behutsam aus der Platine entfernt.© Thomas EisenhutDie Forensiker zerlegen auch ganze PCs oder Laptops in ihre Einzelteile, um die auf der Festplatte gespeicherten Daten für die Ermittlungsarbeit sichern zu können.
Lisa Schwertz‘ Geschichte weist starke Parallelen zu der von Eric Fischer auf: Sie studierte Medieninformatik und war danach einige Jahre als Entwicklerin im SEO-Bereich tätig, obwohl sie schon als Kind davon träumte, Polizistin zu werden. Heute verbindet sie beides – die Polizeiarbeit und die SEO-Expertise – miteinander. Sie entwickelt Algorithmen und Skripte zur Onlinerecherche, die für die Arbeit der Cybercops besser geeignet sind als beispielsweise Google. Mithilfe des selbst programmierten Algorithmus will Lisa Schwertz Cyberkriminellen auf die Schliche kommen – und damit dem Slogan der Cybercops gemäß Gutes tun. Derselbe Gedanke treibt auch Eric Fischer an, der deshalb die IT-Ermittler bei ihrer Arbeit unterstützt: „Der Ehrgeiz, etwas bewirken zu wollen, muss größer sein als der Ehrgeiz, viel verdienen zu wollen.“
*Name von der Redaktion geändert.
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Cybercops gesucht
Die sächsische Polizei stellt jedes Jahr IT-Experten ein, die nach einem zwölfmonatigen Studium als Kommissar/in mit dem Schwerpunkt Computer- und Internetkriminalität die Polizeilaufbahn einschlagen. Die Quereinsteiger müssen unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- mindestens einen Bachelorabschluss in Informatik, Wirtschaftsinformatik oder Informations- und Kommunikationstechnik
- keine Vorstrafen
- Mindestgröße 1,60 Meter
- mindestens 20, aber noch keine 35 Jahre alt
Weitere Informationen über die Ausbildung zum Cybercop gibt es hier > https://cybercrime.verdaechtig-gute-jobs.de
Auch in anderen Bundesländern werden dringend studierte Informatiker gesucht, die bei der Polizei durchstarten wollen – zum Beispiel in Bayern. Mehr erfahren > https://www.mit-sicherheit-anders.de/IT/einsatz/it-kriminalist
ZUR PERSON
© Thomas Eisenhut
Eric Fischer hat sich gegen eine Karriere als IT-Security-Consultant in der freien Wirtschaft entschieden – und für eine Laufbahn bei der Polizei. Meldet ein Unternehmen einen Hackerangriff an die ZAC, muss Eric Fischer schnell abwägen: Genügt ein kleines Team, das die Anzeige vor Ort aufnimmt, oder muss die ganze Mannschaft ausrücken, um im Notfall noch die letzten Daten vor dem Verlust zu retten?
ZUR PERSON
© LKA Sachsen
Für Henrik Hohenlohe, Chef von Eric Fischer und Leiter des SN4C, zählen vor allem zwei Faktoren, die die begehrten IT-Experten anlocken sollen: Coolness und Sicherheit. „Das, was wir als Polizei bieten können, ist ein wirklich interessanter und cooler Job. Darüber hinaus bieten wir einen Beamtenstatus, der eine gewisse Sicherheit gewährleistet und die Kollegen dann letzten Endes zu uns holt.“