5. Februar 2019
Strom aus Wind oder Sonne ist eine saubere Sache, aber naturgemäß ziemlich wetterabhängig. Damit uns im Zuge der Energiewende nicht das Licht ausgeht, muss das intelligente Stromnetz der Zukunft flexibel auf diese Schwankungen reagieren können. Dazu braucht es Informationen über die Stromerzeugung und den Verbrauch der einzelnen Haushalte. Welche Rolle dabei die Smart Meter Gateways spielen, warum ihre Sicherheit so wichtig ist und was sie international so einzigartig macht, das erklärt Markus Bartsch von TÜViT.
Was ist ein Smart Meter Gateway?
In das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende wurde auch das smarte Messwesen integriert, da im Zuge einer EU-Direktive in jedem Mitgliedsland 80 Prozent der Haushalte mit intelligenten Messgeräten ausgestattet werden sollen. Hier in Deutschland nutzen wir dazu die Technologie der Smart Meter Gateways. Das ist eine Kommunikationseinheit, die Messsysteme für Strom- und bald auch Gaszähler eines Haushalts an die Messstellen-Provider anbindet. Sie können eichrechtlich korrekte und zugleich nicht fälschbare Energiedaten zur Verfügung stellen, die auch für die Skalierung des intelligenten Stromnetzes – das sogenannte Smart Grid – genutzt werden können. Die Gateways, die sich aktuell in der Entwicklung befinden, dienen in erster Linie zur Information der Konsumenten und zur Abrechnung. Ein erstes Gerät dieser Art hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Ende 2018 auf Basis der Evaluation von TÜViT zertifiziert. Der gesetzlich verbindliche Rollout startet, sobald drei Gateways evaluiert und zertifiziert worden sind, was aus unserer Sicht noch in diesem Jahr geschehen wird. Dann müssen Haushalte mit einem Stromverbrauch von mehr als 10.000 kWh mit diesen Geräten ausgerüstet werden, im nächsten Schritt alle Haushalte über 6.000 kWh.
Warum ist ihr Schutz von besonders hoher Bedeutung?
Das hat zunächst einmal datenschutzrechtliche Gründe. In den Niederlanden hat man vor einigen Jahren den Rollout von smarten Messsystemen aus ebendiesen Gründen gestoppt: Mit hochauflösenden Energiedaten kann man nämlich das Verbraucherverhalten eines Haushalts sehr gut nachvollziehen. Vorgebeugt werden müssen außerdem Manipulationen des Messsystems durch den Endverbraucher mit dem Ziel, eine geringere Stromrechnung zu bezahlen, wie es zum Beispiel auf Malta geschehen ist. Das dritte Szenario wären Cyberattacken gegen Smart-Meter-Systeme, um das Stromnetz zu destabilisieren. In einigen europäischen Ländern wurden sogenannte Remote-Off-Schalter in die Messsysteme implementiert, über die ein Haushalt vom Strom abgekoppelt werden kann. Könnte ein Cyberangreifer über eine Schwarmattacke sämtliche Schalter aller Haushalte gleichzeitig umlegen, könnte das zu Instabilitäten im Stromnetz und somit zu einem Blackout führen. In die deutschen Smart Meter Gateways wurden solche Remote-Off-Schalter allerdings nicht eingebaut – auch weil es hierzulande hohe gesetzliche Auflagen gibt, bevor einem Haushalt der Strom abgestellt werden darf.
Könnte ein Cyberangreifer über eine Schwarmattacke sämtliche Schalter aller Haushalte gleichzeitig umlegen, könnte das zu Instabilitäten im Stromnetz und somit zu einem Blackout führen.
Welche Rolle spielt TÜViT bei der Sicherheit der Gateways?
Um Datenschutz und Sicherheit zu gewährleisten, hat das BSI sogenannte Schutzprofile für potenzielle Hersteller veröffentlicht, an die sich diese in Entwicklung und Fertigung der Smart Meter Gateways verbindlich halten müssen. Wir als TÜViT unterstützen das BSI und das Bundeswirtschaftsministerium einerseits bei der Spezifikation der Smart-Meter-Gateways und der für den Betrieb notwendigen Systeme. Andererseits prüfen wir auch die Gateways und bestimmte daran angeschlossene Technologien. Von den aktuell neun beim BSI in der Evaluation gelisteten Smart-Meter-Gateway-Herstellern werden sechs durch TÜViT geprüft. Von drei weiteren Sicherheitsmodulproduzenten, welche die in den Gateways verbauten Security-Chips entwickeln, wurden zwei bei uns untersucht. Hierbei stützen sich die Prüfer auf die sogenannten Common Criteria (CC – ISO 15408). Das ist ein internationaler IT-Sicherheitsstandard für Software- und Hardwareprodukte, nach dem etwa auch der elektronische Ausweis, der Reisepass, die Gesundheitskarte, Kredit- und Geldkarten sowie Datenbanken, Betriebssysteme und Firewalls geprüft werden. Die Produkte enthalten einen vordefinierten Baukasten an Security-Funktionalitäten – von der Identifizierung und Authentisierung über Zugriffskontrolle, Benutzerrollen und sichere Administration bis zu kryptografischen Technologien. Anhand dieses Baukastens wurden auch die oben genannten Schutzprofile für Smart Meter Gateways definiert. Der IT-Security-Evaluator, also der Prüfer, vollzieht anhand des gesamten Entwicklungsprozesses beim Hersteller nach, ob die in den Schutzprofilen definierten Security-Technologien korrekt und wirksam entwickelt und verbaut wurden. Zusätzlich führt er auch noch eigene Schwachstellenanalysen durch.
Was macht die Smart Meter Gateways denn so besonders?
Fast alle anderen Messsysteme auf der Welt verfolgen den AMI-Ansatz (Advanced Metering Infrastructure), bei dem die Messwerte von den nicht ganz so smarten Messgeräten direkt in die Cloud des jeweiligen Messstellen-Providers gesendet und dort weiterverarbeitet werden. In deutschen Smart-Meter-Systemen findet die Aufbereitung der Messdaten direkt im an das Messsystem angeschlossenen Smart Meter Gateway statt, also noch vor der Versendung an die „third parties“ wie beispielsweise Abrechnungsprovider oder Verteilnetzbetreiber. Diese bekommen daher nur die für ihren Nutzungszweck aufbereiteten Daten. Deshalb können wir hinsichtlich des Datenschutzes sagen: Wenn die Daten das Haus verlassen, ist der Datenschutz per Default und per Design gemäß der Europäischen Datenschutzgrundverordnung zu 100 Prozent erfüllt. Das macht die Smart Meter Gateways im internationalen Vergleich einzigartig. Die in ihnen realisierte Idee, Datenverarbeitung und Hochsicherheit in die Endgeräte zu verlagern, könnte aus unserer Sicht auch als Blaupause für das gesamte Internet der Dinge dienen. Sofern er das überhaupt macht, überlegt sich bislang jeder Hersteller einer vernetzten Glühbirne, eines Roboterstaubsaugers oder gar eines vernetzten Brandmelders sein eigenes Security-Konzept – und ist damit oftmals überfordert. So bietet er Cyberangreifern eine große Spielwiese. Stattdessen wäre es sinnvoll, analog zum Smart Meter Gateway Module mit bereits implementierten Hochsicherheitsfunktionalitäten in diese Geräte zu verbauen, um einheitliche, interoperable und verbindliche Sicherheitsstandards zu garantieren.
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ZUR PERSON
© TÜV NORD
Markus Bartsch ist studierter Informatiker und seit 1995 bei TÜViT. Zunächst arbeitete er als IT-Security-Analyst, seit 2002 ist er für das Business Development zuständig und kümmert sich in dieser Funktion um sämtliche neuen Technologien, deren IT-Sicherheit von entscheidender Bedeutung ist: von Automotive Security über das Internet der Dinge, die Industrie 4.0 bis hin zu den Smart Meter Gateways, mit denen er sich seit acht Jahren beschäftigt.