16. Oktober 2017
Virtual Reality begeistert Michael Grotenhoff: Der Regisseur und Produzent zaubert aus seinen Filmen interaktive Erlebnisse. Er ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung unsere Welt so grundlegend verändert wie einst die Erfindung des Buchdrucks.
Name:
Michael Grotenhoff
Alter:
47
Beruf:
Produzent, Regisseur, Head of Creative Development bei Filmtank, Abteilung Berlin, Gesellschafter von Filmtank und Apollofilm, Creative Adviser der Interactive Media Foundation (IMF)
Website:
www.filmtank.de
www.interactivemedia-foundation.com
www.apollofilm.com
An welchem Projekt arbeiten Sie aktuell?
Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht aktuell „Deltas“ – eine fünfteilige TV-Dokuserie und interaktive Virtual-Reality-Expedition zu den atemberaubendsten Flussdeltas dieser Welt. Die VR-Erfahrung führt den Zuschauer mitten in das einzigartige Ökosystem der Amazonas-Regenwälder und lässt ihn zum Teil der exotischen Tierwelt werden. Eine weitere große Aufgabe ist „Bauhaus Spirit“ – ein internationales Crossmedia-Projekt zum 100-jährigen Jubiläum der legendären Bauhaus-Schule im Jahr 2019. Dafür arbeiten wir gerade unter Hochdruck an einer VR-Installation, die die damals schon visionären Mensch-Maschine-Tanzexperimente des Bauhäuslers Oskar Schlemmer in das digitale Zeitalter überführt.
Das Thema „digitaler Wandel“ zieht sich wie ein roter Faden durch Ihre Filmografie – warum?
Ich habe mich schon früh mit der Frage auseinandergesetzt: Wie verändert die Digitalisierung unser aller Leben? Dieser Wandel ist mindestens so fundamental wie seinerzeit die Erfindung des Buchdrucks. Außerdem interessiert mich die Vernetzung der Welt durch moderne Informationstechnologien – auf der gesellschaftlichen, sozialen und politischen Ebene: Welche Chancen, aber auch welche Risiken kommen damit einher? Krieg im Cyberspace beunruhigt mich gleichermaßen wie mich die tiefgreifenden Veränderungen und Chancen der Digitalisierung auf Bildung und Ausbildung faszinieren.
„Der digitale Wandel ist mindestens so fundamental wie seinerzeit die Erfindung des Buchdrucks.“
Welche neue Technologie begeistert Sie derzeit?
Ich bin momentan sehr mit Virtual Reality beschäftigt – die Technologie ermöglicht ganz neue Formen des Storytellings, die aber erst noch entwickelt werden müssen. Mich begeistert, dass ich mitten in die Geschichte gebeamt werde und an Orte reisen, in Rollen schlüpfen, andere Perspektiven einnehmen und Dinge erleben kann, die ich sonst nie so erleben könnte.
Und welche Technologie muss noch erst erfunden werden?
Das Holodeck aus Star Trek ist sehr reizvoll. Es wird Zeit, dass das endlich mal jemand umsetzt. Und dann ist da noch die Zeitreise. Das wäre schon ein Traum – vielleicht auch ein Alptraum –, wenn man durch Zeit und Raum reisen könnte …
Wie vernetzt ist Ihr Zuhause?
Ich bin durch meine journalistische Auseinandersetzung mit dem Thema eher vorsichtig, was eine Total-Vernetzung meines Heims angeht. Das heißt aber nicht, dass ich technik-feindlich unterwegs bin. Im Gegenteil. Viele Dinge erleichtern den Alltag. Drahtloses Musik-Streaming auf die heimischen Boxen finde ich zum Beispiel praktisch – obwohl ich weiß, dass ich nur ein Rädchen in der großen Algorithmus-Maschine bin, die meine Nutzergewohnheiten aufzeichnet. Aber: Ich versuche vorsichtig dabei zu sein, wie Geräte nach außen kommunizieren. Ich achte darauf, dass die Heimvernetzung verschlüsselt ist.
„Ich bin da einfach nicht besonders konsequent, um einfach mal einen „digitalen Detox“ hinzubekommen.“
Haben Sie persönlich Angst vor einem Cyberangriff?
Als die weltweiten Ransomware-Angriffe vor ein paar Monaten viele Heimrechner verschlüsselt haben, habe ich noch mal ganz kritisch auf Links geguckt, bevor ich sie angeklickt habe. Es kann schnell passieren, dass ich mir einen Virus auf den Rechner hole, der meinen Rechner fernsteuert und mich beispielsweise Teil eines Botnets werden lässt, dass dann im großen Stile irgendwelche IT-Infrastrukturen angreift.
Unsere TV-Dokumentation „netwars“ zeigt, wie anfällig unser Land im Zeitalter der digitalen Vollvernetzung ist. Hacker können zum Beispiel über Smart Home-Vernetzungen bis in unsere Energie-Systeme eindringen und fatale Kettenreaktionen auslösen. Der „Blackout“, der Zusammenbruch der Energieversorgung nicht nur Deutschlands, sondern ganz Europas ist keine Science-Fiction Phantasie, sondern praktisch möglich.
Wir haben festgestellt: Ausgerechnet das ökologisches Vorzeigeprojekt macht das möglich: Die Digitalisierung der Energiewende. Unsere Recherchen zeigen, wie anfällig jene technischen Systeme sind, die unsere energetische Zukunft sein sollen. Smart Meter, Router, Windkraft- und Solaranlagen – alles könnte zur gefährlichen Waffe werden, wenn böswillige Hacker in die vernetzten Systeme eindringen.
Auf welche Apps können Sie nicht verzichten?
Ich bin da eher konservativ unterwegs und nutze meist News-Apps wie Spiegel Online, n-tv, BBC News und NY Times. Facebook und auch WhatsApp brauche ich eigentlich nur für die berufliche Kommunikation. Wenn ich sensible Geschichten kommuniziere, verwende ich lieber Threema.
Verstehen Sie Snapchat?
Ich beschäftige mich damit „professionell“, weiß, wie Snapchat funktioniert und was man damit machen kann. Aber ich merke, ich habe auch keine Lust mehr, jeder digitalen Entwicklung hinterher zu hecheln – die Halbwert-Zeit ist oft kurz.
Wann waren Sie das letzte Mal 24 Stunden offline?
Gerade im Amazonas-Regenwald, auf Drehreise für die TV-Dokureihe und für Virtual Reality Aufnahmen – tief im Dschungel. Das war großartig und tat überhaupt nicht weh, tagelang fernab jeder Sendeantenne zu sein.
Ein Urlaub ohne WLAN – Traum oder Alptraum?
Ein Traum, den ich mir zu selten erfülle. Ich bin da einfach nicht besonders konsequent, um einfach mal einen „digitalen Detox“ hinzubekommen, obwohl ich mich auch sehr gut ohne Digitalkram beschäftigen kann.
Die Serie „Steckbrief“ ist ein neues Format von #explore: Hier wollen wir regelmäßig, spannende und inspirierende Menschen aus der digitalen Szene zu Wort kommen lassen – von Forscher*innen, Blogger*innen, Startup-Gründer*innen, Unternehmer*innen, Hacker*innen, Visionäre*innen.