22. November 2018
Fällt in Kriegsgebieten oder bei Umweltkatastrophen das Internet aus, verlieren Menschen die Möglichkeit, Rettungskräfte zu rufen oder Angehörige zu erreichen. Um dieses Problem zu lösen, hat Abdul Rahman AlAshraf FreeCom entwickelt. Eine App, mit der Nachrichten sicher und anonym von Smartphone zu Smartphone gesendet werden können – auch wenn die Internetverbindung zusammenbricht oder das Netz überwacht wird.
Name:
Abdul Rahman AlAshraf
Alter:
29
Beruf:
Software-Ingenieur
Website:
https://freecom-info.com
Was ist FreeCom?
FreeCom ist eine neue Technologie, mit der Menschen auch dann kommunizieren können, wenn keine Internetverbindung oder kein mobiles Netz verfügbar ist. FreeCom stellt ein wirksames Instrument gegen gängige Methoden der Unterdrückung von Kommunikation und Information im digitalen Zeitalter dar. Es nutzt die gesamte verfügbare Technologie der Smart Devices, um Textnachrichten zu senden, Anrufe zu tätigen und Nachrichten zu verbreiten, selbst wenn kein Internet zur Verfügung steht. Mit FreeCom können Nutzer sogar auf den neusten Informationsstand gebracht werden oder Mitteilungen erhalten. Die innovativste Funktion von FreeCom erlaubt den Nutzern, ihr eigenes Netzwerk zu erstellen, indem sie sich miteinander verbinden. Jede Person fungiert dabei als Sender und leitet die Nachrichten an den Nächsten weiter, bis alle oder ein bestimmter Empfänger erreicht wurden. Die Vernetzung wird dabei durch die Kombination aus physikalischer Bewegung und Technologie erreicht.
Wie ist die Idee entstanden?
Nachdem im Jahr 2014 in Damaskus eine Granate explodierte, brachen die Telefonleitungen für mindestens 30 Minuten zusammen und hinterließen panische Familien ohne die Möglichkeit, sich nach ihren Angehörigen zu erkundigen. Diese halbe Stunde erschien wie eine Ewigkeit. In vielen anderen Städten waren Familien sogar wochenlang ohne Verbindung. Sie konnten weder über das Telefon noch über das Internet kommunizieren, als sie es am meisten brauchten. Ob nun um Hilfe zu rufen oder Informationen auszutauschen.
In welchen anderen Krisensituationen ist solch ein Offline-Netzwerk für die Menschen von Nutzen?
Wann immer eine lokale Community miteinander kommunizieren möchte. Das kann sogar in Nicht-Krisenländern der Fall sein, in denen manche Gebiete über keine ausreichende Telekommunikationsinfrastruktur verfügen.
Wie funktioniert FreeCom und wie unterscheidet es sich von dem uns bekannten und genutzten Internet?
Der Kern der Software beruht auf der Verwendung der sogenannten Mesh-Netzwerktechnologie, die Smartphones miteinander verbindet und Informationen über eine Peer-to-Peer-Leitung verarbeitet. Das heißt, dass Smartphones, die sich in geografischer Nähe befinden, die Funktion eines Mobilfunkmastes oder Routers übernehmen und diesen dann ersetzen. Letzteres ist der Grundgedanke, der hinter dieser Technologie steht. Anstatt also die Nachricht des Senders über den Mast zu übertragen, sucht das System das nächstgelegene Smartphone, das nicht weiter als zwei Gebäudelängen entfernt ist, um die Nachricht darüber und solange über eine Kettenreaktion von Gerät zu Gerät zu senden, bis diese schließlich den gewünschten Empfänger erreicht. Die Nachrichten werden dabei über verschiedene Wege mittels Wi-Fi, Bluetooth und Ultraschall übertragen. Wenn das letzte Telefon, das die Nachricht erhalten hat, sehr weit von dem gewünschten Empfänger entfernt ist, kann die Nachricht übertragen werden, sobald eines der Trägertelefone eine Verbindung herstellt. Das ist der größte Unterschied zum normalen Internet. Das Internet ist zentral und die Mesh-Technologie ist es nicht.
Welche Rolle spielt der Ultraschall für FreeCom und wie funktioniert das?
Die Ultraschallfunktion dient bisher lediglich dazu, dringende Informationen und Mitteilungen an alle Telefone in der Umgebung zu verbreiten. In zukünftigen Umsetzungen wird FreeCom Ultraschall auch für die Peer-to-Peer-Kommunikation nutzen. Die Funktion mit Ultraschall ist ziemlich einfach: Der normale Text oder die Daten, die wir versenden wollen, werden in Ultraschallsignale verschlüsselt, die dann über den gleichen normalen Lautsprecher, den wir verwenden, versendet werden. Das menschliche Gehör nimmt das nicht wahr, Mikrofone jedoch schon. So können alle Telefone um uns herum diese Signale erfassen und sie wieder in normalen Text oder einen beliebigen Datentyp entschlüsseln.
Eine der größten vor uns liegenden Herausforderungen ist die Datenmenge, die wir übertragen können. Gegenwärtig können wir nur kleine Datenmengen übertragen.
„Es wird auf jeden Fall einige Anwendungen für die Industrie in Richtung Smart Citys und IoT geben“
Wie soll das Projekt fortgeführt werden?
Wir sollten unseren bisherigen Algorithmus verbessern, um eine stabile und sichere Phase zu erreichen, in der wir ihn zur Anwendung an Entwickler und Nutzer zur Verfügung stellen können, und zusätzlich echte Tests mit einigen Pilotprojekten durchführen. Und es wird auf jeden Fall einige Anwendungen für die Industrie in Richtung Smart Citys und IoT geben.
In fünf Jahren wird FreeCom ...
... die Ultraschallfunktion so verbessert haben, dass sie neben Bluetooth und Wi-Fi zum Standard bei der Datenübertragung wird. Außerdem wird es alternative Methoden für Menschen in Gemeinden bereitstellen, damit diese offline kommunizieren können.
Programmieren ist für mich ...
... ein magisches Drehbuch, das unsere Fantasie real werden lässt – deswegen wollte ich es in erster Linie studieren. Ich kann alles programmieren, was mir in den Sinn kommt, und es den Menschen als nützliche Anwendungen an die Hand geben.
Welches digitale Produkt muss noch erfunden werden?
Effiziente Bionik, die unsere Körper darstellen oder ersetzen und ihnen neue Fähigkeiten und Sinne verleihen kann.
Hätten Sie gerne einen Haushaltsroboter?
Ich möchte einen Roboter als meinen besten Freund. Roboter werden einen Punkt erreichen, an dem sie normale Kreaturen auf diesem Planeten sind. Sie können keine Sklaven sein. Sie werden genau wie wir sein, aber viel effizienter :P
Welche technische Entwicklung wird für Sie immer ein Rätsel bleiben?
Maschinen, deren Akku sich entlädt und die aufgeladen oder aufgetankt werden müssen.
Wann waren Sie das letzte Mal für 24 Stunden offline?
Ich kann mich kaum daran erinnern. Ich denke, es war wohl vor zehn Jahren.
Nehmen Sie Ihr Smartphone mit ins Bett?
Ja, aber im Flugmodus :P
Im #explore-Format „Steckbrief“ kommen regelmäßig, spannende und inspirierende Menschen aus der digitalen Szene zu Wort – Forscher*innen, Blogger*innen, Startup-Gründer*innen, Unternehmer*innen, Hacker*innen, Visionäre*innen.