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Mobilität

Drei Visionen für die Mobilität von morgen

14. Januar 2021

Elektroautos, Wasserstofffahrzeuge, autonome Gefährte oder fliegende Taxis – welche Antriebs- und Mobilitätsmöglichkeiten den Verkehr von morgen bestimmen, scheint heute bereits halbwegs ausgemacht. Doch auch an weiteren Alternativen wird weltweit gewerkelt. #explore stellt drei davon vor.

Vision 1: Das Flugauto

„Irgendwann wird es eine Kombination aus Flugzeug und Auto geben. Ihr könnt lachen, aber es wird kommen“, prophezeite im Jahr 1940 Autopapst Henry Ford, der mit der Fließbandproduktion die Fahrzeugfertigung revolutionierte. Der Traum vom abhebenden Auto ist so alt wie das Automobil selbst. Seit seinen Anfängen werkeln diverse Tüftler weltweit daran, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Im Oktober 2020 hat der PAL-V Liberty als eines der ersten eine Zulassung erhalten – allerdings zunächst nur für die Straße. Hier kann das „Personal Air Landing Vehicle“ des niederländischen Unternehmens PAL-V auf seinen drei Rädern mit bis zu 160 Stundenkilometern unterwegs sein, durch die Luft soll es als Tragschrauber mit 180 Stundenkilometern und auf bis zu 3.810 Metern fliegen können. Für 2022 rechnet der Hersteller mit dem Abschluss der Flugzulassungsprüfung durch die EU-Flugsicherheitsbehörde EASA. Dann will PAL-V den ersten Kunden die Schlüssel zu ihren Flugautos aushändigen.

Stolzer Startpreis

Auf dem Massenmarkt wird das niederländische Luftfahrzeug dann aber sicher nicht landen: 599.000 US-Dollar soll das PAL-V Liberty kosten, später ist auch eine Sport-Version für 399.000 US-Dollar geplant. Trotz des stolzen Preises gibt es dem Unternehmen zufolge alleine in den Niederlanden bereits 30 Vorbestellungen. Künftige Kunden müssen neben dem Führerschein auch eine Pilotenlizenz vorweisen können. Privatpiloten dürfen allerdings in den meisten Ländern nur auf Flugplätzen starten oder landen. Der PAL-V Liberty benötigt seinerseits eine 180 Meter lange Startbahn, um abheben zu können. Einfach von der Autobahn oder der Landstraße dem Verkehr zu entfliehen ist also weder technisch noch rechtlich eine Option. Ob das Flugauto tatsächlich Vorteile gegenüber heutigen Verkehrsmitteln bietet oder schlicht ein exotisches Hobbygerät für Superreiche wird, ist daher noch offen.

Komplexer Kompromiss

Für Experten wie Stefan Levedag vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind Flugautos zwar technisch realisierbar, aber eher ein schlechter Kompromiss statt das Beste zweier Welten. „Das sind grottenschlechte Autos und noch viel schlechtere Flugzeuge“, so der Leiter des Instituts für Flugsystemtechnik am DLR. Dass bereits die Entwicklung eines Flugautos mit Turbulenzen verbunden ist, zeigt PAL-Vs Mitbewerber Terrafugia. Bereits 2009 hatte das US-Unternehmen den Prototyp seines Flugautos „Transition“ vorgestellt. 2012 erhielt es eine vorläufige Zulassung der US-Verkehrsbehörden für den Einsatz in der Luft und auf der Straße. Im selben Jahr sollte das Luftfahrzeug an erste Käufer ausgeliefert werden. Aber auch heute – nach diversen Verschiebungen, Anpassungen und weiteren Prototypen – hat noch immer kein Kunde einen „Transition“ in seiner Garage stehen. Seit 2017 gehört Terrafugia zu Geely und entwickelt ein elektrisches Lufttaxi für den urbanen Raum – eine Vision, die dem chinesischen Autoriesen offenbar zukunftsträchtiger erscheint.

Vision 2: Der Hyperloop

Reisen per Rohrpost: Menschen oder Waren in von Magneten und Turbinen angetriebenen Transportkapseln mit bis zu 1.200 Stundenkilometern durch luftleere Röhren schießen – das ist die Idee hinter dem Hyperloop. Tesla-Chef Elon Musk präsentierte sie 2013 in einem White Paper. Umweltfreundlicher als mit dem Flugzeug und wesentlich günstiger als mit der Bahn könne man künftig durch die Röhre reisen, zeigte sich der Berufsvisionär überzeugt. Trotz diverser Zweifel an Musks technologischen und finanziellen Annahmen: Sein Konzept hat seither Fahrt aufgenommen und wird gleich von mehreren Unternehmen vorangetrieben.

Ein Hyperloop-Netz durch Europa

Das niederländische Start-up Hardt hat die Technik in einem 30 Meter langen Testtunnel erprobt und zudem ein System entwickelt, das einen Spurwechsel ohne Geschwindigkeitsverlust ermöglichen soll. Die Kapseln wären damit nicht auf eine einzige Röhre und Route festgelegt. Aktuell bauen die Niederländer in Groningen an einem drei Kilometer langen Tunnel, in dem ab 2022 die Kapseln auch mit Hochgeschwindigkeit getestet werden sollen. Ziel ist ein europäisches Hyperloop-Netz, das sich insgesamt über 10.000 Kilometer erstrecken soll. Das Start-up arbeitet dazu mit Konzernen wie Tata Steel, Continental und der Deutschen Bahn zusammen, die an Hardt beteiligt ist.

Große Pläne schmiedet außerdem HyperloopTT. Das kalifornische Start-up plant eine 150 Kilometer lange Strecke zwischen Abu Dhabi und Dubai, die bereits 2023 den kommerziellen Betrieb aufnehmen soll. Im Hamburger Hafen will HyperloopTT künftig Schiffscontainer durch seine Röhren ins Hinterland schießen. Um seine Technologie zu testen, hat das Unternehmen in Toulouse eine 320 Meter lange Strecke aufgebaut.

Erste Passagier-Testfahrt

Den größten Zwischenerfolg im Rennen der Röhrenbauer konnte allerdings Virgin Hyperloop für sich verzeichnen. Im November 2020 absolvierte das Transportsystem von Virgin-Gründer und Milliardär Richard Branson die erste Passagier-Testfahrt: Zwei Manager von Virgin Hyperloop erreichten in der Kapsel eine Geschwindigkeit von 172 Stundenkilometern. Das Unternehmen hatte zuvor rund 400 unbemannte Fahrten in der zehn Kilometer langen Teströhre in Las Vegas, Nevada, durchgeführt. Die Entwicklung der Technologie will Virgin Hyperloop bis 2025 abschließen, fünf Jahre später könnten erste kommerzielle Züge fahren.

Bis dahin müssen allerdings noch viele technische und finanzielle Fragen geklärt werden: Wie können die Fahrgäste bei einem Brand schnell und sicher evakuiert werden? Lassen sich die Kapseln so gleichmäßig beschleunigen, dass Passagiere das irrsinnige Tempo auch ohne Kampfpilotentraining überstehen? Wie werden die Kabinen klimatisiert und mit Sauerstoff versorgt? Wie kann die enorme Abwärme abgeleitet werden, die bei der Fahrt durch den luftleeren Raum entsteht? Wollen Menschen überhaupt in fensterlosen Kapseln durch Röhren fahren ? Kann der Hyperloop gerade in Europa tatsächlich mit bisherigen Verkehrssystemen konkurrieren?

Aus Sicht der Entwickler sind die technischen Probleme lösbar: Der Hyperloop sei beispiellos effizient. Der Beweis dafür steht allerdings noch aus, befindet auch die deutsche Bundesregierung  in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP. Für Entwicklung und Test der Technologie unter realen Bedingungen würden noch mehrere Jahre benötigt. Außerdem bleibe abzuwarten, ob die Hersteller den Nachweis erbringen können, dass die Vakuumkammern wirklich für den Personentransport geeignet sind.

Vision 3: Die Ottobahn

Ottobahn statt Autobahn: Kabinen, die Passagiere ohne Umsteigen und Wartezeiten bequem und umweltfreundlich zum Ziel bringen – das ist die Vision, mit der ein Münchener Start-up den Verkehr revolutionieren will. Entlang eines fest installierten Schienennetzes sollen die Kabinen der Ottobahn anhalten, wo immer sie der Fahrgast per App hinbestellt hat. Die Gondeln bieten Platz für bis zu vier Passagiere oder zwei Europaletten, fahren autonom und werden von einem Elektromotor angetrieben, der über die Schiene mit Strom versorgt wird. Will man an seinem Zielpunkt aussteigen, fährt ein Mechanismus die Kabine herunter. Bahnhöfe oder fest installierte Haltestellen gibt es nur an Verkehrsknotenpunkten oder stark frequentierten Orten wie Fußballstadien.

Die Fortbewegung auf fünf bis zehn Meter Höhe soll den Straßenverkehr in und zwischen den Städten deutlich entlasten. In der Stadt sind die Gondeln mit bis zu 60 Stundenkilometern unterwegs, über Land sollen sie im Konvoi auch Geschwindigkeiten bis 250 Stundenkilometer erreichen – und das mit einem Zehntel der Energie, die ein Elektroauto benötigt. Kostet eine U-Bahn rund 50 Millionen Euro pro Streckenkilometer, könne ein Kilometer Ottobahn bereits für etwa fünf Millionen Euro gebaut werden. Die durch die Schwebebahn frei werdenden Straßen und Parkplätze könnten in Fahrradwege oder Grünanlagen verwandelt werden.

Neuer Anlauf für eine alte Vision

Neu ist die Idee hinter der Ottobahn nicht: In der Verkehrsplanung fährt das Prinzip unter dem Begriff „Personal Rapid Transit“ – kurz PRT – als eine Art Zwitter zwischen ÖPNV und Individualverkehr. Seit den 1970er-Jahren wollen Forscher diese Vision Wirklichkeit werden lassen. 1973 wurde in Hagen mit großen Erwartungen die Teststrecke für das sogenannte Cabinentaxi eingeweiht. Automatisierte, unabhängig voneinander operierende Gondeln sollten Fahrgäste auf Bestellung und ohne Zwischenhalt an ihr Ziel bringen und den Stadtverkehr auf ein neues Niveau heben. Zunächst in Hagen selbst, wo ein Schienennetz von 132 Kilometern mit 182 Stationen angedacht war, doch auch Hamburg zeigte sich anfänglich interessiert. Als Ende der 1970er-Jahre die Förderung auslief und keine Stadt sich zu einer Umsetzung entschließen konnte, wurde das Projekt beendet und die Teststrecke abgebaut.

Weltweit wurden seither in vielen Kommunen Pläne für automatisierte Kabinensysteme geschmiedet, realisiert wurde nur eine Handvoll – etwa am Flughafen Heathrow, auf dem Campus einer Universität in Morgantown, West Virginia, oder im südkoreanischen Suncheon, wo es auf einer 4,5 Kilometer langen Strecke zwei Landschaftsparks miteinander verbindet.

In Innenstädten haben die Kabinen bis heute nicht Einzug gehalten. Dabei scheinen ihre Vorteile auf der Hand zu liegen: Sie können über schon bestehenden Verkehrswegen gebaut werden, versprechen weniger Unfälle, schnellere Fahrten und geringeren Energieverbrauch als der Autoverkehr und dabei eine größere Flexibilität als die U-Bahn. Andererseits kann man mit ihnen eben doch nicht bis fast vor die Haustür fahren oder so viele Menschen durch die Stadt bringen wie der klassische ÖPNV. Während etwa die Berliner S-Bahn pro Stunde bis zu 36.000 Personen transportieren kann, gelten bei den kleinen Kabinenbahnen schon 5.000 Passagiere als das Maximum. Im Vergleich zu autonomen Bussen, an denen weltweit gearbeitet wird, wären die schienengebundenen Kabinen wohl einfacher zu steuern, würden aber höhere Investitionen in die Infrastruktur erfordern und wären dennoch weniger flexibel als die Ridesharing-Busse, die heute bereits in den Städten unterwegs sind. Und ihre Stelzenkonstruktion würde natürlich das Stadtbild verändern, was sich möglicherweise nicht ganz so problemlos durch Begrünung verschleiern ließe, wie es den Ottobahn-Machern vorschwebt. Anwohner wiederum zeigten sich in der Vergangenheit wenig von der Aussicht begeistert, dass man ihnen aus der Gondel ins Wohnzimmer gucken könnte. Nicht zuletzt: Bestehende Verkehrsinfrastrukturen zu erweitern oder zu modernisieren ist oft weniger aufwendig und auch politisch leichter durchzusetzen, als ein völlig neues System aus dem Boden zu stampfen.

Experten sehen die Chancen der Ottobahnen daher vor allem in Städten, in denen noch gar kein Verkehrskonzept existiert. Beispielsweise in China, wo neue Städte im Zeitraffer aus dem Boden wachsen. Die Ottobahn-Macher sind einem Start im Ausland nicht abgeneigt. Man stehe schon in Kontakt mit privat finanzierten Projekten in Asien und in den USA. Aber auch an ihrem Stammsitz in München ist ihr Gondelsystem im Gespräch – als Alternative für eine angedachte Seilbahnverbindung zwischen Dachau  und dem Münchener Stadtteil Moosach oder für eine Strecke entlang der A8. Bei einem Besuch im November 2020 zeigten sich Lokalpolitiker angetan von der Technologie. Entscheidend sei jedoch bei aller Begeisterung, „dass die Firma das System zur Marktreife bringt“, betonte Helmut Zech, stellvertretender Landrat des Kreises Dachau. Das Team der Ottobahn ist überzeugt, die Technik innerhalb eines Jahres serienreif machen zu können. Bis Mitte 2024 könnte eine erste Strecke installiert und in Betrieb genommen werden. Bis dahin müssen die Ottobahn-Bauer allerdings auch noch demonstrieren, wie der geplante Ein- und Ausstieg auf freier Strecke funktioniert, ohne den Verkehr an oder unter der Schiene zu blockieren.

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