21. Juli 2022
Das Trinkwasser ist in ganz Deutschland von guter Qualität. Dass es aber auch etwa in Kitas oder Schulen tatsächlich sauber und sicher aus dem Hahn kommt, dafür sorgt Melanie Wiegand von der TÜV NORD-Tochter DMT. Wie eine Trinkwasserprüfung abläuft und was man selbst für die Sicherheit des eigenen Trinkwassers tun kann, das erklärt die Biologin im Interview.
#explore: Trinkwasser gilt als das bestuntersuchte Lebensmittel. Stimmt das?
Melanie Wiegand: Das ist richtig. Schon der Wasserversorger hat sehr hohe Ansprüche und ist gesetzlich verpflichtet, Trinkwasser zu liefern, das unbedenklich ist. Die Verantwortung der Wasserversorger endet aber am Hausanschluss. Für die Hausinstallation ist jede Betreiberin und jeder Betreiber selbst verantwortlich. Zum Beispiel in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Ämtern muss in der Regel jedes Jahr das Trinkwasser untersucht werden. Sofern es dort zum Beispiel Duschen und eine sogenannte Großanlage zur Trinkwassererwärmung gibt, muss auch auf Legionellen im Warmwasser untersucht werden. Das sind Bakterien, die bei Wassertemperaturen von 25 bis 50 Grad besonders in stagnierendem Wasser sehr gut gedeihen – also zum Beispiel in kaum genutzten Wasserleitungen oder zu niedrig temperierten Warmwassererwärmern. Beim Duschen können große Mengen an Legionellen über Aerosole in die Lunge geraten. Mögliche Folge: die auch Legionellose genannte Legionärskrankheit, eine schwere Lungenentzündung.
Wie und wo kommen Sie und Ihre DMT-Kolleginnen und -Kollegen als Wasserprüferinnen und -prüfer ins Spiel?
Wir prüfen die Trinkwasser-Hausinstallationen in großen Industrie- und Gewerbegebäuden. Aber auch in Museen, Schulen und Kindertagesstätten – also in Gebäuden des öffentlichen Lebens. Das Wasser, das man dort explizit als Trinkwasser zur Verfügung stellt, muss den gesetzlichen Anforderungen genügen. Wir nehmen dort zunächst Wasserproben und untersuchen diese in unserem Labor.
Und was nehmen Sie im Labor genau unter die Lupe?
Unser Labor hat die Sicherheitsstufe 2. Das heißt, wir untersuchen Bakterien, die potenzielle Krankheitserreger sind. Die höchste Sicherheitsstufe ist 4. Wir untersuchen mit einem Partnerlabor auch chemische Parameter: zum Beispiel Blei. Das darf schon lange nicht mehr als Rohrmaterial verbaut werden, ist aber in manchen alten Installationen noch vorhanden.
„Das Wasser, das man dort explizit als Trinkwasser zur Verfügung stellt, muss den gesetzlichen Anforderungen genügen.“
Was machen Sie, wenn Sie etwas in der Hausinstallation entdecken?
Nicht jede Keimbelastung ist bedenklich: In einem Milliliter Wasser dürfen bis zu 100 verschiedene koloniebildende Keime enthalten sein. Die sind in der Regel unbedenklich, wenn es sich dabei nicht um spezifische Krankheitserreger im Sinne der Trinkwasserverordnung handelt. Wenn wir aber eine Legionellenbelastung ermitteln, führen unsere Sachverständigen Gefährdungsanalysen durch und machen konkrete Aussagen zur Ursache und Vorschläge zur Mängelbeseitigung. Nur durch die Analyse des Zusammenspiels zwischen Wasserchemie, physikalischen und hydraulischen Parametern sowie der mikrobiologischen Situation in der Trinkwasserinstallation kann eine dauerhafte Lösung des Problems erreicht werden. Wir begleiten und kontrollieren die Sanierungsmaßnahmen gutachterlich und laboranalytisch.
Was kann jede und jeder selbst für die Sicherheit des eigenen Trinkwassers tun?
Schon kleine Dinge helfen. Der Perlator, das kleine Sieb vorn am Wasserhahn, sollte jährlich gewechselt werden. Es hilft auch, das Sieb immer mal wieder abzuschrauben und in Essig einzulegen, um Kalk und Bakterien zu entfernen. Der Duschschlauch im Badezimmer sollte ebenfalls einmal im Jahr gewechselt werden. Und morgens sollte man nicht gleich das erste Wasser zum Trinken, Zähneputzen oder Kaffeekochen nehmen. Denn das Wasser stand mit Sicherheit mehr als vier Stunden in der Leitung. Ab dann spricht man von Stagnationswasser. Bakterien und Keime lieben das und vermehren sich.
Haben Sie auch Tipps für den Urlaub?
In meiner Urlaubsunterkunft drehe ich den Wasserhahn am Waschbecken auf und lasse erst das kalte und danach das heiße Wasser für einige Minuten laufen. Und dann schaue ich, wie die Wassertemperatur ist: Ist sie schön kalt und schön heiß, funktioniert die Installation. Das gilt im Übrigen auch für zu Hause: Wasser sollte mindestens 60 Grad heiß aus dem Warmwasserbereiter kommen, sonst ist das potenzielle Gesundheitsrisiko durch Legionellen deutlich erhöht. Kleiner Tipp für die Urlaubsplanung: Auf der Internetseite des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) kann man sich informieren, in welchen Hotels in beliebten Urlaubsregionen bereits Legionellen in Verbindung mit dem Ausbruch von Legionellose aufgetreten sind.
Was macht die Arbeit als Wasserprüferin für Sie so spannend?
Dass ich etwas greifen kann und nicht nur mit Daten in der Theorie arbeite. Ich habe bildlich vor mir, wie die Legionellen aussehen, wie viele es sind. Und ich kann die Gründe für die Belastung herausfinden. Dadurch haben wir hier bei DMT greifbares Wissen um sicheres Wasser und die Möglichkeit, durch unsere Arbeit Menschen zu schützen.
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In Folge 38 beschreibt Thomas Liebich vom TÜV NORD die Arbeit hinter Geruchsgutachten und wo sie zum Einsatz kommen.