28. Juni 2019
Staub ist lästiger Dreck und gehört möglichst schnell in Mülleimer oder Staubsaugerbeutel entsorgt – diese gängige Meinung wird bei DMT nicht in jeder Hinsicht geteilt. Die Experten der TÜV-NORD-Tochter produzieren jedes Jahr tonnenweise Staub, den sie in die ganze Welt verkaufen, mittlerweile auch online. Wofür man solche „Prüfstäube“ benötigt, wie man sie entwickelt und was sich hinter dem Banknotenstaub verbirgt, verrät Dirk Renschen von DMT im Kurzinterview.
#explore: Was sind Prüfstäube?
Dirk Renschen: Staubsauger oder Filter für Lüftungsanlagen müssen im Hinblick auf ihre Leistungsdaten mit speziellen Prüfstäuben getestet werden. Mit solchen Stäuben wird zudem überprüft, ob das Gehäuse eines Geräts ausreichend dicht ist. Auch für Umweltsimulationen werden solche Prüfstäube eingesetzt. Das betrifft etwa Autos, Farben, Solaranlagen oder andere technische Produkte, die Außenbedingungen ausgesetzt sind. Grundsätzlich gilt: Alles, was sich draußen abspielt, ist sehr verschleißanfällig. Wenn Staub in ein Kugellager eindringt, führt das schnell dazu, dass technische Produkte leiden. Auch das wird mit solchen Prüfstäuben getestet. Damit die Ergebnisse dieser Prüfungen vergleichbar sind, dürfen dabei ausschließlich standardisierte Prüfstäube verwendet werden.
© TÜV NORD
Wie wird ein solcher Prüfstaub entwickelt?
Zunächst analysieren wir den jeweiligen Staub, dann machen wir uns daran, diesen Staub zu simulieren. Wir sammeln also nicht den Dreck aus dem Staubsaugerbeutel und bereiten ihn auf. Auch aus hygienischen Gründen verwenden wir ausschließlich künstliche Materialien. Wir haben etwa aus mineralischen Komponenten, Zellulose- und Baumwollfasern einen synthetischen Hausstaub entwickelt. Die Wollmäuse, wie man sie in jedem Staubsaugerbeutel findet, werden dabei mit einer hochwertigen Baumwolle simuliert, die in feinste Fasern zerkleinert wird.
Warum ist die Qualität der verwendeten Baumwolle so wichtig?
Diese Stäube sind ja Prüfmittel. Wie ein Zollstock, den ich für eine Längenmessung verwende, dient ein Prüfstaub etwa dazu, die Qualität meines Filters zu vermessen. Daher ist es wichtig, dass so ein Prüfstaub in der Zusammensetzung immer gleich ist. Beim Naturstoff Baumwolle gibt es aber je nach Produktionsland deutliche Qualitätsunterschiede. Bei der ägyptischen Baumwolle haben wir festgestellt, dass sie die höchste Übereinstimmung von Charge zu Charge aufweist. Deshalb ist sie für den Prüfstaub am besten geeignet.
„Der Prüfstaub muss dem realen Staubverhalten möglichst nahekommen.“
Wie nah kommt ein solcher synthetischer Staub seinem realen Vorbild?
Bei der Entwicklung eines Prüfstaubs geht es immer um einen guten Kompromiss aus Realitätsnähe und Praktikabilität. Die Staubzusammensetzung in der Außenluft ist zum Beispiel sehr komplex und ändert sich je nach Windrichtung. Auch der Hausstaub ist in seiner Zusammensetzung von Haushalt zu Haushalt recht unterschiedlich – je nachdem, ob man etwa Kinder oder Haustiere hat. 20 verschiedene synthetische Hausstäube zu entwickeln wäre schlicht zu teuer, zu aufwendig und wenig sinnvoll. Der Prüfstaub muss daher immer etwas einfacher aufgebaut sein, aber zugleich dem realen Staubverhalten möglichst nahekommen.
Welcher Staub ist am stärksten gefragt?
Da wir uns in den vergangenen 15 Jahren sehr stark auf die Staubsaugerindustrie konzentriert haben, ist bei uns der synthetische Hausstaub sehr gefragt. Der zweite sehr gebräuchliche Prüfstaub ist der sogenannte A2 fine. Der gehört zur Gruppe der Arizona-Prüfstäube, benannt nach dem Bundesstaat in den USA. General Motors hat in den 1930er-Jahren festgestellt, dass der Straßenstaub in Arizona die Lebenszeit von Motoren erheblich verkürzt. Das war die Geburtsstunde der Motorluftansaugfilter, wie man sie heute noch in jedem Verbrennungsmotor findet. Um die Funktionsfähigkeit dieser Filter zu testen, wurde auch ein Prüfstaub entwickelt – der Arizona Road Dust. Den gibt es mittlerweile in vier Varianten. Und der besagte A2 fine wird heute in Filterprüfungen wie beispielsweise den Umweltprüfungen sehr oft verwendet.
„Der Hersteller der Druckmaschinen der Bundesdruckerei hat Banknotenstaub bei uns in Auftrag gegeben, um auf diese Weise seine Maschinen zu verbessern.“
Sie haben auch einen Banknotenstaub im Angebot. Dafür werden aber doch nicht etwa echte Geldscheine geschreddert?
Nein, für den Banknotenstaub werden auch keine ausgelaufenen Banknoten verwendet (lacht). Er simuliert den Feinstaub, der beim Schneiden von Banknoten anfällt. Dieser Feinstaub ist sehr heikel für Mensch und Maschine. Der Hersteller der Druckmaschinen der Bundesdruckerei hat diesen Prüfstaub bei uns in Auftrag gegeben, um auf diese Weise seine Maschinen zu verbessern.
DMT kommt ja ursprünglich aus dem Bergbausektor. Wie sind Sie auf Staub gekommen?
Bergarbeiter sind über Jahrhunderte an der Quarzstaublunge erkrankt. Um dieser Berufskrankheit Herr zu werden, wurden in den 1970er-Jahren Entstauber für den Bergbau entwickelt. Wir bei DMT haben uns damals schon mit Staubmessung und Staubminderung beschäftigt und auch Abnahmeprüfungen für diese Geräte durchgeführt. Und dafür benötigt man große Staubmengen – je nach Beschaffenheit zwischen 100 und 1.000 Kilogramm. Zum Vergleich: Die meisten unserer heutigen Kunden kaufen ein bis zwei Kilogramm, die wenigsten benötigen mehr als 100. Und weil wir selbst so viel Prüfstaub verbraucht haben, sind wir dazu übergegangen, den eingekauften Staub zu qualifizieren und zu standardisieren. Als wir das Know-how dann hatten, haben wir festgestellt, dass auch von anderer Seite Bedarf an Prüfstäuben besteht. Mittlerweile haben wir rund 60 verschiedene Staubtypen im Angebot, von denen wir jährlich insgesamt um die acht Tonnen verkaufen. Weil es für die Verantwortlichen in den Unternehmen nicht immer ganz leicht zu ermitteln ist, welcher Staub für welche Prüfung verwendet werden soll, haben wir im Mai auch den weltweit ersten Webshop für Prüfstäube aufgesetzt. Hier kann man alle unsere Prüfstäube recherchieren und herausfinden, für welche Normen sie einzusetzen sind. Dadurch kann man als Nutzer von Prüfstäuben recht einfach den passenden Prüfstaub finden.
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ZUR PERSON
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Dirk Renschen ist Leiter Produktprüfung Kälte & Luftqualität bei DMT in Essen. Der Chemiker hat sich bereits in seiner Doktorarbeit mit Luftverunreinigungen beschäftigt. „Staub ist nicht gleich Staub: Wie in der belebten Natur gibt es auch bei den Stäuben eine sehr große Vielfalt“, erklärt Renschen sein Interesse für die Auseinandersetzung mit der Materie. Durch das Mikroskop betrachtet hätten Stäube auch ästhetisch verblüffend viel zu bieten. „Von daher ist das nicht nur ein spannendes, sondern auch ein reizvolles Thema“, so Renschen.