22. August 2019
Beim Stichwort Oldtimer bekommen Autoliebhaber glänzende Augen. Aber wann gilt ein altes Automobil eigentlich offiziell als Oldtimer, was ist bei der Zulassung für das H-Kennzeichen zu beachten, wo liegt der Unterschied zur roten 07-Nummer, und wie hat sich die Automobiltechnik in den vergangenen 100 Jahren verändert? All das erklärt TÜV-NORD-Experte Roger Eggers im Interview.
#explore: Was macht ein Fahrzeug überhaupt zum Oldtimer?
Roger Eggers: Wenn ein Fahrzeug mindestens vor 30 Jahren zugelassen wurde, ist es nach der amtlichen Definition ein Oldtimer. Das gilt in allen 28 Mitgliedstaaten der EU. Dann gibt es natürlich noch verschiedene Kriterien gemäß einer amtlichen Oldtimer-Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums, die für eine Zulassung mit H-Kennzeichen in Deutschland maßgeblich sind. Dazu muss das Fahrzeug natürlich verkehrssicher und vorschriftsmäßig ausgestattet sein – aber auch kulturhistorisch wertvoll. Um als „kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ zu gelten, muss es weitestgehend original sein und sich in einem guten Erhaltungs- und Pflegezustand befinden.
„Um als ‘kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut’ zu gelten, muss ein Fahrzeug weitestgehend original sein und sich in einem guten Erhaltungs- und Pflegezustand befinden.“
Wie läuft denn die Zulassung eines Oldtimers für ein H-Kennzeichen ab?
Dazu wird ein amtliches Gutachten nach Paragraf 23 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) benötigt. Dieses Oldtimer-Gutachten kann von allen Prüfingenieuren oder amtlich anerkannten Sachverständigen in Deutschland bei allen Prüfinstitutionen erstellt werden. Wie auch bei einer normalen Hauptuntersuchung werden die Verkehrssicherheit und die Umweltverträglichkeit geprüft. Zusätzlich begutachten die Sachverständigen nach der entsprechenden Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums das gesamte Fahrzeug und seine Systeme: Ist der Gesamterhaltungszustand in Ordnung, sind die Komponenten und Bauteile original, gibt es eventuell Abweichungen, die auch noch zulässig sind? Ist alles in Ordnung, wird ein positives Gutachten ausgestellt. Damit erhält man bei der Zulassungsstelle das H-Kennzeichen und ebenso die Eintragung in den Fahrzeugschein, dass es sich offiziell um einen Oldtimer handelt. Dann darf man mit dem Fahrzeug auch in die Umweltzone, zahlt eine günstigere Kfz-Steuer und häufig auch einen niedrigeren Versicherungstarif.
Was kosten das Gutachten und die darauffolgende Zulassung?
Das reine Oldtimer-Gutachten kostet je nach Fahrzeugart zwischen circa 80 und 200 Euro. Motorräder sind dabei natürlich günstiger als etwa ein schwerer Omnibus. Wenn Fahrzeuge importiert werden, benötigt man zusätzlich ein sogenanntes Vollgutachten nach Paragraf 21 StVZO, um die Erstzulassung des Fahrzeugs in Deutschland zu erhalten. Dann wird es natürlich deutlich aufwendiger und damit teurer, denn dazu sind umfangreiche Datenrecherchen notwendig. Die Zulassung beim Straßenverkehrsamt kostet rund 40 Euro, die Kfz-Steuer für Oldtimer-Autos liegt derzeit pauschal bei 191 Euro pro Jahr, bei Motorrädern sind es 46 Euro.
Wie stark dürfen Oldtimer vom Originalzustand abweichen?
In der Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums gibt es dazu einen sehr großen Kriterienkatalog: Grundsätzlich zulässig sind Umbauten, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Erstzulassung vorgenommen wurden. Wenn man also sein Auto vor 30 Jahren gekauft und zum Beispiel vor 24 Jahren tiefergelegt hat, ist das völlig okay. Außerdem sind auch alle Umbauten jeglicher Art zulässig, die vor mindestens 30 Jahren gemacht worden sind. Selbstverständlich können die klassischen Verschleißteile wie Bremsbeläge, Reifen oder bestimmte Fahrwerksteile gegen neue Teile ausgetauscht werden, sofern diese nach zeitgenössischen Mustern hergestellt wurden. Zuletzt sind außerdem alle Umbauten zulässig, die innerhalb der ersten zehn Jahre nach der Zulassung hätten vorgenommen werden können, die also seinerzeit üblich waren. Man kann daher etwa den 1,2-Liter-Motor in seinem Opel Kadett D gegen einen 1,6-Liter-Motor aus einem gleichen Modell austauschen, ohne dadurch das H-Kennzeichen zu gefährden. Steigt damit die Leistung des Fahrzeugs, müssen im Regelfall aber auch weitere Teile eingebaut werden, beispielsweise die verstärkte Bremsanlage aus dem gleichen Typ.
Welche Umbauten sind unzulässig?
Oft erhalten wir Anfragen von Menschen, die ihren Oldtimer auf einen modernen Gasantrieb umrüsten wollen, um Geld zu sparen, weil sie mit dem Auto jeden Tag zur Arbeit fahren. Das wäre eine komplette Änderung der Antriebsart, ist nicht zeitgenössisch und mit der Zulassung als Oldtimer deshalb nicht vereinbar. Ab und zu erhalten wir zudem Anfragen von Menschen mit Behinderung, die ihr Fahrzeug auf Handgasbetrieb oder elektrische Servolenkung umrüsten wollen. Auch das ist aus Sicht des Verordnungsgebers nicht zulässig. Denn ein Oldtimer und die mit einem H-Kennzeichen verbundenen Vergünstigungen dienen nicht dem Komfort, der täglichen Nutzung im Alltag oder dem Geldbeutel des Besitzers, sondern der Erhaltung des kulturhistorischen Gutes.
Wie sieht es etwa mit einer Umlackierung aus?
Das gesamte Erscheinungsbild, etwa Lackierung oder Aufschrift, muss ebenfalls zeitgenössisch sein. Der Oldtimer kann also heute neu lackiert werden, es dürfen dabei aber keine modernen Lacke wie solche mit Perleffekten verwendet werden, die es seinerzeit noch nicht gegeben hat. Das gilt auch für Werbeaufschriften, die man auf dem eigenen Oldtimer anbringen will: Die Beschriftung mit einer Telefonnummer ist kein Problem, aber eine Webadresse ist nicht zulässig, da es das Internet damals noch nicht gab. Sobald das World Wide Web 30 Jahre alt ist, wird das dann aber ebenfalls möglich sein.
Muss ein Oldtimer auch zur Abgasuntersuchung?
Alle Fahrzeuge mit Ottomotor, die ab dem 1. Juli 1969 zugelassen worden sind, müssen zur Abgasuntersuchung. Bei Dieselfahrzeugen ist der Stichtag der 1. Januar 1977. Das heißt, wir haben da schon eine ganze Reihe Oldtimer, die zur Abgasuntersuchung müssen. In der Regel ist das aber kein Problem: Oldtimer sind Hobbygeräte und werden darum meist sehr gut gepflegt und gewartet. Deshalb treten bei der Abgasuntersuchung oft deutlich weniger Mängel auf als bei etwas jüngeren Fahrzeugen.
Und was unterscheidet das H-Kennzeichen von dem roten 07-Kennzeichen?
Auch für eine 07-Nummer benötigt man zunächst ein Oldtimer-Gutachten nach Paragraf 23 StVZO. Allerdings muss das Fahrzeug im Regelfall nicht alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung. Anders als beim H-Kennzeichen handelt es sich bei der 07-Nummer nicht um eine normale Zulassung, sondern bloß um eine Genehmigung. Diese Fahrzeuge dürfen nur für bestimmte Zwecke auf die Straße: für Probefahrten, Wartungs- und Einstellfahrten und die Teilnahme an Oldtimer-Veranstaltungen. Selbst die Fahrt zur Tankstelle ist mit einem 07-Kennzeichen nach höchstrichterlichem Urteil nicht gestattet. Auch eine Fahrt ins Ausland ist mit Risiken verbunden, da das rote 07-Kennzeichen von unseren Nachbarn häufig nicht akzeptiert wird. Sinnvoll ist das rote 07-Kennzeichen für all jene, die nur gelegentlich zu Veranstaltungen fahren oder einen kleinen Fuhrpark besitzen. Denn das Nummernschild kann als Wechselkennzeichen für mehrere Fahrzeuge verwendet werden. Wer mit seinem Oldtimer häufig unterwegs ist, mal an den See, in die Berge oder ins Ausland fahren möchte, dem empfehle ich ein normales H-Kennzeichen. Schließlich macht es ja auch Spaß, in einem Oldtimer unterwegs zu sein.
„Die StVZO, aber auch das EG-Recht kennen den Begriff des Youngtimers nicht.“
Was ist ein Youngtimer?
Die StVZO, aber auch das EG-Recht kennen den Begriff des Youngtimers nicht. Nach der informellen Definition, die sich mittlerweile eingebürgert hat, werden Fahrzeuge ab einem Alter von 20 Jahren in die Kategorie der Youngtimer eingestuft. Diese Fahrzeuge sind meist recht selten und häufig bereits in Liebhaberhand, werden gut gepflegt und gewartet, deshalb bekommen sie im Regelfall auch weniger Probleme bei der Haupt- und Abgasuntersuchung. Sie haben aber eben noch nicht den offiziellen Oldtimer-Status und die damit verbundenen Vergünstigungen erlangt. Bei Oldtimer-Treffen oder -Ausfahrten sind Youngtimer allerdings häufig schon gerne gesehen und zugelassen.
Welche Oldtimer nehmen Sie und Ihre Kollegen am häufigsten unter die Lupe?
Die klassischen deutschen Autos, die seinerzeit schon stark verkauft wurden. Mercedes Benz ist im Augenblick insgesamt gesehen die Marke mit den meisten Oldtimern. Außerdem sind auch der VW Käfer mit sämtlichen Varianten und der Opel Kadett sehr stark vertreten. Mittlerweile kommen zudem in ganz großen Schritten die Fahrzeuge aus den 1980er-Jahren ins H-Kennzeichen-Alter: vom Audi 80 über den VW Golf und 3er BMW bis zum Opel Vectra oder Corsa.
„Mercedes Benz ist im Augenblick insgesamt gesehen die Marke mit den meisten Oldtimern.“
Und was sind die ältesten Fahrzeuge oder die größten Raritäten, die Sie und Ihre Kollegen bislang begutachtet haben?
Das älteste Fahrzeug, das wir für ein H-Kennzeichen begutachtet haben, war der Benz Patent-Motorwagen von 1894. Den haben wir im April dieses Jahres für den Oldtimer-Sammler und Museumsbetreiber Karl-Heinz Rehkopf im niedersächsischen Einbeck geprüft. Automobile Highlights, mit denen wir immer wieder zu tun haben, sind etwa die großen Luxuslimousinen der 1930er-Jahre von Horch, Mercedes oder Bentley. Oder auch die Supersportwagen der 1950er- und 1960er-Jahre wie Maserati, Ferrari, Mercedes SL oder Lamborghini, die selbst aus heutiger Sicht noch eine hervorragende Technik haben. Solche Autos zu begutachten macht natürlich auch allen Sachverständigen großen Spaß. Schließlich sieht man solche Fahrzeuge nicht jeden Tag und kann sie nur sehr selten fahren.
Wird ein solcher Wagen nach denselben Kriterien bewertet wie ein Auto, das heute zum ersten Mal auf die Straße geschickt wird?
Bei der Fahrzeugprüfung werden grundsätzlich die Vorschriften angewendet, die zum Zeitpunkt der Erstzulassung galten. Im Fall des Benz Patent-Motorwagens von 1894 waren das ja noch sehr wenige, da gab es bloß einige kaiserliche Erlasse, die etwa besagten, dass die Fahrzeuge über Bremsen verfügen müssen. Zusätzlich werden deshalb gegebenenfalls leichte Einschränkungen oder vertretbare Auflagen festgelegt: Da der Benz Patent-Motorwagen keine Beleuchtung hat, darf er laut unserem Gutachten nur bei Tageslicht oder entsprechenden Sichtverhältnissen bewegt werden. Außerdem müssen Winkerkellen mitgenommen werden, da das Fahrzeug nicht über Blinker verfügt. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 29 Kilometern pro Stunde darf der Benz Victoria logischerweise auch nicht auf die Autobahn, da hier ja nur Fahrzeuge ab 60 Stundenkilometer zugelassen sind.
Sie sehen ja das komplette Spektrum des Automobilbaus von seinen Anfängen bis in die Gegenwart. Wie hat sich die Technik seither entwickelt?
Die Automobiltechnik war in der Mechanik und Hydraulik bereits zwischen den beiden Weltkriegen ausgereift. Natürlich sind die Bauteile heute kleiner, leichter und durch modernste Werkstoffe auch belastbarer, aber wenn ich als TÜV-Sachverständiger an modernen Fahrzeugen meine Ausbildung durchlaufen habe, kann ich relativ problemlos ebenfalls einen Wagen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg begutachten und abnehmen. Die eigentliche Revolution hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren durch den Einzug der Elektronik ins Auto ereignet. Diese elektronischen Systeme, die auch verschleißen und somit repariert oder ersetzt werden müssen, sind auch eine Herausforderung für die Oldtimer der Zukunft. Da bin ich selbst gespannt, wie sich das entwickelt.
Haben Sie einen Lieblingsoldtimer?
Ich persönlich mag klassische deutsche oder italienische Sportwagen. Aber ich fahre auch sehr gerne in großen Limousinen: in einem Adenauer-Benz, einem Opel Diplomat oder Jaguar MK. Schöne restaurierte Motorräder aus den 1950er- bis 1970er-Jahren finde ich ebenfalls sehr reizvoll. Mein erstes eigenes Auto war ein Renault R4. Das ist leider irgendwann den Rost-Tod gestorben, zählt aber immer noch zu meinen Lieblingsautos. Wer heute noch einen hat: unbedingt gut pflegen! Denn die sind durch die Rostproblematik enorm selten geworden.
Sie haben ja sehr viel mit Oldtimern und dadurch auch mit deren Haltern zu tun. Gibt es so etwas wie den typischen Oldtimer-Besitzer?
Unter Oldtimer-Besitzern findet man das gesamte Spektrum der Gesellschaft: vom Landwirt, der aus praktischen Gründen seinen alten Lanz-Bulldog am Leben erhält, weil er ihn ab und zu auf seinem Bauernhof einsetzen will, bis zum Multimillionär, der sich aus Liebhabergründen einen kleinen Oldtimer-Fuhrpark leistet. Aber alle haben ein bisschen Benzin im Blut, und alle verbindet die Liebe zu dem alten Blech und der alten Technik – zu diesem authentischen Fahrgefühl in alten Automobilen oder auf alten Motorrädern. Man ist einfach näher dran als in modernen Fahrzeugen, wo man doch relativ weit von der Technik entkoppelt ist.
ZUR PERSON
© TÜV NORD
Roger Eggers ist Leiter Technik-Kompetenz bei TÜV NORD Mobilität.
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