14. Juni 2017
Für über 850.000 Euro hat Alter Technology (ATN) das eigene Labor im spanischen Sevilla modernisiert. Jetzt ist ATN wieder auf Augenhöhe mit vergleichbaren Institutionen in der Raumfahrtindustrie und steht bereit für neue ESA-Projekte, die im Rahmen des Programms Cosmic Vision 2015 – 2025 angepackt werden sollen.
Die Verantwortlichen bei ATN haben das eigene High-Tech-Labor von Grund auf modernisiert. 850.000 Euro wurden dafür in die Hand genommen, um mit Raumfahrtbehörden und Komponentenherstellern auf Augenhöhe zu sein. „Raumfahrt und Mikroelektronik entwickeln sich rasant weiter, und wir müssen immer auf dem selben Niveau sein wie der ganze Rest der Branche“, sagt David Nuñez, Bereichsleiter Elektronikteile bei ATN. „Deshalb sind Innovationen und Investitionen in die neueste Labortechnik absolut notwendig.“ Selbstbewusst spricht man davon, dass die Labore von Alter Technology „ein Schaufenster für die technischen Fähigkeiten des eigenen Unternehmens sind. Fortschritt und kontinuierliche Verbesserung sind Teil der TÜV NORD-DNA, und das wird auch so bleiben.“
ATN ist Marktführer in Europa, was die Bereitstellung von Engineering-, Beschauungs-, Test- und Logistikdienstleistungen für Elektronikkomponenten angeht, die in der Raumfahrt eingesetzt werden sollen. Das Unternehmen hat an den meisten europäischen Raumfahrtprojekten im Bereich der Komponententechnik, der Beschauung und der Prüfung mitgewirkt. Aber auch Kunden in Indien, Japan, China, Russland, Israel, Brasilien und Argentinien vertrauen den Spezialisten bei ATN. Doch auch Experten stoßen an ihre Grenzen, wenn die Technik nicht mehr in der Lage ist, die neuen Anforderungen der Kunden zu erfüllen. „Labore sind komplexe Einrichtungen“, sagt Laborleiter Manuel Domínguez, „technisch hoch entwickelt und sehr teuer in Bau und Unterhalt. Deshalb ist es auch so herausfordernd, sie zu planen und zu bauen; Renovierungen sind eine große Herausforderung für alle – für das Management, die Projektleitung, aber auch für die Beschäftigten.“
„Raumfahrt und Mikroelektronik entwickeln sich rasant weiter, und wir müssen immer auf dem selben Niveau sein wie der ganze Rest der Branche.“
Hunderte Entscheidungen seien zu treffen, bevor die Arbeiten am Labor beginnen, so Domínguez, und „von diesen Entscheidungen hängt es am Ende ab, ob es so funktioniert wie anfangs gedacht und wie es erfolgreich auf höchstem technischen Niveau gehalten werden kann.“ Glücklicherweise hatte er die richtigen Leute am richtigen Platz zur richtigen Zeit: Die Qualität stimmt, Zeitplan und Kosten wurden eingehalten. Das sind bei derart komplexen Planungen keine Selbstverständlichkeiten.
© TÜV NORDHier werden Teile einer externen Sichtprüfung unter dem Mikroskop unterzogen.
Mit den Planungen begonnen wurde im ersten Halbjahr 2016. Die Arbeiter kamen aber erst, als klar war, wann alle Auftragnehmer für die Arbeiten Zeit hatten und als das komplette Material verfügbar war: In drei Schichten rund um die Uhr arbeiteten sie zwei Wochen konzentriert, um die Arbeiten so schnell wie möglich abzuschließen und dabei den laufenden Laborbetrieb nicht über Gebühr zu stören: Maurer, Maler, Klempner, Kalibrierungstechniker. Sie haben sich die Klinke in die Hand gegeben, um die Arbeiten rechtzeitig abzuschließen und das Labor übergeben zu können.
50 motivierte Mitarbeiter im neuen Labor
Nutznießer sind die 50 Mitarbeiter, die sich jetzt in einer frisch gestalteten Arbeitsumgebung ans Werk machen. Da ihnen neue Technik an die Hand gegeben wurde, bedeutete dies aber auch, dass die Mitarbeiter erst noch lernen mussten, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. So erklärt Laborleiter Manuel Domínguez: „Die Mitarbeiter waren bis über beide Ohren motiviert, sich mit der neuen Technik und ihren Möglichkeiten vertraut zu machen. Man hat ihnen angemerkt, dass sie die Chancen sofort nutzen wollen.“
Zu den neuen, jetzt möglichen Testverfahren gehören auch Temperaturschocktests. Diese sind nötig, um die Zuverlässigkeit von Einheiten mit Elektronikkomponenten, sogenannten Packages, zu testen, wenn sie einem schnellen Wechsel von elektromagnetischen Feldern oder Temperaturen ausgesetzt sind. Bei diesem Verfahren werden die Packages zyklisch in Flüssigkeiten getaucht. „Diese Tests sind enorm wichtig, um herauszufinden, ob ein Produkt thermisch induzierten Größenänderungen widersteht, ob Anforderungen an Rissfestigkeit, thermetische Integrität und Änderungen in den elektrischen Eigenschaften erfüllt werden und die Produkte somit auch unter extremen Bedingungen ordnungsgemäß funktionieren“, sagt Manuel Domínguez.
Manchmal müssen die Komponenten mehr als 15 Jahre ununterbrochen in Betrieb sein.
Um dies zu prüfen, werden Tests für Ein-Chip-Systeme gemacht, die alle oder einen großen Teil der Funktionen eines programmierbaren elektronischen Systems auf einem einzigen Chip, also einem integrierten Schaltkreis, bündeln. Fehler dürfen nicht auftreten, jederzeit muss die maximale Leistung verfügbar sein: An Komponenten, die in der Raumfahrt eingesetzt werden, stellt man höchste Ansprüche. Ein Austausch von Komponenten ist nach dem Start in den seltensten Fällen möglich: Was im All ist, muss funktionieren. Was es ja auch meistens tut: Die Raumfahrtindustrie setzt bekannte und bewährte Technologien ein, die auch in extremer Umgebung zuverlässig funktionieren. Manchmal müssen die Komponenten mehr als 15 Jahre ununterbrochen in Betrieb sein. Und mit jedem getesteten Teil wächst die Erfahrung bei ATN, mit der neue Bauteile bewertet werden – denn auch wie sich ein Bauteil in der Praxis bewährt, wird bei ATN genau analysiert.
© TÜV NORDRöntgenaufnahmen werden gemacht, um interne physikalische Defekte zu erkennen.
Das Wissen entwickelt sich weiter: Märkte und Kunden fordern immer bessere und schnellere Produkte, da sind Labore wie das von ATN gefragt. Die rasante Entwicklung bei elektronischen Komponenten hat einen gewaltigen Einfluss auf die Art der Tests und auf die Zeit, in der diese erbracht werden müssen, auch wenn es sich um einen Nischenmarkt handelt. „Wir dürfen nicht nur die hochempfindlichen Messgeräte betrachten, auch profane Dinge wie Sauberkeit und Schutz gegen elektrostatische Entladung spielen eine wichtige Rolle“, sagt Laborleiter Domínguez.
Gut gerüstet für kommende Aufgaben
Mit dem neuen Labor ist ATN in Sevilla gut gerüstet für die nächsten Aufgaben: „Der sogenannte New Space, bei dem viele kostengünstige kleine Satelliten und Cubesats mit nahezu ausschließlich modernster Massenmarkt-Elektronik eingesetzt werden, ist eine einzigartige Wachstumschance für unsere Organisation und insbesondere für unser Labor“, blickt Bereichsleiter Elektronikteile David Nuñez in die Zukunft.
Neue Testtechniken, die sich darauf konzentrieren, Kosten und damit auch Zeiten im Labor zu reduzieren, sind ebenso eine echte Herausforderung wie solche, die sich auf das Zusammenwirken von Bauteilen beziehen und nicht mehr nur auf einzelne Komponenten. »Diesen Aufgaben stellen wir uns“, sagt David Nuñez.