21. Juni 2017
Trendforscher Matthias Horx ist überzeugt, dass das Internet unseren künftigen Alltag weit weniger drastisch verändert, als es in den vergangenen Jahren der Fall war.
Name:
Matthias Horx
Alter:
62
Beruf:
Trend- und Zukunftsforscher, Gründer und Mitinhaber des Zukunftsinstituts
Website:
www.horx.com, www.zukunftsinstitut.de
Was macht das Zukunftsinstitut?
Wir beobachten Gesellschaft und Wirtschaft, wir versuchen, wir beschreiben Wandlungs-Systeme in unseren Studien und wir begleiten mit unseren Erkenntnissen Unternehmen in Transformations-Prozessen.
Wie verändert das Internet unseren Alltag in den nächsten Jahren?
Weniger als in den vergangenen Jahren. Die Konnektivität, die Verdichtung und Vernetzung von Allem, stößt auf vielen Ebenen auf Grenzen. Jetzt beginnt eine „digitale Revision”; in der wir die Spreu vom Weizen trennen müssen. Beispiel ist die Zivilisierung Facebooks, aber auch die digital-informelle Überreizung und Überforderung, die überall zu spüren ist. Jede Technologie durchläuft eine Pionierphase, bevor sie ins menschliche Maß eingepasst wird. Dabei kommt es zu vielen Fehlern und unerwünschten Nebenwirkungen, die dann korrigiert werden. Das Digitale wird jetzt langsam zivilisiert, und dabei erweist sich mancher Hype zum Flop. Man denke an Google Glass.
„Für vieles, was für Menschen existentiell ist, ist Maschinenintelligenz einfach ungeeignet.“
Was ist Ihre Prognose zum Thema Künstliche Intelligenz?
Ich halte das über große Strecken für einen Hype, eine Grusel-Story, die man sich immer gegenseitig erzählt, und die dann irgendwann so wenig widerlegbar wird wie religiöse Mythen. Natürlich können wir mit Expertensystemen manche Tätigkeiten auslagern, zum Beispiel das Autofahren oder das Erkennen von Standard-Tumoren, oder bei der schlaueren Verkehrsregelung in Städten. Aber wir verwechseln in der AI-Debatte Intelligenz, also logisches Operationsvermögen, mit Bewusstsein. Und für vieles, was für Menschen existentiell ist, ist Maschinenintelligenz einfach ungeeignet. Da brauchen wir Gefühl, Instinkt, Intuition, Seele, und das geht nur in kohlenstoffbasierten Körpern.
Hätten Sie gern einen Haushaltsroboter?
Nein, weil ich weiß, dass man bei der Steuerung und Wartung so viel Nerven verlieren würde, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Ich will auch keinen Kochroboter, weil ich das Kochen als eine soziale, langsame, ja meditative Tätigkeit genieße.
Auf welche technische Neuerung der letzten Jahre wollen Sie nicht verzichten?
Auf die schönen Macs, mit denen ich seit zwanzig Jahren arbeite, auf den Tesla, den ich fahre, der beweist, dass HighTech auch umweltfreundlich sein kann und dass Computer tatsächlich Autofahren lernen können. Was ich auch ganz toll finde, sind meine Lithium-Ionen-betriebenen Akkurasenmäher. Kein Lärm, kein Gestank, kein Kabel.
Und welche ist für Sie überflüssig?
Jede Menge Digitalschrott wie „Intelligente Kühlschränke”, Twitter seit Trump und weite Teile der Sozialen Medien, in denen das Dunkle herrscht, die Gewalt, oder die Gier, oder der Narzissmus.
Ein Urlaub ohne WLAN? Wenn man denken und arbeiten will, was ich im Urlaub gerne tue, dann ist ohne eher blöd.
Ein Urlaub ohne WLAN – Traum oder Alptraum?
Wenn man denken und arbeiten will, was ich im Urlaub gerne tue, dann ist ohne eher blöd. Sonst gerne einmal, dann atmet und fühlt man anders.
Was schätzen Sie – wie oft schauen Sie am Tag auf Ihr Smartphone-Display?
Selten. Allerdings schaue ich noch zu oft in die Mail. Ich erlerne noch das, was ich als Trendwort selbst erfunden habe: OMline-Sein. Betonung auf M.
In welchen sozialen Netzwerken sind Sie aktiv?
In meinen eigenen, dort, wo mir keine Daten geklaut werden. Im Ernst: Kein Facebook, das ist mir einfach zu nervig. Auch keine Business-Netzwerke, ich habe einen Job. Aber ein reichhaltiges Bekannten-Freundes-Netz im RealSpace. Da reichen oft Telefonnummern. Meine Erfahrung ist: Wenn man nicht spricht, sondern nur textet, verliert man den menschlichen Kontakt.
Wünschen Sie sich manchmal die Telefonzelle zurück?
Nein, war heiß und stickig und übelriechend und nicht so toll für die kommunikative Erotik.
Die Serie „Steckbrief“ ist ein neues Format von #explore: Hier wollen wir regelmäßig, spannende und inspirierende Menschen aus der digitalen Szene zu Wort kommen lassen – von Forscher*innen, Blogger*innen, Startup-Gründer*innen, Unternehmer*innen, Hacker*innen, Visionäre*innen.
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ZUR PERSON
© Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com), Foto: Klaus Vyhnalek
Trendforscher Matthias Horx hält das Thema Künstliche Intelligenz für einen Hype und möchte das Kochen lieber selbst in die Hand nehmen, als es einem Kochroboter zu überlassen.
Future love
Lieben wir in Zukunft nur noch Roboter? Schließlich haben die Menschen immer mehr Ansprüche an ihre Partner. Wohin entwickelt sich die Liebe in den kommenden Jahrzehnten unter den Bedingungen der globalen Vernetzung und der digitalen Technik? Das fragt sich Trendforscher Matthias Horx in seinem neuen Buche „Future Love – Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie.“ Das Werk gliedert sich in drei Teile: Erstens der Blick in die Vergangenheit und wie die Liebe als System entstanden ist; zweitens welche Liebeswirklichkeiten heute existieren und drittens wie sie die Liebe sich unter dem Evolutionsdruck verändern könnte.
Mit dem Blick in die Zukunft beschreibt Horx wie Familien und Beziehungen in den kommenden 15 bis 20 Jahren aussehen könnten. In verschiedenen Szenarien legt er die Formen zukünftiger Liebe dar und spricht zum Beispiel von „Multi-Amorie“ im Zusammenhang mit der eigenen Selbstverwirklichung und über „Lebensabschnittsverträgen“, bei denen es überwiegend um die innere Verpflichtung in einer Beziehung geht.
„Future Love“ veranschaulicht neue Denkweisen, erweitert den Blick auf eigene mögliche Liebeskonzepte und zeigt, dass sich künftig komplett neue Eventualitäten in der Liebe ergeben.
Future Love – Die Zukunft von Liebe, Sex und Familie; Matthias Horx; Deutsche Verlags-Anstalt; ISBN 978-3421047328; 19,99 EUR