31. Januar 2019
Für viele Jugendliche gerade in ländlichen Regionen ist der Autoführerschein der erste große Schritt in die Unabhängigkeit. Was auf dem Weg in die automobile Freiheit aber wann zu erledigen ist und wie man sich am besten auf die theoretische und die praktische Prüfung vorbereitet, das ist nicht immer bekannt. Unser Überblick liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann fange ich überhaupt mit dem Führerschein an?
Standard beim Führerschein der Klasse B ist ein Mindestalter von 18 Jahren. Seit einiger Zeit wird aber auch das begleitete Fahren ab 17 Jahren angeboten: Mit einer eingetragenen Begleitperson auf dem Beifahrersitz kann man sich dabei im Inland schon selber hinters Steuer setzen; ab dem 18. Geburtstag darf man dann wie alle anderen solo auf die Straße. Fast 50 Prozent aller Führerscheinanwärter wählen den Weg über das begleitete Fahren. Und das ergibt durchaus Sinn, sagt Wolfhardt Werner, Leiter Fahrerlaubnis-Kompetenz bei TÜV NORD. „Das begleitete Fahren hat sich in der Praxis bewährt – sowohl zur Verfestigung der in der Ausbildung gewonnenen Kenntnisse als auch zur Reduzierung der Unfallzahlen.“ Neben den Eltern kommen auch ältere Geschwister oder Ausbildungsleiter in der Lehre als Begleitperson infrage. Insgesamt ist es ratsam, für den Führerscheinerwerb ausreichend Zeit einzuplanen.
Wie finde ich eine gute Fahrschule?
Meist haben Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder bereits Erfahrungen mit unterschiedlichen Fahrschulen gemacht, von denen man profitieren kann. Um sich selbst einen Eindruck von Fahrschulen und deren Ausbildungspersonal zu verschaffen, empfiehlt es sich, vorab vor Ort vorbeizuschauen und etwa probeweise an einer Unterrichtsstunde teilzunehmen, rät Wolfhardt Werner. Neben einer guten Erreichbarkeit kann auch das verwendete Ausbildungsfahrzeug bei der Wahl der Schule eine Rolle spielen. „Wenn ich zu Hause ein Fahrzeug in Aussicht habe und die Fahrschule ein ähnliches verwendet, kann das in die Entscheidung einfließen“, so Werner. Informieren kann man sich darüber in der Regel über den Internetauftritt der Fahrschule.
Was sind weitere Voraussetzungen für den Führerscheinerwerb?
Wer den Führerschein beantragen möchte, muss sich mit allen erforderlichen Unterlagen an die zuständige Fahrerlaubnisbehörde wenden. Meist stellen die Fahrschulen den Antrag für die Schüler. Benötigt werden dafür ein aktuelles biometrisches Passbild, ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, eine Sehtest-Bescheinigung und die Teilnahmebestätigung über einen Erste-Hilfe-Kurs. Fahrschulen können bei der Suche nach einem solchen Kurs helfen, aber auch im Netz lassen sich diese problemlos finden.
„Der Prüfungsstoff wird grundsätzlich halbjährlich aktualisiert, wobei einzelne Fragen gegebenenfalls einer geänderten Rechtslage angepasst werden.“
Welchen zeitlichen Aufwand muss ich für den Theorieunterricht einplanen?
Gesetzlich vorgeschrieben für den Führerschein der Klasse B sind zwölf Doppelstunden im Grundstoff und zwei Doppelstunden im Zusatzstoff. Der Grundstoff umfasst dabei Inhalte, die für alle Fahrerlaubnisklassen gelten, der Zusatzstoff entsprechende Themen für die jeweilige Klasse. Vielfältige Übungsmöglichkeiten bieten die digitalen Ausbildungsprogramme der Fahrschulen oder Angebote aus dem Netz. Bei der Auswahl sollte man immer auf die Aktualität der Lehrinhalte achten, rät Wolfhardt Werner. „Der Prüfungsstoff wird grundsätzlich halbjährlich aktualisiert, wobei einzelne Fragen gegebenenfalls einer geänderten Rechtslage angepasst werden“, erklärt der Experte von TÜV NORD. „Kleinere Ausbildungsverlage hinken hier möglicherweise mit der Aktualisierung hinterher. Große Verlage überarbeiten ihr Angebot jeweils halbjährlich und sind somit immer auf dem neuesten Stand der Technik.“
Woher weiß der Fahrlehrer, dass ich bereit für die theoretische Prüfung bin?
Frühere Generationen füllten in der Fahrschule Fragebögen aus, die der Fahrlehrer dann korrigierte. Heute passiert das papierlos am Rechner. Über digitale Schulungssysteme kann der Fahrlehrer unmittelbar nachvollziehen, wie die Schülerinnen und Schüler bei der Übung vor Ort oder am heimischen PC abschneiden. Dabei sollte man sich zu Hause natürlich nicht von Eltern, Geschwistern oder dem Schwarmwissen des Internets bei der Beantwortung der Fragen helfen lassen. „Die Prüfung muss ich schließlich auch ohne Hilfe bewältigen. Da ist schon intensives Lernen erforderlich, das sich hinterher auch in den Prüfungsergebnissen auszahlt“, sagt Wolfhardt Werner.
Wie läuft die theoretische Prüfung ab?
Seit 2010 wird die theoretische Prüfung nur noch am PC und in den Räumen der zuständigen Prüforganisation durchgeführt. Wie im Unterricht speisen sich die Aufgaben dabei aus einem Fundus von rund 1.000 Fragen, die im amtlichen Fragenkatalog des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur veröffentlicht sind. Bei der Theorieprüfung der Klasse B sind 30 Fragen zu beantworten, 20 davon aus dem Grundstoff, 10 aus dem Zusatzstoff.
Warum wird mittlerweile digital geübt und geprüft?
Die alten Papierbögen zeigten immer dieselben Bilder zur jeweiligen Frage und die Antwortmöglichkeiten dazu in einer fixen Reihenfolge. Das förderte das schematische Lernen durch Wiedererkennung. Durch die digitale Technik können heute sowohl die Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten als auch die dazugehörigen Bilder unkompliziert variiert werden: von der Farbe der Fahrzeuge über die dargestellten Jahreszeiten bis hin zur Straßenumgebung. „Insofern ist es heute grundsätzlich erforderlich, die konkrete Verkehrssituation zu betrachten und zu verstehen, um die Frage beantworten zu können“, erklärt Wolfhardt Werner. Um sich schon in der Theorieschulung möglichst dicht den realen Verhältnissen im Straßenverkehr anzunähern, kommen mittlerweile auch Videofragen zum Einsatz. In kurzen 3-D-Animationsfilmen sieht man die Verkehrssituation aus der Fahrerperspektive – inklusive Rück- und Seitenspiegel sowie Tachoanzeige. Hat man ein Video bis zu fünf Mal angesehen, bekommt man im Anschluss die Frage gestellt. „Das bedarf zunächst etwas Übung, ist aber natürlich viel näher an der Realität, als nur auf eine Fragestellung hin zu lernen“, so Werner.
Kann ich mich auch in einer anderen Sprache prüfen lassen?
Im theoretischen Teil kann man sich neben der deutschen auch in zwölf Fremdsprachen prüfen lassen. Neben Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch und Spanisch ist vor gut zwei Jahren auch Hocharabisch dazugekommen. Welche Sprachen in der Prüfung zulässig sind, wird grundsätzlich vom Gesetzgeber festgelegt. Die Prüforganisationen wie TÜV und DEKRA sorgen dann dafür, dass sämtliche Fragen aus dem Fundus in der entsprechenden Übersetzung vorliegen.
Kann ich mich auch in der praktischen Prüfung in einer anderen Sprache prüfen lassen oder alternativ einen Dolmetscher hinzuziehen?
Die praktische Prüfung findet vollständig auf Deutsch und ohne Dolmetscher statt. Das hat ebenso rechtliche wie praktische Gründe: Ein Dolmetscher könnte dem Prüfling unbemerkt und unerlaubt unter die Arme greifen. Ein Sachverständiger kann andererseits natürlich nicht 13 Sprachen beherrschen. „Und mit dem einen Bewerber etwa englisch zu sprechen, mit dem anderen aber nicht hocharabisch, wäre eine Bevorteilung, die nicht zu rechtfertigen ist“, erklärt Experte Werner. Ohnehin braucht man für die praktische Prüfung eine geringere Sprachkompetenz als für die theoretische. „Um den Anweisungen des Sachverständigen zu folgen, benötigt man natürlich einen gewissen Grundwortschatz, aber bei Weitem nicht ein solches Sprachverständnis, wie es bei den komplexen Fragen der theoretischen Prüfung erforderlich ist“, ergänzt Wolfhardt Werner. Seit Sommer 2018 sorgt zudem eine Begriffsliste zum Mindestwortschatz in der praktischen Prüfung für Orientierung auf allen Seiten: Die Fahrlehrer wissen dadurch, welche deutschen Begriffe ihre Schüler bis zur Fahrprüfung verstehen sollten, die Sachverständigen, welche Wörter sie verwenden können, wenn jemand wenig Deutsch spricht.
Und wenn ich etwa in meinem Lese- oder Hörvermögen eingeschränkt bin?
Wer beispielsweise an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leidet, kann sich die Fragen über eine Audiounterstützung zusätzlich vorlesen lassen. Gehörlose Menschen können zur theoretischen und zur praktischen Prüfung einen Gebärdendolmetscher hinzuziehen. „Um diese Möglichkeit nutzen zu können, muss ich das im Rahmen der Antragstellung bei der Fahrerlaubnisbehörde anmelden, damit die Prüforganisation den Dolmetscher zum entsprechenden Prüftermin bestellen kann“, erläutert Wolfhardt Werner.
Wie viele Fehler darf ich maximal machen?
Um die theoretische Prüfung zu bestehen, darf man maximal zehn Fehler machen. Die einfachsten Fragen werden mit zwei Punkten bewertet, schwierige Fragen, etwa zum Thema Vorfahrt, mit fünf Punkten. Werden zwei Fünf-Punkte-Fragen falsch beantwortet, gilt die Prüfung aber als nicht bestanden. Im Anschluss erhält man eine Zusammenfassung des Ergebnisses inklusive der Themengebiete, in denen Fehler unterlaufen sind. „So bekommt man einen Hinweis, wo man nacharbeiten muss, um die Folgeprüfung erfolgreich abschließen zu können“, so Wolfhardt Werner. Möglich ist die Folgeprüfung üblicherweise nach 14 Tagen.
Kann ich eine Prüfung beliebig oft wiederholen?
Drohte früher eine Wartefrist von drei Monaten nach der dritten nicht bestandenen Prüfung, darf die theoretische ebenso wie die praktische Prüfung heute beliebig oft wiederholt werden. Mit jedem Versuch wird dabei allerdings auch die Prüfgebühr erneut fällig. Auf gut Glück und mit halbherziger Vorbereitung sollte man dennoch nicht in die Prüfung gehen, rät Wolfhardt Werner. „Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg, um erfolgreich abzuschließen.“
Wie viele Fahrstunden muss ich mindestens einkalkulieren?
Gesetzlich verpflichtend sind die sogenannten Sonderfahrten auf der Autobahn, über Land und bei Dunkelheit. Diese dürfen allerdings erst dann erfolgen, wenn der Fahrschüler in der Ausbildung die entsprechenden Grundlagen erworben hat. Und hier sind heutzutage die Voraussetzungen bei vielen Bewerbern sehr unterschiedlich, sagt Wolfhardt Werner. „Vielen Fahrschülern fehlt heute eine grundlegende Verkehrskompetenz. Das hören wir immer wieder von den Fahrschulen.“ Verantwortlich ist aus Sicht des Experten der Trend zum „Elternshuttle“. „Eine möglichst frühe und verantwortliche Teilnahme am Verkehr ist extrem wichtig. Und die entfällt natürlich, wenn Kinder immer mit dem Auto zur Schule gefahren werden“, stellt Werner fest. Generell sollte man in der Fahrschule nicht auf die minimale Stundenzahl spekulieren, sondern im Zweifelsfall lieber eine Fahrstunde mehr investieren, empfiehlt der Experte.
„Eine möglichst frühe und verantwortliche Teilnahme am Verkehr ist extrem wichtig.“
Woran merkt der Fahrlehrer, ob ich bereit für die praktische Prüfung bin?
Die Fahrausbildung zielt darauf ab, immer komplexere Verkehrssituationen selbstständig und sicher zu beherrschen. Ein gutes Indiz ist für den Fahrlehrer oft das Beobachtungsverhalten des Fahrschülers. „Wenn der Blick des Fahrschülers ständig auf den Verkehr konzentriert ist und nicht mehr auf die Bedienelemente im Auto, ist das ein gutes Zeichen“, erläutert Wolfhardt Werner.
Mein Ausbildungsfahrzeug hat einen Spurhalteassistenten. Darf ich den auch in der Prüfung einsetzen?
Tatsächlich dürfen Assistenzsysteme auch in der Prüfung verwendet werden. „Dann muss ich aber als Bewerber auch in der Lage sein, diese Assistenzsysteme situationsgerecht und sinnvoll einzusetzen und selbstständig bedienen zu können“, sagt Wolfhardt Werner. Man muss also jederzeit eingreifen können, wenn etwa der Geschwindigkeitsassistent mit zu viel Tempo in die Autobahnabfahrt fährt.
Wie läuft denn die praktische Prüfung genau ab?
Die Prüfung dauert insgesamt 45 Minuten, wovon die eigentliche Fahrt rund 35 Minuten ausmacht. Nachdem der Sachverständige den Bewerber begrüßt und seine Identität überprüft hat, folgt als Einstieg die sogenannte Sicherheitskontrolle. „Das sind zwei oder drei Aufgaben, in denen der Bewerber darstellen soll, wie er sich von der Fahrtüchtigkeit des Autos überzeugt“, erklärt Experte Werner. Während der Prüffahrt, die über Strecken innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften führt, stellt der Sachverständige einige Grundfahraufgaben: Zum Beispiel muss der Prüfling wenden oder rückwärts einparken.
Kann der Sachverständige aus dem Bauch entscheiden, wo die Fahrt hingeht, welche Aspekte er prüft und wie er sie bewertet?
Rechtliche Basis des gesamten Verfahrens ist die Fahrerlaubnisverordnung. Sie definiert die Rahmenbedingungen für den Erwerb und Erhalt der Fahrerlaubnis. Als verbindlicher Leitfaden für die Sachverständigen dient die sogenannte Prüfungsrichtlinie. Darin ist etwa festgelegt, wie viele Fragen aus welchen Themenbereichen die theoretische Prüfung zu enthalten hat, und auch, welche Anforderungen eine Fahrstrecke erfüllen muss, um dort die Prüfung durchführen zu können. „In der Prüfungsrichtlinie ist auch beschrieben, wie Fehler zu bewerten sind und wann eine Prüfung als nicht bestanden gilt“, erklärt Experte Werner. Schluss ist auf jeden Fall, wenn man eine der sogenannten zehn Todsünden begeht: wenn man zum Beispiel eine rote Ampel oder ein Stoppschild überfährt oder andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Häufen sich leichte Fehler wie ein zu geringer Sicherheitsabstand, kann das ebenfalls zum Nichtbestehen führen. Aber nicht automatisch: Denn der Sachverständige lässt gemäß der Prüfungsrichtlinie auch besonders gute Leistungen in die Gesamtbeurteilung einfließen. „Hat jemand Fahraufgaben überdurchschnittlich gut bewältigt, werden einige leichte Fehler nicht zum Durchfallen führen“, erläutert Werner.
Was passiert, wenn ich nicht bestehe?
Wie in der Theorieprüfung teilt der Sachverständige zunächst das Ergebnis mit und nennt die wesentlichen Fehler, die man zur Orientierung zusätzlich als Protokoll ausgehändigt bekommt. Danach kann man sich mit dem Fahrlehrer auf die Wiederholungsprüfung vorbereiten, die in der Regel nach 14 Tagen stattfinden kann. „Die Aufgabe des Fahrlehrers besteht dann darin, die kritischen Fahrsituationen mit dem Schüler gewissenhaft nachzuarbeiten und ihn auch so weit wiederaufzubauen, dass er mit einem guten Gefühl in die erneute Prüfung einsteigen kann“, sagt Wolfhardt Werner.
Und wenn ich bestehe?
Hat man das Mindestalter erreicht, erhält man den Führerschein oder die Bescheinigung zum begleiteten Fahren direkt vom Sachverständigen. „Im Amtsdeutsch heißt es: ‚Die Fahrerlaubnis wird durch Aushändigen des Führerscheins erteilt’“, ergänzt Experte Werner von TÜV NORD. Übersetzt in unsere Alltagssprache bedeutet das: Man kann sofort damit losfahren.
ZUR PERSON
© TÜV NORD
Wolfhardt Werner ist diplomierter Maschinenbauingenieur für Fahrzeugtechnik, amtlich anerkannter Sachverständiger und Leiter Fahrerlaubnis-Kompetenz bei TÜV NORD Mobilität.
Optimierte Praktische Fahrprüfung
Ob Theorie oder Praxis – der Führerscheinprozess wird laufend verbessert. Als nächste große Neuerung steht demnächst die optimierte Praktische Fahrprüfung an. Sie soll dem Führerscheinanwärter nach bestandener Prüfung ein umfassenderes Bild seiner Fahrkompetenz vermitteln und auch weiteres Verbesserungspotenzial aufzeigen. Über einen Zeitraum von rund zehn Jahren wurde dazu ein umfangreicher Fahraufgabenkatalog erstellt. Er enthält sämtliche Situationen, die im Straßenverkehr auftreten können, einschließlich der jeweiligen Bewertungskriterien. In rund 10.000 Prüfungen wurde das neue System bereits in der Praxis erprobt. Die Verordnung wird voraussichtlich Anfang dieses Jahres erlassen und soll 2021 in Kraft treten.
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