02. August 2018
Berufsbedingte Unfälle und Erkrankungen belasten Arbeitnehmer, ihre Familien und die Unternehmen. Die Norm ISO 45001 soll darum weltweit für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen. Was sie leistet und welche Umstellungen auf Firmen zukommen, erklärt Barbara Meyer von TÜV NORD im Kurzinterview.
#explore: Was ist die ISO 45001?
Barbara Meyer: Die ISO 45001 ist der weltweit erste internationale Standard für betrieblichen Gesundheits- und Arbeitsschutz. Die Norm gibt Unternehmen jeder Branche und Größe einen Rahmen vor, um Risiken am Arbeitsplatz proaktiv zu reduzieren und so die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Beschäftigten nachhaltig zu verbessern. Dabei sollen nicht nur die eigenen Mitarbeitenden besser geschützt werden, sondern auch Lieferanten, Leiharbeiter, Dienstleister und Subunternehmen. Um das zu erreichen, werden Mitarbeitende künftig in alle Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystems einbezogen. Das Topmanagement ist aufgefordert, sich aktiv und sichtbar für die Verbesserung der Arbeitssicherheit einzusetzen. Hinzu kommt, dass Organisationen und Unternehmen die Chancen zur Steigerung der Arbeitssicherheit in einem eigenen Prozess identifizieren und deutlicher herausstellen müssen. Nach einer dreijährigen Übergangsfrist löst die ISO 45001 den derzeit noch gültigen Vorgängerstandard „Occupational Health and Safety Assessment Series“ (OHSAS 18001) ab. Betriebe, die bereits nach diesem Standard zertifiziert sind, sollten sich daher frühzeitig mit den Anforderungen der neuen Norm auseinandersetzen.
„Unternehmen sind zukünftig auch für die Sicherheit der auf ihrem Werksgelände tätigen Fremdfirmen sowie von Besuchern oder Nachbarn verantwortlich.“
#explore: Was ändert sich für Unternehmen?
Barbara Meyer: Unternehmen sind zukünftig auch für die Sicherheit der auf ihrem Werksgelände tätigen Fremdfirmen sowie von Besuchern oder Nachbarn verantwortlich. Grundsätzlich wird zur Beseitigung von Gesundheits- und Sicherheitsrisiken ein systematischer Ansatz nach dem sogenannten STOP-Prinzip verfolgt. Das Akronym steht für Substitution, also die Ersetzung von gesundheitsgefährlichen Arbeitsstoffen durch ungefährliche Stoffe, für technische Maßnahmen, um Gefahrenquellen wie Maschinen etwa durch Schutzgitter „einzusperren“, für organisatorische Maßnahmen, die Menschen zeitlich oder räumlich von Gefahrenquellen trennen – zum Beispiel Fußgänger von Gabelstaplerfahrern –, und für personenbezogene Maßnahmen, die Schutzbrillen ebenso wie Arbeitsschutz-Unterweisungen umfassen. Wenn ein Unternehmen einzelne Aufgaben an eine externe Firma auslagert – beispielsweise an ein Reinigungsunternehmen –, bleiben diese Prozesse laut der ISO 45001 künftig im Verantwortungsbereich des Arbeitsschutz-Managementsystems des Auftraggebers. Zusätzlich müssen Betriebe für die Sicherheit von Beschäftigten Sorge tragen, die zeitweise außerhalb des eigenen Unternehmens arbeiten. Um Risiken zu reduzieren, sollen Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz bereits in die Entwicklung von betrieblichen Prozessen und Produkten integriert werden.
#explore: Warum legt die ISO 45001 so großes Gewicht auf die Beteiligung der Mitarbeiter an allen Arbeitsschutzprozessen?
Barbara Meyer: In den meisten Fällen ist menschliches Fehlverhalten die Ursache für Unfälle am Arbeitsplatz. Das belegt die Unfallforschung seit vielen Jahren. Etwa 90 Prozent der Unfälle in Betrieben haben verhaltens- und organisationsbedingte Gründe. Die Beteiligung der Beschäftigten an allen Aspekten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes kann daher die Wirksamkeit des entsprechenden Managementsystems deutlich verbessern. Die ISO 45001 will den verhaltensorientierten Arbeitsschutz in Unternehmen fördern. Das setzt in vielen Unternehmen einen Kulturwandel voraus, der Mitarbeiter zu mehr Eigenverantwortung und aktiver Mitarbeit motiviert. Vorbildverhalten der Führungskräfte, eindeutiges Engagement und die aktive Beteiligung aller Führungsebenen sind ebenfalls entscheidend. Arbeitsschutz ist Chefsache und muss als solche auch vorgelebt werden.
#explore: Wie können Unternehmen von der Umstellung profitieren?
Barbara Meyer: Die Umstellung auf die ISO 45001 ist natürlich mit einem gewissen Aufwand verbunden, der sich allerdings nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich lohnt. Weniger Störungen der Betriebsabläufe, geringere Unfall- und Krankheitsquoten und ein gesteigertes Sicherheitsbewusstsein senken die Kosten, erhöhen die Mitarbeiterzufriedenheit, schaffen Rechtssicherheit und führen so zu Wettbewerbsvorteilen. Die sogenannte High-Level-Struktur der Norm ermöglicht es Unternehmen zudem, verschiedene Aspekte wie Qualitäts-, Umwelt- und Energiemanagement mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz-Managementsystem zu kombinieren und daraus ein integriertes Managementsystem zu entwickeln.
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ZUR PERSON
© TÜV NORD
Barbara Meyer ist bei TÜV NORD CERT Leiterin Region Nord und Servicequalität für den Bereich Systemzertifizierung DACH.
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