24. April 2017
Natalie Sontopski und Julia Hoffmann sind die Code Girls: Sie wollen mehr Frauen in die oftmals von Männern dominierte Welt des Programmierens bringen. Ihr Motto: Programmieren soll das Leben erleichtern. In Leipzig organisieren sie gemeinsam mit weiteren Coaches seit 2012 kostenlose Workshops und Vorträge ausschließlich für Frauen. Sie vermitteln, wie man eine Homepage oder Blog erstellt oder wie sich Programmiersprachen aufbauen. Im Interview erklären sie, warum es wichtig ist, einen Raum für Frauen zu etablieren, in dem man keine Scheu hat, Fragen zu stellen.
#explore: Sie haben als Laien mit dem Programmieren angefangen. Wie ist ihr Wissensstand heute?
Julia Hoffmann: Als Profis sehen wir uns immer noch nicht, aber das Wichtigste wissen wir: Was ist eine Auszeichnungssprache? Was ist eine Programmiersprache? Und wie kann ich das einsetzen, um selbst kreativ zu werden und um Inhalte, die mir wichtig sind, darzustellen? Die Basics können wir inzwischen auch selbst ganz gut vermitteln. Generell finde ich es aber schwierig, als Programmierer Profi zu sein. Man lernt nie aus, es gibt ständig neue Entwicklungen – das ist ein lebenslanger Lernprozess.
© TÜV NORDNatalie Sontopski und Julia Hoffmann sind die Code Girls.
#explore: Wie finanzieren Sie sich?
Natalie Sontopski: Wir und unsere Coaches arbeiten ehrenamtlich. Wir könnten ihnen auch kein Geld zahlen, da wir keine Zuschüsse erhalten.
Julia Hoffmann: Zum Glück sind uns von Anfang an kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden, zuerst waren wir im Leipziger Hackerspace ‚Sublab’, jetzt arbeiten wir im Coworking Space ‚Social Impact’.
#explore: Haben Sie nie darüber nachgedacht, die Code Girls vielleicht sogar zum Beruf zu machen?
Natalie Sontopski: Interessanterweise war das von Anfang an ein Thema, aber eher für unsere Umgebung und gar nicht für Julia und mich. In letzter Zeit werden wir allerdings auch öfters für Workshops in Unternehmen gebucht und dafür bekommen wir dann natürlich auch ein wenig Honorar.
Julia Hoffmann: Nathalie arbeitet als Veranstaltungsmanagerin in einem IT-Unternehmen, ich komme in meinem Beruf an der Universität auch ab und an mit Intranet, Web-Design und Co. in Kontakt. Als Programmiererin zu arbeiten, kann ich mir aber nicht vorstellen. Dafür muss man ein Mensch sein, der sehr genau ist und sich in ein Problem verbeißen kann. Ich habe da meine persönlichen Grenzen entdeckt.
© TÜV NORDProgrammieren macht Spaß und soll das Leben erleichtern … In Leipzig organisieren die Code Girls seit 2012 kostenlose Workshops und Vorträge ausschließlich für Frauen.
#explore: Programmieren gilt als Männerdomäne. Wie steht es um die Rolle der Frau?
Julia Hoffmann: Wir haben mit dem von uns veranstaltenden „Pizza-Dinner“ einen ganz guten Vergleich. Dabei laden wir die Dozenten ein, die bei unseren Veranstaltungen ehrenamtlich lehren und bedanken uns für ihr Engagement. Die vergangenen Jahre waren außer uns nur Männer dabei. In diesem Jahr waren wir erstmals ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Es ist für uns trotzdem extrem schwierig, weibliche Coaches zu finden. Auch in meinem Job treffe ich kaum Programmiererinnen, selbst wenn es inzwischen viele Initiativen gibt, die versuchen, mehr Frauen in Männerberufe zu bringen. Ich erlebe die meisten männlichen IT-Profis aber als sehr aufgeschlossen, die teilweise beklagen, dass ihre Unternehmen und Teams nicht diverser sind.
Natalie Sontopski: Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Zwar gibt es in den ‚Soft-Skills’-Bereichen wie Webdesign und User Experience auch ab und an Frauen, aber wenn man hinter die Kulissen blickt, dort, wo die harten Codes geschrieben werden, ist Programmieren weiterhin ein sehr männlich dominiertes Feld.
„Programmieren soll das Leben erleichtern und sinnvoll für jeden sein.“
#explore: Wo sehen Sie das Problem?
Natalie Sontopski: Viele Frauen sind schon im Informatikstudium abgeschreckt. Da sitzen viele Jungs im Hörsaal, die machen das, seit sie zehn sind und haben sich schon einen entsprechendes Netzwerk aufgebaut. Das sind Erfahrungen, die Frauen in der Regel fehlen.
Julia Hoffmann: Auf Twitter müssen wir uns immer erstmal rechtfertigen. ‚Was programmierst du denn überhaupt?’, ist eine Frage, die uns häufig gestellt wird. Leider!
#explore: Was würden Sie Frauen mit auf den Weg geben?
Natalie Sontopski: Wer in Leipzig ist – einfach bei uns vorbeikommen. Auch in anderen Städten gibt es ähnliche Organisationen, wo Frauen angstfrei Fragen stellen können. Außerdem gibt es im Internet ein großes Angebot an kostenlosen Tutorials.
Julia Hoffmann: Einfach selbst aktiv werden und ein konkretes Projekt finden, an dem man arbeiten möchte. Programmieren soll das Leben erleichtern und sinnvoll für jeden sein.
#explore: Wie schaffen Sie es, sich nach knapp fünf Jahren immer noch als „Code Girls“ zu engagieren?
Natalie Sontopski: Manchmal frage ich mich, oh man, warum machen wir das? Doch das ist wirklich selten. Meist freue ich mich immer auf alles, was mit den Code Girls zu tun hat – gerade weil es ein Hobby ist. Wir sind niemandem Rechenschaft schuldig, wir sind total unabhängig und können einfach ein neues Veranstaltungsformat ausprobieren, wenn wir darauf Lust haben. Das ist eine Art Luxus, die den Spaß bewahrt.
Julia Hoffmann: Mich motiviert es unglaublich, wenn ich die Aha-Momente anderer Leute miterleben kann. Außerdem gab es seit unserem Start immer wieder Highlights – wie unser Buch „We love Code!“ –, die wir gar nicht aktiv geplant haben. Diese Meilensteine halten die Motivation definitiv aufrecht.
„Es wäre großartig, wenn wir noch ein, zwei Mitstreiterinnen finden.“
#explore: Was hat die Arbeit am Buch besonders gemacht?
Julia Hoffmann: Wir wollten ein Buch schaffen, dass keine so geringe Halbwertszeit hat. Aber das ist im Bereich des Programmierens schwer, denn die Techniken veralten so schnell.
Natalie Sontopski: Ich bin viel digital unterwegs, habe einen eigenen Blog. Es war eine schöne Erfahrung, etwas so Analoges wie ein Buch zu machen, dass man am Ende in der Hand halten kann und auch in zwei, drei Jahren hoffentlich noch relevant ist.
#explore: Welche Meilensteine möchten Sie noch erreichen?
Natalie Sontopski: Wir wollen uns jetzt nicht als ziellos outen, aber Julia und ich lassen viel auf uns zukommen. Was allerdings schön wäre, wenn wir irgendwann finanzielle Förderung auf kommunaler oder auch auf privater Ebene bekommen. Das würde helfen, die Code Girls weiter voranzubringen und wir könnten den Dozenten endlich auch eine Aufwandsentschädigung zahlen. Außerdem wäre es großartig, wenn wir noch ein, zwei Mitstreiterinnen finden, die mitmischen wollen.
Aktuelle Termine und Infos unter www.codegirls.de oder unter www.facebook.com/codegirls
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Buch-Tipp
Julia Hoffmann und Natalie Sontopski erklären in ihrem Buch „We love Code! Das kleine 101 des Programmierens“ die wichtigsten Grundlagen: Was sind Programmiersprachen und wie funktionieren sie? Was versteckt sich hinter den Oberflächen von Apps und Websites? Und was muss man über Hackerparties und Datensicherheit wissen?
We love Code! Das kleine 101 des Programmierens; Julia Hoffmann und Natalie Sontopski; Verlag Koehler & Amelang; ISBN 978-3-7338-0404-6; 16,95 EUR