18. April 2019
Zu Fuß, zu Pferd oder in der Kutsche – seit der Erfindung des Rads haben sich die Möglichkeiten der Menschheit, über Land zu reisen, 4.000 Jahre lang kaum entwickelt. Das ändert sich erst mit den Tüftlern und Erfindern im ausgehenden 19. Jahrhundert. Wo die Eisenbahn den Transport von Menschen und Waren im großen Stil erlaubt, krempelt der Verbrennungsmotor den Individualverkehr grundlegend um. Wie er erfunden wurde, wie er seinen Weg ins Auto fand und wie man den Risiken der rasanten Mobilitätsinnovation begegnete, erzählt unsere kurze Geschichte des Verbrennungsmotors.
An einem Tag im August 1888 staunen die Einwohner von Wiesloch, Bruchsal und Durlach nicht schlecht: Über die Straßen ihrer Städte rollt ein Gefährt mit drei Rädern, das an eine Kreuzung aus Kutsche und Fahrrad erinnert. Pferde sind allerdings weit und breit nicht zu sehen. Und die drei Fahrgäste, eine Frau und zwei Jugendliche, treten auch nicht in die Pedale. Das Vehikel fährt offenbar aus eigener Kraft – gesteuert über eine Kurbel, die die Frau in der Hand hält. Die Frau heißt Bertha Benz, die Teenager sind ihre Söhne Richard und Eugen, und das Fahrzeug ist der Benz Patent-Motorwagen Nummer 3.
Carl Benz, Berthas Ehemann, hat die erste Version des Fahrzeugs bereits 1886 patentieren lassen und im Juli desselben Jahres bei einer öffentlichen Probefahrt in Mannheim vorgeführt. „Es ist nicht zu bezweifeln, dass sich dieses Motoren-Velociped bald zahlreiche Freunde erwerben wird“, zeigt sich die Neue Badische Landeszeitung am 4. Juni 1886 euphorisch. Doch tatsächlich kann sich zunächst kaum ein Käufer für den „Benzinwagen“ erwärmen, und der wirtschaftliche Erfolg bleibt aus. Um ihrem Mann Mut zu machen und die Zeitgenossen von der Alltagstauglichkeit des Gefährts zu überzeugen, beschließt Bertha Benz, eine ausführliche Probefahrt zu machen – allerdings ohne ihren zögerlichen Gatten vorab zu informieren. In aller Frühe begibt sie sich mit ihren Söhnen auf die 104 Kilometer lange Strecke von Mannheim in ihre Geburtsstadt Pforzheim, die sie nach 12 Stunden und 57 Minuten wohlbehalten erreicht.
Ihre Tour gilt als erste Fernfahrt der Automobilgeschichte, an die heute die „Bertha Benz Memorial Route“ erinnert. Wie groß deren Werbewirkung damals ausfiel, darüber wird unter Forschern noch diskutiert. Fest steht: Danach geht es mit dem Benz Patent-Motorwagen wirtschaftlich langsam, aber sicher bergauf. Bis 1893 werden 69 Fahrzeuge verkauft, überwiegend in die USA, nach England und vor allem nach Frankreich, wo die ersten Auto-Enthusiasten dank guter Straßen nicht ganz so sehr durchgerüttelt werden. Zur Jahrhundertwende hat Benz & Cie. bereits 1.709 Exemplare des Motorwagens ausgeliefert. Die Zahl der Firmenmitarbeiter ist auf über 430 gestiegen und hat sich somit verzehnfacht.
© akg imagesWeder Pferd noch Pedale: Der Benz-Patent-Motorwagen Nummer 3 erstaunte 1888 mit seinem völlig neuartigen Antrieb.
Étienne Lenoir und das Hippomobile
Carl Benz ist der Erste, der ein funktionstüchtiges Automobil mit Verbrennungsmotor auf den Markt bringt. Doch die Entwicklung des Kraftwagens liegt im ausgehenden 19. Jahrhundert quasi in der Luft. Zahlreiche Ingenieure, Tüftler und Erfinder experimentieren mit Motortechnologien und bauen erste Dampfwagen, Elektroautos, aber auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Bereits 1863 fährt der belgische Erfinder Étienne Lenoir in seinem „Hippomobile“ neun Kilometer von Paris nach Joinville-le-Pont und zurück. Angetrieben wird es von Lenoirs Gasmotor und einem Treibstoff auf Terpentinbasis – und ist damit das erste Fahrzeug mit interner Verbrennung. Anders als bei der Dampfmaschine wird der Brennstoff also nicht außerhalb verbrannt und die dadurch entstehende Wärme in den Zylinder geleitet. Die Bewegungsenergie entsteht vielmehr durch explosionsartige Verbrennung im Inneren des Motors.
Über das Versuchsstadium kommt das Hippomobile jedoch nie hinaus: Sein Gewicht ist zu hoch, und sein Zweitaktmotor erreicht gerade mal 100 Umdrehungen pro Minute. Damit liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei rund sechs Stundenkilometern. Ein Tempo, mit dem selbst ein zackiger Wanderer beinahe mithalten kann. Benz’ Patent-Motorwagen bringt es mit seinem Viertaktmotor immerhin schon auf 400 Umdrehungen pro Minute und auf eine Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h. Stützen konnte Benz sich bei dessen Entwicklung auf die Vorarbeit von Nicolaus August Otto – der seinerseits auf dem Gasmotor von Lenoir aufbaute.
Nicolaus August Otto und der Viertaktmotor
Lenoirs 1859 patentierter Gasmotor gilt seinerzeit als veritable Sensation und als erste Alternative zur großen und schweren Dampfmaschine. Denn im Unterschied zu ihr muss er nicht mehr lange vorgeheizt werden, bevor er seine Arbeit aufnehmen kann. Versorgt mit Stadtgas aus der Leitung, treibt der leise Motor zum Beispiel Druckmaschinen oder Webstühle an. Allerdings benötigt er aufgrund seiner Konstruktionsweise eine sehr leistungsfähige Wasserkühlung und vor allem enorm viel Gas. Sein Wirkungsgrad liegt zwischen drei bis vier Prozent – er kann also nur einen sehr geringen Teil der im Treibstoff enthaltenen Energie in mechanische Bewegungsenergie umsetzen.
Nicolaus August Otto, Handlungsreisender und technischer Autodidakt, erfasst das Potenzial und die Grenzen dieser Maschine und macht sich daran, sie weiterzuentwickeln. 1861 lässt er einen Lenoir-Motor nachbauen und erkennt, dass er sich mit Spiritus besser betreiben lässt. Im selben Jahr reicht er mit seinem Bruder Wilhelm eine Patentschrift für einen Spiritusverdampfer ein. Sie begründen den Antrag mit der Unabhängigkeit von Verbrennungsmotoren vom Gasnetz und der Möglichkeit der Fortbewegung von Gefährten auf Landstraßen. Im folgenden Jahr beginnt er mit dem Viertaktmotor zu experimentieren, ein Prinzip, das der französische Techniker Alphonse Beau de Rochas im selben Jahr unabhängig von Otto theoretisch beschreibt und patentieren lässt. Ottos Idee besteht darin, das Gemisch aus Luft und Gas maximal zu verdichten. So kann man den Gasanteil reduzieren und damit den Verbrauch senken. Allerdings muss sich dabei der Kolben zweimal auf und ab bewegen, um einmal Arbeit zu verrichten.
In der Praxis bereitet Otto die kontrollierte Verbrennung jedoch noch Probleme, die Motoren werden bei den Versuchen zerstört. Zwölf Jahre, bis 1876, dauert es, bis der erste funktionsfähige Viertaktmotor in der Gasmotoren-Fabrik Deutz AG produziert wird. Er etabliert das Prinzip aus Ansaugen, Verdichten, Arbeiten und Ausstoßen, nach dem heute quasi jeder Verbrennungsmotor in Pkw oder Motorrad funktioniert: Im ersten Takt bewegt sich der Kolben nach unten und saugt durch ein Ventil eine Mischung aus Luft und Treibstoff in den Zylinder. Im zweiten Schritt fährt der Kolben nach oben, verdichtet das Gemisch und erwärmt es dabei. Im Moment der maximalen Verdichtung wird das Gemisch durch den Funken einer Zündkerze gezündet. Durch den Druck der Explosion wird der Kolben im eigentlichen Arbeitstakt sehr schnell nach unten gedrückt. Im vierten Arbeitsschritt schnellt der Kolben wieder hoch und drückt die verbrannten Gase durch ein Ventil aus dem Zylinder.
Daimler, Maybach und das Motor-Quadricycle
Zur Serienreife entwickelt wird der Motor von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach, die seit 1872 in der Deutz AG arbeiten. Der Motor wird ein großer Erfolg und verkauft sich bestens. Für den mobilen Einsatz ist er aber noch zu groß und zu schwer. Nach einem Zerwürfnis mit Otto verlässt Daimler Ende 1881 die Deutz AG und gründet in Cannstatt eine Versuchswerkstatt, in der bald auch Maybach mitarbeitet. Daimlers Ziel ist die Entwicklung kleiner, schnell laufender Verbrennungsmotoren, die Fahrzeuge zu Lande und zu Wasser antreiben können. Schon 1883 meldet er einen gemeinsam mit Maybach entwickelten, verbesserten Einzylinder-Viertaktmotor zum Patent an. Ihr „Gasmotor mit Glührohrzündung“ bringt es auf 1 PS bei 650 Umdrehungen pro Minute. Er ist klein, relativ leicht und wird mit Benzin betrieben: optimale Voraussetzungen für den Einsatz in einem Fahrzeug. 1885 bauen Daimler und Maybach mit dem sogenannten „Reitwagen“ den Vorläufer des Motorrads. Im Oktober 1886 setzen sie den Standuhr-Motor in eine Kutsche ein – das erste Automobil mit vier Rädern. 1889 feiert mit dem 1,5 PS starken „Motor-Quadricyle“, dem „Stahlradwagen“, ihr erstes komplett eigenständiges Fahrzeug auf der Pariser Weltausstellung Premiere. Elf Jahre später entwickeln sie für den österreichischen Geschäftsmann Emil Jellinek ein Auto, dessen Karosserie sich weitgehend vom bisherigen Kutschenprinzip verabschiedet und das es mit seinem 35-PS-Motor auf eine Höchstgeschwindigkeit von fast 90 Stundenkilometern bringt. Benannt ist das Auto nach Jellineks Tochter, die auf den Namen Mercedes hört.
Der Führerschein wird Pflicht
Jellinek kostet sein Mercedes rund 150.000 Mark. Kein Wunder also, dass Automobile zur Jahrhundertwende ein kostspieliges Vergnügen der oberen Zehntausend bleiben. Doch selbst wenn zunächst nur wenige Fahrzeuge über die Straßen knattern, sorgen sie immer öfter für Aufregung oder Unfälle. Am 10. März 1899 verkündet Frankreichs Präsident Émile François Loubet im Amtsblatt Journal officiel deshalb die erste Straßenverkehrsordnung der Welt und damit auch die Führerscheinpflicht. Immer öfter würden Automobile „Pferde aufschrecken, den Boden beschädigen oder schlicht zu viel Staub aufwirbeln“, begründet der Präsident die Entscheidung.
Bereits elf Jahre zuvor hat Carl Benz vom Großherzoglichen Badischen Bezirksamt den ersten Führerschein der Welt erhalten. Bis zu einer deutschlandweiten Führerscheinpflicht dauert es aber immer noch einige Jahre. In Preußen erfolgt die erste grundsätzliche Regelung der Prüfung von Kraftfahrzeugen und ihren Fahrern durch einen Ministerialerlass vom 29. September 1903. Betraut mit diesen Aufgaben werden die Ingenieure der Dampfkesselüberwachungsvereine (DÜV). Schließlich werden viele der frühen Fahrzeuge noch von Dampfmaschinen angetrieben, mit denen sich die Sachverständigen der DÜV bestens auskennen. Eine reichsweite Regelung zur Überprüfung von Fahrer und Fahrzeug steht allerdings noch aus – und wird von Jahr zu Jahr dringender. Denn die noch junge Technik ist störanfällig, und viele Fahrer kennen sich mit ihren Gefährten nicht aus.
© TÜV NORDLehrwerk für Prüfende von 1927.
Schon 1906/1907 verursachen 36.022 Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen eine Zahl von 145 Verkehrstoten. Das Risiko, einem Unfall zum Opfer zu fallen, ist im Verhältnis zur Anzahl der Automobile fast sechzig Mal so hoch wie im Jahr 2017. Der Staat muss reagieren. 1909 wird im „Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ die Sicherheit im motorisierten Straßenverkehr erstmals für das ganze Land geregelt. Die Verordnung legt unter anderem fest: „Die Kraftfahrzeuge müssen verkehrssicher und insbesondere so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein, dass Feuer- und Explosionsgefahr sowie jede vermeidbare Belästigung von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusche, Rauch, Dampf oder üble Gerüche ausgeschlossen ist.“ Amtlich anerkannte Sachverständige sind nun deutschlandweit dafür zuständig, die Sicherheit von Fahrer und Fahrzeug zu überprüfen – unter ihnen auch die Experten der DÜV. Sie können diese Aufgabe zuerst noch neben ihren sonstigen Prüftätigkeiten erledigen, denn: Im Vergleich zu den Dampfkesseln ist die Zahl der Autos und ihrer Fahrer immer noch verschwindend gering.
Vom Luxusgut zum Massenverkehrsmittel
Dass sich das bald ändert, daran hat Henry Ford einen nicht unwesentlichen Anteil. 1913 setzt der amerikanische Automagnat in seiner Fabrik in Highland Park, Michigan, erstmals Fließbänder ein und revolutioniert dadurch den Fertigungsprozess seines „Model T“. Mit den Produktionskosten sinken auch die Preise drastisch. Fords robuste und einfach zu reparierende „Tin Lizzy“ wird zum Bestseller und bis 1927 rund 15 Millionen Mal verkauft. Auch andere Autobauer lernen vom Ford-Prinzip und verabschieden sich von der handwerklichen Herstellung. In Paris rollen seit 1919 täglich 100 Citroën Typ A vom Band. In Deutschland eröffnet Opel 1924 in Rüsselsheim mit der Fließbandfertigung des „Laubfroschs“ das Zeitalter der industriellen Produktion.
Mit der Zahl der Autos wächst der Prüfbedarf. In den frühen 1920er-Jahren gründet deshalb der Norddeutsche DÜV eine eigene kraftfahrtechnische Abteilung, 1928 tut es ihm der DÜV Hannover gleich. Weil die Dampfkesselüberwachungsvereine mittlerweile auch bei Aufzügen und elektrischen Anlagen für Sicherheit sorgen, wird ihr Name 1938 geändert. Fortan kennt man sie als Technischen Überwachungsverein, also als TÜV.
Noch müssen Autos allerdings nur bei der Zulassung einmalig abgenommen werden. Viele Fuhrparkbesitzer wollen ihre Fahrzeuge dennoch regelmäßig von den externen Experten kontrollieren lassen. Wenn der Lkw auf der Fahrt liegen bleibt, kostet das schließlich bares Geld. Private Autofahrer haben zunächst kaum Interesse an freiwilligen Sicherheitschecks, obwohl Polizeikontrollen immer wieder zeigen, dass bei den meisten Fahrzeugen weder Bremsen noch Licht richtig funktionieren.
Der TÜV wird fällig
Nach dem Krieg mausert sich das Auto langsam, aber sicher zum Massentransportmittel und wird in der Wirtschaftswunderzeit zum rollenden Symbol wachsenden Wohlstands. Allein in München klettert der Autobestand zwischen 1950 und 1960 jährlich um 20 Prozent. Der VW Käfer und später der Messerschmitt Kabinenroller oder die BMW Isetta machen den fahrbaren Untersatz auch für Arbeiter und Angestellte erschwinglich. Höchste Zeit für den Staat, das Sicherheitsrisiko verkehrsuntüchtiger Automobile in den Griff zu bekommen. Ab 1951 verlangt die neue Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, jedes Fahrzeug nach der Erstzulassung alle zwei Jahre zu prüfen.
© TÜV NORDSeit 1951 müssen Fahrzeuge alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung vorfahren. Doch nicht alle hielten sich daran – vielleicht der Grund für die Leere in dieser Prüfstelle?
Verantwortlich für die regelmäßige Hauptuntersuchung sind die Technischen Überwachungsvereine und andere Organisationen, darunter der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungsverein (DEKRA). Um diese Aufgabe zu erfüllen, brauchen die TÜV-Ingenieure der Nachkriegszeit nicht nur viel Fachkenntnis, sondern auch eine Menge Improvisationstalent. Denn die vor dem Krieg gebauten technischen Prüfstellen sind noch zerstört oder zu klein für die wachsende Zahl der Automobile: Die Sachverständigen prüfen auf Bahnanlagen oder Bauhöfen und sogar auf den Parkplätzen von Gaststätten, wo sie sich gelegentlich mit betrunkenen und pöbelnden Fahrzeughaltern herumärgern müssen. Doch trotz der gesetzlichen Regelung erscheinen längst nicht alle Fahrzeuginhaber regelmäßig zur Hauptuntersuchung. Um den Säumigen auf die Sprünge zu helfen, wird deshalb am 1. Januar 1961 die Plakettenpflicht eingeführt. Und die Plakette trägt Früchte: Allein der Essener TÜV-Verein kontrolliert im Jahr 1965 auf insgesamt 24 Prüfanlagen 500.000 Kraftfahrzeuge.
© TÜV NORDWährend der Wirtschaftswunderzeit werden Autos zum Symbol für Wohlstand. Ein typischer Vertreter: der VW Käfer, hier in der TÜV-NORD-Niederlassung Bremen.© TÜV NORDAußen, innen, unten: In der Hauptuntersuchung werden Kraftfahrzeuge sorgfältig durchleuchtet.
Don’t drink and drive
Durch die flächendeckenden Kfz-Prüfungen werden die Fahrzeuge immer sicherer – das gilt aber nicht automatisch für deren Fahrer. Mit den Verkehrsteilnehmern steigt auch die Zahl der Unfalltoten jedes Jahr an. Trauriger Höhepunkt ist das Jahr 1970: Über 19.000 Menschen sterben im Straßenverkehr, etwa eine halbe Million werden verletzt. Auch im internationalen Vergleich ist der Straßenverkehr in Deutschland besonders gefährlich: Die Bundesrepublik hat eine ähnlich hohe Verkehrsdichte wie Großbritannien, aber es sterben doppelt so viele Menschen. Schuld daran sind meist die Autofahrer, die zu schnell, zu rücksichtslos und nicht selten alkoholisiert unterwegs sind.
© TÜV NORDDie Botschaft gilt bis heute: TÜV-NORD-Prüfanlage in Rendsburg, noch vor der Rechtschreibreform.
Schon frühzeitig versuchen die Technischen Überwachungsvereine, auch hier gegenzusteuern. Im Jahr 1955 entsteht beim TÜV Hannover ein erstes Medizinisch-Psychologisches Institut (MPI), das Gutachten über gefährliche Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer verfasst. Betroffen sind vor allem Autofahrer, die wegen Trunkenheit am Steuer aufgefallen waren. Bald darauf gründen TÜV Hamburg und TÜV Essen ebenfalls entsprechende Institute. Diese erstellen jedoch nicht nur Gutachten über potenziell gefährliche Fahrer, sondern helfen auch bei der Prävention: Der Leiter des Hannoveraner MPI Werner Winkler entwickelt in den 1970er-Jahren eine unter dem Namen LEER anschließend bundesweit anerkannte Nachschulung. Sie hilft Fahrzeughaltern, Autofahren und Alkoholkonsum zu trennen. Viele Verkehrssünder empfinden die Nachschulung und den sogenannten Idiotentest zunächst als staatliche Strafe – dabei sollen sie einfach nur dafür sorgen, dass Autofahrer so unfallfrei ihr Ziel erreichen wie bereits Bertha Benz vor 130 Jahren.
Das älteste zugelassene Auto Deutschlands
© TÜV NORD
Nur wenige Jahre nach dem Benz-Patent-Motorwagen tuckerte der Benz „Victoria“ zum ersten Mal über Deutschlands Straßen. Das 1894 erbaute Auto ist noch heute fahrtüchtig – und seit Mitte April sogar TÜV-geprüft. Prüfer Burghard Niemietz von TÜV NORD nahm den Oldtimer im niedersächsischen Einbeck unter die Lupe. Mit 6 PS und 29 km/h Höchstgeschwindigkeit bietet der historische Wagen zwar keinen Vergleich zu den Leistungen heutiger Pkw, doch Sicherheitsregeln gelten für alle Verkehrsteilnehmer. Deshalb gab Niemietz auch die spezielle Weisung, unter anderem Winkerkellen mitzunehmen. Sie dienen als Blinker, die zur Bauzeit des Wagens noch nicht vorgeschrieben waren. Für Victoria-Besitzer und Oldtimer-Sammler Karl-Heinz Rehkopf kein Problem. Hauptsache, das älteste zugelassene Auto Deutschlands darf raus auf die Straße.
Nichts mehr verpassen: Jetzt kostenlosen #explore-Newsletter abonnieren
Entdeckt, erklärt, erzählt - Der Podcast
Alle zwei Wochen eine neue Folge. Entdeckt, erklärt, erzählt ist der Podcast von #explore by TÜV NORD. In jeder Folge haben wir einen Gast, der uns spannende Einblicke in Zukunftsthemen und Trends gibt sowie Innovationen einordnet. Den Podcast gibt's auf allen gängigen Podcast-Apps - einfach kostenfrei abonnieren!