24. Januar 2019
Das Rennen um das selbstfahrende Auto läuft weltweit auf Hochtouren. Ob Google, Uber, Tesla oder diverse internationale Autobauer und Zulieferer wie Bosch oder ZF: Alle wollen als Erster das Level 5 erreichen, die höchste Stufe des autonomen Fahrens. Was steckt hinter diesen Stufen, wie sie etwa der Verband der Automobilindustrie e. V. (VDA) definiert? Und auf welchem Level stehen die heutigen Serienfahrzeuge? Unser Beitrag gibt Aufschluss.
Level 1: Assistiertes Fahren
Fahrer beherrschen ständig ihr Fahrzeug.
© James Boast
- Fahrer müssen den Verkehr kontinuierlich im Blick behalten.
- Fahrer haften für Schäden und Verkehrsverstöße.
- Einzelne Assistenzsysteme unterstützen bei bestimmten Fahraufgaben.
In vielen Autos ist das assistierte Fahren schon heute Realität: Tempomaten fixieren die gewählte Geschwindigkeit, automatische Abstandsregeltempomaten regulieren den Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Wagen, automatische Spurhalteassistenten halten das Fahrzeug bei der Autobahnfahrt auf Kurs.
Level 2: Teilautomatisiertes Fahren
Fahrer beherrschen ständig ihr Fahrzeug.
- Fahrer müssen den Verkehr kontinuierlich im Blick behalten.
- Fahrer haften für Schäden und Verkehrsverstöße.
- Das Fahrzeug hält unter definierten Bedingungen die Spur, bremst und beschleunigt.
© James Boast
Beim teilautomatisierten Fahren kann der Pkw manche Aufgaben zeitweilig selbst ausführen, ohne dass der Mensch eingreifen muss. Ein Level-2-Fahrzeug kann etwa auf der Autobahn gleichzeitig die Spur halten und bremsen oder beschleunigen. Dazu werden verschiedene Einzelsysteme miteinander gekoppelt – beispielsweise der automatische Abstandsregeltempomat mit dem Spurhalte- und dem Notbremsassistenten. „In dieser Kopplung liegt ein wesentlicher Unterschied zum assistierten Fahren auf Level 1“, erklärt Katrin Leicht, Expertin für automatisiertes Fahren bei TÜV NORD. Auch ein Überhol- oder ein Parkassistent, der das Fahrzeug selbstständig in die Lücke manövriert, zählen zu Level 2. Während der Wagen im teilautomatisierten Modus unterwegs ist, dürfen Fahrer die Hände kurz vom Lenkrad nehmen. Sie müssen aber den Verkehr und die Assistenzsysteme stets im Blick behalten und tragen jederzeit die volle Verantwortung.
Level 3: Hochautomatisiertes Fahren
Fahrer dürfen sich vorübergehend von Fahraufgabe und Verkehr abwenden.
© James Boast
- In vordefinierten Anwendungsfällen fährt der Wagen selbstständig.
- Fahrer müssen nach einer Aufforderung durch das System kurzfristig übernehmen.
- Fahrer haften nur dann, wenn sie dieser Aufforderung nicht nachkommen.
Ein Level-3-Wagen kann bestimmte Fahraufgaben selbstständig und ohne menschlichen Eingriff bewältigen. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen, die der Hersteller vorher definiert hat – beispielsweise im Stau oder während der Fahrt auf der Autobahn. Hier werden hochautomatisierte Pkw voraussichtlich zuerst unterwegs sein. Schließlich gibt es auf Autobahnen weder Gegenverkehr noch komplexe Kreuzungssituationen, in denen auch andere Verkehrsteilnehmer wie Fahrradfahrer oder Fußgänger eine Rolle spielen. Zudem sind die Fahrbahnmarkierungen in der Regel in Ordnung und die Straßen durchgängig digital kartografiert.
Auf Level 3 dürfen sich Fahrer nach einer Novelle zum Straßenverkehrsgesetz von 2017 „vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugführung abwenden“, müssen dabei allerdings „derart wahrnehmungsbereit bleiben“, dass sie innerhalb eines bestimmten Zeitfensters das Steuer übernehmen können, wenn das System sie durch ein Signal dazu auffordert. Eine Blackbox zeichnet den automatisierten Fahrvorgang auf. So lässt sich rekonstruieren, ob etwa eine Geschwindigkeitsübertretung oder ein Unfall durch das System oder den Fahrer verursacht wurde. Letzterer haftet nur dann, wenn er selbst gerade steuert oder der Aufforderung des Fahrzeugs nicht rechtzeitig nachkommt.
Wie groß das Zeitfenster ist, in dem Fahrer wieder das Steuer übernehmen sollen, muss dabei noch regulativ bestimmt werden. Ebenso ist noch zu regeln, welchen Tätigkeiten sie während der hochautomatisierten Fahrt nachgehen dürfen – ob sie also Zeitung lesen, auf dem Smartphone surfen oder nur am Kaffee nippen und sich einmal nach den Kindern umdrehen dürfen, wie Expertin Leicht von TÜV NORD erklärt.
Level 4: Vollautomatisiertes Fahren
Fahrer können die Fahrzeugführung über längere Distanzen und in unterschiedlichen Verkehrssituationen abgeben.
- Das Fahrzeug bewältigt Fahrten auf bestimmten Strecken (z. B. Autobahn) völlig selbstständig.
- Das System kann seine Grenzen rechtzeitig erkennen, sodass es regelkonform einen sicheren Zustand erreichen kann.
- Fahrer müssen dennoch jederzeit fahrtüchtig sein und im Notfall oder in bestimmten Fahrsituationen das Steuer übernehmen.
- Fahrer haften während der vollautomatisierten Fahrt nicht für Verkehrsverstöße oder Schäden.
© James Boast
Auf Level 4 ist ein Pkw in der Lage, unterschiedliche Verkehrssituationen zu bewältigen und längere Distanzen ohne menschliches Zutun zurückzulegen. „Die Systemgrenzen sind also weiter ausgedehnt als auf Level 3“, erläutert Katrin Leicht. Der Wagen könnte demnach etwa auf die Autobahn auffahren und die komplette Autobahnfahrt alleine bewältigen. Das Fahrzeug verfügt dabei nicht nur über die nötige Sensortechnik, um sich umfassend auf unterschiedlichen Straßen und in verschiedenen Verkehrssituationen zu orientieren; es kommuniziert außerdem mit der Infrastruktur und anderen Fahrzeugen.
Die Systeme sollen dabei ihre Grenzen so verlässlich und rechtzeitig erkennen können, dass sie den Fahrer entweder mit frühzeitigem Vorlauf zur Übernahme auffordern oder das Fahrzeug in einen „sicheren Zustand“ bringen – also etwa einen Nothalt am Straßenrand einleiten. „Da das allerdings nicht auf allen Straßen oder in allen Verkehrssituationen möglich sein wird, bilden die Fahrer nach wie vor die Rückfallebene und müssen im Zweifelsfall das Steuer übernehmen können“, ergänzt Expertin Leicht. Deshalb müssen sie grundsätzlich fahrtüchtig bleiben und dürfen sich also nicht nach zwei Gläsern Rotwein hinters Steuer setzen.
Bislang gibt es allerdings keinen rechtlichen Rahmen für vollautomatisierte Fahrzeuge. Rechte und Pflichten der Fahrer in diesem Betriebsmodus sind deshalb nicht verbindlich. Daher ist auch noch nicht geklärt, ob sich Fahrer während der vollautomatisierten Fahrt nur zurücklehnen oder sogar ein Nickerchen machen dürfen, wenn sie wissen, dass sie die nächsten vier Stunden auf der Autobahn unterwegs sind. Eine weitere Herausforderung: Je öfter und länger das Fahrzeug selbstständig fährt, desto geringer die Routine der Fahrer. Zugleich müssen sie kurzfristig von Entspannung auf Konzentration umschalten können, um das Fahrzeug durch Gefahrensituationen zu steuern. „Deshalb kann es sinnvoll sein, Fahrer auf Level 4 speziellen Trainings zu unterziehen, wie sie etwa Piloten absolvieren“, empfiehlt Katrin Leicht.
Level 5: Autonomes Fahren
Es gibt nur noch Passagiere ohne Fahraufgabe.
- Die Technik im Auto bewältigt sämtliche Verkehrssituationen.
- Fahrten ohne Insassen sind möglich.
- Die Passagiere haften während der Fahrt nicht für Verkehrsverstöße oder Schäden.
© James Boast
Auf Level 5 sind Lenkrad und Gaspedal aus dem Fahrzeug verschwunden oder besitzen keine Notwendigkeit mehr, aus Autofahrern sind endgültig Passagiere geworden. Ein Führerschein wird also nicht mehr benötigt, und das Fahrzeug darf auch nach der Weihnachtsfeier genutzt werden. Bei einem Unfall haften dementsprechend die Hersteller oder die Betreiber eines autonomen Taxis.
„Auf rechtlicher Ebene müsste allerdings zunächst die Wiener Straßenverkehrskonvention angepasst werden, die aktuell fahrerloses Fahren untersagt“, erklärt Katrin Leicht von TÜV NORD. Generell gibt es bislang noch keinen rechtlichen Rahmen für autonome Fahrzeuge. Rechte und Pflichten der Hersteller oder Betreiber von Auto und Fahrsystem sowie Versicherungsaspekte sind deshalb bis dato völlig unklar.
ZUR PERSON
Katrin Leicht ist Maschinenbauingenieurin und Typprüferin für Fahrerassistenzsysteme am Institut für Fahrzeugtechnik und Mobilität (IFM) von TÜV NORD. Dort beschäftigt sie sich mit automatisiertem und vernetztem Fahren und arbeitet mit ihren Kollegen an Lösungen, wie solche Systeme sicher auf die Straßen entlassen werden können.
Podcast-Interview: Wo stehen wir beim automatisierten Fahren, Katrin Leicht?
Die Digitalisierung macht auch vor dem Auto nicht Halt und bereitet durch viele neue Funktionen die Ära des autonomen Fahrens vor.
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