08. Februar 2018
Wie halten es deutsche Unternehmen mit der IT-Sicherheit? Dieser Frage ist eine Studie von TÜViT auf den Grund gegangen. Hier heißt es: Vorsorge statt Nachsorge. Mögliche Sicherheitslücken bei Software, IT-Architektur oder vernetzten Geräten sollen bereits im Entwicklungsprozess gefunden und geschlossen werden.
Smarte Häuser, intelligente Heizungen, vernetzte Maschinen in der Fabrik und die Daten in der Cloud: Die Digitalisierung bietet Nutzern und Unternehmen ungeahnte Möglichkeiten. Aber auch Hackern öffnet die fortschreitende Vernetzung täglich neue Schlupflöcher und Angriffspunkte – wie nicht nur ein groß angelegter Cyberangriff auf Tausende Router der Telekom im Jahr 2016 beweist. Zwar reagieren Politik und Firmen zunehmend auf diese Herausforderung. „Doch viele Nutzer und Unternehmen betrachten IT-Sicherheit immer noch als notwendiges Übel“, konstatiert Dirk Kretzschmar, Geschäftsführer von TÜViT. Diese Einschätzung untermauert auch eine Studie, die von TÜViT in Auftrag gegeben wurde und an der über 100 Entscheidungsträger in verschiedenen Branchen teilgenommen haben. Für zwei Drittel der befragten Unternehmen sind die Produkt-Performance und eine schnelle Entwicklungszeit im Zweifelsfall wichtiger als die IT-Sicherheit.
„Viele Nutzer und Unternehmen betrachten IT-Sicherheit immer noch als notwendiges Übel.“
Das Bewusstsein für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters ist zwar durchaus vorhanden. So betrachtet ein Drittel der Befragten den steigenden Digitalisierungsgrad als größtes Risiko für die Sicherheit der eigenen IT. Doch oft fehlt es noch an Strategien, um dieses Risiko einzudämmen: Nur rund ein Drittel der Unternehmen hat beispielsweise ein ganzheitliches Sicherheitskonzept festgelegt. Nachbesserungsbedarf besteht häufig auch beim Budget, das die Firmen in die Sicherheit der eigenen IT-Systeme oder Produktionsprozesse investieren. Über die Hälfte steckt gerade mal bis zu sechs Prozent ihres Gesamtbudgets in die Sicherheit. Um gegen Hacker und Sicherheitslücken besser gefeit zu sein, sollten jedoch mindestens zehn Prozent in die Sicherheit fließen, empfehlen die Autoren der Studie.
Hartnäckig halten sich auch immer noch die Bedenken, IT-Sicherheit stehe der Innovation im Weg oder bremse sie aus. Einen möglichen Lösungsansatz stellt hier Security by Design dar. Die Idee hinter diesem Konzept: Vorsorge statt Nachsorge. Mögliche Sicherheitslücken bei Software, IT-Architektur oder vernetzten Geräten sollen bereits im Entwicklungsprozess gefunden und geschlossen werden. So waren die IT-Sicherheitsexperten von TÜViT beim Entwicklungsprozess für sogenannte Smart-Meter-Gateways von Anfang an dabei. Diese Kommunikationszentralen für den Heizungskeller übermitteln die Daten von Stromzählern an Energieversorger, damit diese die Stromproduktion an den aktuellen Bedarf anpassen können. Dabei sind die Experten in den gesamten Prozess – von der Erstellung des Schutzprofils über die Entwicklungsumgebung und die Fertigstellung bis hin zur Auslieferung der Geräte – eingebunden. Während die eine Abteilung das Schutzprofil erstellt, prüft also eine andere Abteilung, ob die Schutzmaßnahmen Cyberangriffen standhalten, indem sie sogenannte Penetrationstests durchführt.
„Die Transformation bestehender Unternehmensprozesse und IT-Architekturen ist ebenso wichtig, wie Security by Design.“
Security by Design spart Geld und Zeit, die nach der Markteinführung in die Behebung von Sicherheitslücken gesteckt werden muss. „Somit werden Produkte und Software sicherer, und die Herstellungs- sowie Wartungskosten reduzieren sich“, betont Dirk Kretzschmar. Dieses Bewusstsein beginnt sich in einigen Branchen durchzusetzen. Bei 43 Prozent der Unternehmen im Finanzwesen ist Security by Design bereits bekannt und im Einsatz. Bei den Energieversorgern sind es sogar 67 Prozent – was nicht zuletzt mit den hohen gesetzlichen Auflagen in diesen kritischen Bereichen zusammenhängt.
Dabei ist Security by Design natürlich kein Allheilmittel gegen sämtliche Gefahren der Digitalisierung. „Die Transformation bestehender Unternehmensprozesse und IT-Architekturen ist ebenso wichtig“, erklärt Kretzschmar. Neben der Weiterentwicklung des gesamten Unternehmens zu mehr technologiegestützten Prozessen und einem digitalen Kundenkontakt sind auch in Sachen IT-Sicherheit und Datenschutz vielfältige Aufgaben zu erledigen. Damit IT-Sicherheitskonzepte greifen, müssen neueste Technologien und Softwarelösungen eingeführt, ein grundlegendes Bewusstsein für IT-Sicherheit und Datenschutz in Schulungen und Trainings gefördert und weitere organisatorische Rahmenbedingungen wie beispielsweise ein Informationssicherheitsmanagementsystem (ISMS) etabliert werden. Auch müssten einige Firmen die Trennung von Office-IT und Produktions-IT stärker vorantreiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen sich im Zuge einer vernetzten Produktion neu ausrichtet. Denn der einfachste Weg für Hacker, um in ein Netzwerk einzudringen, ist immer noch der Internetzugang oder der Mail-Account der Mitarbeiter. Bislang hat nur rund ein Drittel der Firmen diese Trennung konsequent umgesetzt.
In Zukunft könnten auch Big-Data-Verfahren und künstliche Intelligenz dabei helfen, Schwachstellen im System frühzeitig zu erkennen und exakte Gegenmaßnahmen zu finden. 36 Prozent aller befragten Unternehmen rechnen damit, zukünftig über eine vollautomatische IT-Sicherheitsarchitektur zu verfügen. Menschliche IT-Sicherheitsexperten werden solche Verfahren jedoch auf lange Sicht nicht überflüssig machen, gibt Dirk Kretzschmar zu bedenken. „Zur Analyse haben solche Tools ihre Daseinsberechtigung, aber es braucht immer den Menschen, um die Daten zu interpretieren und über geeignete Gegenmaßnahmen zu entscheiden.“ Mit der Vernetzung vervielfältigen sich also nicht nur die Einfallstore für Hacker. Auch der Bedarf für IT-Sicherheitsexperten wächst, wie Kretzschmar ergänzt: „Wir werden zukünftig noch mehr Menschen benötigen, die genau diese Kompetenzen mitbringen.“
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ZUR PERSON
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Dirk Kretzschmar ist Geschäftsführer von TÜViT und Experte in Sachen Netzsicherheit.