16. Dezember 2016
Autonomes oder besser automatisiertes Fahren ist die Mobilität der Zukunft. Doch noch gibt es kein einheitliches ECE-Regelwerk für die hochautomatisierten Fahrzeuge. Leif-Erik Schulte von TÜV NORD erklärt im Kurzinterview, was diese Richtlinien überhaupt beschreiben und warum sie unverzichtbar sind.
Was sind ECE-Regelungen und warum sind automatisierte Fahrzeuge noch nicht zulassungsfähig?
Die ECE-Regelungen, mit denen wir uns bei TÜV NORD beschäftigen, beschreiben grenzübergreifende, technische Regelungen zur Genehmigung oder zur Schaffung einheitlicher Genehmigungsverfahren für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile. Inzwischen sind automatisierte Nutzfahrzeuge in dieser Hinsicht durchaus schon zulassungsfähig, allerdings nur über entsprechende Einzelmaßnahmen in dem jeweiligen Land, in dem sie genutzt werden sollen. Was fehlt, ist ein Regelwerk auf internationaler ECE-Ebene.
TÜV NORD fordert mit Blick auf automatisierte Fahrzeuge eine rasche Überarbeitung der ECE-Regelungen. Warum ist eine Aktualisierung sinnvoll und was fehlt für eine Neuauflage?
Eigentlich fehlt nichts mehr. Doch die notwendigen Arbeiten für solch ein ECE-Regelwerk sind sehr umfangreich, zeitaufwändig und komplex. Allein am klassischen ECE-Abkommen von 1958 waren rund 50 Staaten beteiligt. Es kann recht lange dauern, bis ein erster Entwurf erstellt ist und alle sich auf einen Konsens geeinigt haben. Bislang berücksichtigen etwa 130 ECE-Regelungen einzelne Fahrzeugteile, -komponenten und -systeme. Doch bei automatisierten Fahrzeugen wäre eine Vernetzung zwischen den verschiedenen Regelwerken sehr hilfreich. Es gibt aber bisher keine Möglichkeit, die einzelnen Regelungen miteinander zu verknüpfen. An solch einer horizontalen Richtlinie wird derzeit noch gearbeitet – die sogenannte ‚ECE R0’ soll erstmals eine Gesamtbetrachtung des Fahrzeugs ermöglichen.
Hemmt das Fehlen eines übergreifenden Regelwerks die technische Weiterentwicklung?
In der Regel bremst das den technischen Fortschritt nicht, sondern erschwert lediglich die Genehmigung für ein solches Fahrzeug. Denn Fortschritt wird nicht durch die Regularien bestimmt, sondern durch Forschung, Entwicklung und das vitale Interesse der Industrie, Produkterneuerungen auf den Markt zu bringen. Die Normen können letztendlich nur einen Rahmen schaffen, der es den Fahrzeugherstellern und Systemanbietern ermöglicht, ihre Produkte standardisiert und in einem definierten Rechtsrahmen genehmigen zu lassen.
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ZUR PERSON
© Udo Geisler
Leif-Erik Schulte ist Leiter des Technischen Dienstes bei TÜV NORD in Essen. Er verbringt beruflich sehr viele Kilometer auf der Straße. Gestohlene Arbeitszeit, wie er findet. „Ich kann mir gut vorstellen, mit einem automatisierten Fahrzeug unterwegs zu sein und auf bestimmten Streckenabschnitten – zum Beispiel langen Autobahnpassagen – ungestört zu telefonieren oder Mails zu schreiben“, sagt der Mobilitätsexperte. Wann das soweit sein wird, vermag Leif-Erik Schulte nicht zu sagen. „Denn letztendlich kann ich mir autonomes Fahren nur vorstellen, wenn es keine Störgrößen von außen gibt. In einer Welt von automatisierten Fahrzeugen ist jedes nicht automatisierte Fahrzeug ein Risikofaktor.“
Automatisiertes und vernetztes Fahren
Automatisiertes und vernetztes Fahren erfordert noch viel mehr als länderübergreifende Regularien. TÜV NORD entwickelt Ideen und Dienstleistungen, um die Sicherheit im Auto von morgen zu prüfen und zu gewährleisten. Mehr darüber erfahren Sie in den #explore-Beiträgen „Was bedeutet Car-to-Car-Kommunikation?“ und „Wir brauchen ganzheitliche Sicherheit“.