9. Dezember 2016
Schneller, günstiger, unkomplizierter: 3D-Druck bietet gegenüber konventionellen Herstellungsverfahren viele Vorteile. Im Interview mit #explore erklärt Jens Groffmann von TÜV NORD, wer von der additiven Fertigung profitiert und warum sich der Prüfkonzern für Sicherheitsstandards und Normen im 3D-Druck einsetzt.
Was genau ist additive Fertigung?
Additive Fertigung ermöglicht es, ohne Formen technische Bauteile aus Metallen oder Kunststoffen herzustellen, die mit den bekannten Herstellungsverfahren bisher nicht produzierbar sind. Bisher wird ein Bauteil aus einem Rohteil erzeugt, in dem man überschüssiges Material entfernt, zum Beispiel durch Drehen oder Fräsen. Bei der additiven Fertigung läuft es genau umgekehrt: Es wird nichts mehr weggenommen – also subtrahiert, sondern das Produkt wird schichtweise aufgebaut.
Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür?
Ein anschauliches Beispiel sind die Schalen additiv gefertigter Hörgeräte. Dafür wird der Gehörgang des Patienten vermessen und dann ein Stück Plastik so geformt, das sich exakt in das Ohr schmiegt. Die Stärke der additiven Fertigung, die schnelle Bereitstellung von individuellen Einzelteilen, kommt hier voll zum Tragen.
Selektives Laserschmelzen: Prototypen aus Metallpulver
Wie erklären Sie einem Laien die Funktionsweise des 3D-Drucks?
Wie fast alles heutzutage beginnt der erste Schritt im Kopf des Konstrukteurs. Er visualisiert und konstruiert ein Bauteil mit Hilfe einer CAD-Software. Dabei zeigt der Rechner das Objekt in drei Dimensionen an. Im nächsten Schritt transferiert der Konstrukteur das virtuelle 3D-Modell in ein spezielles Datenmodell, welches anschließend in einem 3D-Drucker ausgedruckt werden kann. Beim Drucken wird das Modell dann Schicht für Schicht von unten nach oben aufgebaut…
…mittels Lasertechnik?
Korrekt. Bei Kunststoffen gibt es auch andere Verfahren, aber Lasertechnik ist die interessanteste Methode für industrielle Anwendungen. Beim sogenannten selektiven Laserschmelzen wird sehr feines Metallpulver schichtweise aufgetragen und verschmolzen. Der Clou dabei ist, dass im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren die meisten Beschränkungen wegfallen und Bauteile nicht nur optimiert werden können, sondern bestimmte ‚Bauteil-Geometrien’ auch erstmals gefertigt werden können, die vorher technisch einfach nicht umsetzbar waren.
„Noch fehlen Normen und Standards für die additive Fertigung.“
Welche Vorteile sehen Sie außerdem?
Vor etwa zehn Jahren sind große Teile der industriellen Fertigung von diversen Bauteilen wie etwa Montagevorrichtungen oder Druckgusswerkzeuge aus Kostengründen nach China ausgelagert worden. Das wird dort in sehr guter Qualität umgesetzt, allerdings dauert es auch 12 Wochen, bis das Containerschiff wieder in Deutschland ist. Jetzt ist es plötzlich möglich, dass der Konstrukteur den CAD-Datensatz nicht nach China schicken muss, sondern das Werkstück in Deutschland ausdrucken lässt. Das wird dann vielleicht noch geringfügig angepasst, aber der mechanische Aufwand bleibt je nach Größenordnung und Stückzahl sehr überschaubar. Nach zwei, drei Tagen ist alles fertig. Das Verfahren der additiven Fertigung wird innerhalb der kommenden fünf Jahre dafür sorgen, dass die Industrie einen Großteil solcher Aufträge wieder in Europa vergibt, weil die Methode einfach schneller und unterm Strich auch preiswerter ist.
TÜV NORD fordert Standards und Normen für 3D-Technik
TÜV NORD sichert die Qualität industrieller 3D-Drucke. Warum braucht die Branche Prüfverfahren?
Das liegt vor allem daran, dass die Technologie gerade erst vom Labor-Stadium in die industrielle Fertigung überführt wird. Dieser wichtige Prozess muss von einem unabhängigen Prüfdienstleister begleitet werden, um die Qualität in allen Bereichen zu gewährleisten – angefangen von den verwendeten Materialien über die Herstellungsprozesse bis hin zu den Eigenschaften, die das fertige Bauteil am Ende aufweist. Entspricht es genau dem, was sich der Konstrukteur vorgestellt hat? Das Objekt kann zwar genauso aussehen wie das virtuelle Modell, aber dennoch Fehler aufweisen oder beispielsweise die Anforderungen in puncto Festigkeit nicht erfüllen.
Mit welchen Prüfverfahren arbeitet TÜV NORD?
Auf der einen Seite kontrollieren wir die Materialien und ob die Prozesse eine sichere Herstellung unterstützen. Auf der anderen Seite gehen wir natürlich auch einen Schritt weiter und suchen gemeinsam mit der Wissenschaft nach Antworten auf Fragen wie: Wie gestalten wir einen stabilen Fertigungsprozess? Welche Parameter sind dafür besonders geeignet? Und wie gehen wir mit Fehlern und Störungen um?
Wie lautet Ihre Prognose – wann wird es eine erste Norm für die additive Fertigung geben?
Ich schätze, das wird in den kommenden zwei, drei Jahren der Fall sein. Diesen wichtigen Prozess begleitet TÜV NORD proaktiv.
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ZUR PERSON
© TÜV NORD
Der Maschinenbauingenieur Jens Groffmann koordiniert und plant bei TÜV NORD in Hamburg die Umsetzung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen – mit Fokus auf den industriellen 3D-Druck.