09. April 2020
Kaum ein anderes Verkehrswesen blickt auf eine so lange Geschichte zurück wie die Schifffahrt. Das gilt ebenso für diverse Methoden an Bord: Wie seit Jahrhunderten werden Logbücher auch heute noch handschriftlich auf Papier geführt – je nach Schiff in bis zu zehnfacher Ausführung. Otto Klemke und seine Mitstreiter von NautilusLog wollen das ändern und Prozesse an Bord und im Hafen mit digitalen Mitteln verbessern.
Name:
Otto Klemke
Alter:
36
Beruf:
Medieninformatiker und Gründer von NautilusLog
Website:
www.nautiluslog.com
Was ist NautilusLog?
Mit NautilusLog digitalisieren wir die Schifffahrt. Unser Ziel ist es, digitale Dienstleistungen zu ermöglichen – und zwar vom Schiff bis zum Hafen und darüber hinaus. Um das zu erreichen, ersetzen wir die heute noch gesetzlich vorgeschriebene Papierarbeit mit einem digitalen Logbuch. Wir tauschen jedoch nicht nur einfach Papier aus, sondern helfen außerdem dabei, die dahinterstehende Arbeit loszuwerden. Auf diesem Wege können Schiffe, ihre Besatzung, aber auch ihr Management und externe Partner an Land schnell und einfach in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden. Wir kümmern uns um die Technologie und setzen uns für neue Regulationen und Standards ein, damit gemeinsam Kostenersparnisse für alle entstehen.
„Unser Ziel ist es, digitale Dienstleistungen zu ermöglichen – und zwar vom Schiff bis zum Hafen und darüber hinaus.“
Wie ist die Idee entstanden?
In meinem Berufsleben habe ich immer versucht, Projekte in unterschiedlichen Branchen zu erleben. Diese können – gerade bei der Digitalisierung – viel voneinander lernen. Als ich 2016 von meinem Bruder einen Einblick in die Schifffahrt erhalten habe, war ich überrascht, wo diese Branche steht. Es fehlte an digitalen Anwendungen, Standards und Schnittstellen. Wir haben daher beschlossen, unsere Kompetenzen zusammenzulegen und eine Anwendung für die Schifffahrt zu entwickeln. Wir wollten jedoch nicht einfach an einer Lösung arbeiten, von der wir glauben, dass der Markt sie benötigt, sondern diese vielmehr gemeinsam nach und nach auf Basis der Bedürfnisse mit dem Markt entwickeln. Im Austausch mit diversen maritimen Akteuren haben wir tiefe Einblicke erhalten. Es begann eine spannende Zeit, als wir Containerschiffe inspizieren, mitfahren sowie die Besatzung und das Management befragen durften. Als wir schließlich fragten, ob wir Logbücher digitalisieren sollen, berichteten uns die Reeder, dass dies mehr als überfällig, aber aufgrund der Gesetzeslage nicht möglich sei. Gleichzeitig teilten uns die Behörden mit, dass hier Nachholbedarf bestehe, es allerdings noch keine entsprechenden Rahmenbedingungen für die Beteiligten gebe. Mit unserer Idee standen wir nun zwischen Markt und Regulation. Daher wurden wir vom DIN (Deutsches Institut für Normung, Anm. d. Red.) eingeladen, unser Know-how zu teilen und eine neue Regulation für smarte Logbücher zu entwickeln. Unsere Reise begann…
Die Schifffahrt braucht NautilusLog, weil …
… Papier und Regulationen zeigen, dass der Markt noch nicht digital ist. Unser Ziel war es, frische Perspektiven und neue Optionen einzubringen und nicht einfach nur ein Blatt Papier eins zu eins auf einen Bildschirm zu bringen. Herausforderungen begegnen wir mit innovativen Ideen, die wir gemeinsam mit dem Markt erproben sowie neutral und partnerschaftlich umsetzen. Wir sind davon überzeugt, dass sich Lösungen, von denen beide Parteien profitieren, langfristig am besten durchsetzen.
Was macht die App anders als ein analoges Logbuch?
Bücher enthalten wertvolle Informationen – dieses Potenzial ist leider auf Papier nicht immer dort nutzbar, wo die Informationen zu weiteren Mehrwerten kombiniert und verarbeitet werden können. So nutzen wir smarte Technologien, um Daten digital anstatt mit einem Stift zu erfassen. Erfasste Informationen können dabei im Hintergrund geprüft sowie Fehler und Handlungsbedarf automatisch erkannt werden. Wir erinnern an Aufgaben und begleiten diese Schritt für Schritt. Wir können verschiedene Akteure digital verbinden und zusammenarbeiten lassen, ohne dass Informationen doppelt erfasst werden oder Medienbrüche erleiden.
Welche weiteren Funktionen sind für die Zukunft geplant?
Wir sind dabei, neue Standards zu schaffen. Neben unserer regulatorischen Arbeit mit dem DIN sind wir in unterschiedlichen Forschungsprojekten mit verschiedenen maritimen Partnern dabei, Lücken in der Branche zu schließen, und wir helfen mit, die Schifffahrt auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.
Wie wird die App von Reedereien angenommen?
Ich glaube, wir haben gut Fahrt aufgenommen. Neben über 1.500 unter Vertrag gebrachten Umweltreports erhalten wir sehr gutes Feedback und Interesse vom Markt. Wir wurden national und international ausgezeichnet und freuen uns darüber, auf Konferenzen und Delegationsreisen Gehör zu finden und weiterhin mit Reedern im Dialog für spannende Themen zu stehen.
„Die größte Herausforderung war und ist es, die traditionelle und die digitale Welt zu vereinen.“
Die größte Herausforderung …
… war und ist es, die traditionelle und die digitale Welt zu vereinen. Hierzu gehörte es neben der regulatorischen Grundlage vor allem, das Vertrauen des Markts zu gewinnen. Wir trafen auf Unternehmen und Entscheider, die noch keine Erfahrung mit einem Start-up hatten. Digitale Lösungen bieten Mehrwerte gegenüber Insellösungen, können jedoch auch Schäden anrichten, wenn Daten und Expertise geteilt werden. Da in diesem Umfeld Fehlentscheidungen hohe Kosten verursachen können, war es nötig, verschiedene Stakeholder an einen Tisch zu bringen. Dies war in dieser kompetitiven Branche eine ziemliche Herausforderung.
Welches digitale Produkt muss erst noch erfunden werden?
Ich habe das Glück, dass sich in meinem Job kein Tag wiederholt. Dies bringt jedoch auch Probleme mit sich. So ist es schwierig, regelmäßige und lebensnotwendige Events wie ein vernünftiges Mittagessen zu planen. Ich frage mich, ob Essen digitalisierbar ist…
Auf welches könnten Sie verzichten?
… vielleicht verzichte ich doch lieber auf Essen, das einen digitalen Hintergrund hat, und freue mich über jeden digitalen Helfer, der meinen Kalender sinnvoll aufräumt.
Hätten Sie gerne einen Haushaltsroboter?
Ich koche noch gern selbst, gerade am Abend als Ausklang … wobei das Aufräumen schon gern von einem freundlichen Helfer übernommen werden darf.
Welche technische Anwendung wird Ihnen immer ein Rätsel bleiben?
Der Fluxkompensator aus „Zurück in die Zukunft“. Der wäre für mich aber in jedem Fall die Erfüllung eines technologischen Wunschtraums: Richtig an mich angeschlossen, könnte ich damit durch die Zeit reisen und gleichzeitig zum Friseur gehen, in den Urlaub fahren und produktiv arbeiten. Wäre da nur nicht das Problem mit dem Paradoxon.
Wann waren Sie das letzte Mal 24 Stunden offline?
Im Juni 2007 – in der Woche, bevor ich ein iPhone erhalten habe.
Urlaub ohne WLAN: Traum oder Albtraum?
Ein Traum, an dem ich gerade arbeite.
Im #explore-Format „Steckbrief“ kommen regelmäßig spannende und inspirierende Menschen aus der digitalen Szene zu Wort: Forscher*innen, Blogger*innen, Start-up-Gründer*innen, Unternehmer*innen, Hacker*innen, Visionäre und Visionärinnen.