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CES 2020
CES 2020

Fenster zur Zukunft

16. Januar 2020

Jedes Jahr im Januar werden die einarmigen Banditen und Bühnen­shows in Las Vegas für vier Tage zur Neben­sache. Die Casino-Stadt steht dann ganz im Zeichen der Zukunft – Tech-Unter­nehmen, IT-Konzerne, Start-ups und immer mehr Auto­bauer präsentieren auf der Consumer Electronics Show (CES) ihre technologischen Innovationen. Welche Trends und Entwicklungen auf der dies­jährigen CES gesetzt und angestoßen wurden und was die Messe eigentlich so besonders macht, darüber sprechen wir mit Hartmut Abeln, Geschäfts­führer von TÜV NORD Mobilität.

#explore: Herr Abeln, Sie sind gerade von der CES in Las Vegas zurück­gekommen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends auf der dies­jährigen Messe?
Hartmut Abeln: Die CES ist ja eine Messe, die das gesamte Spektrum abdeckt: von Smart Home über Audio-Entertainment bis hin zu Auto­motive und Industrie. Und in sämtlichen Bereichen spielt Automatisierung durch Digitalisierung eine zentrale Rolle – also die Frage, wie sich Abläufe durch Automatisierung vereinfachen lassen. Sprach­steuerungen sind schon sehr weit entwickelt und werden über­all eingesetzt. Auch selbst­lernende Systeme finden sich mittler­weile in nahezu jeder Sparte. Im Auto­mobil­bereich sind autonomes Fahren, Sicher­heits­lösungen für vernetzte Fahr­zeuge und Elektro­mobilität die ganz großen Themen.

Was war für Sie die größte Überraschung?
Das war zunächst mal der Entwicklungs­stand von Google, Apple und Amazon, die mit ihren Angeboten in völlig neue Geschäfts­felder vorstoßen. Wenn man auf der CES durch die Automotive-Halle läuft, findet man dort neben klassischen Auto­mobil­herstellern und Zulieferern einen zwei­stöckigen Stand von Amazon Automotive, an dem das Unter­nehmen vollständige Soft­ware­lösungen und -platt­formen für die Steuerung selbst­fahrender Autos, Fuß­gänger­erkennung und Schadens­erkennung präsentiert. Die zweite große Über­raschung ist sicher, dass Sony ein selbst entwickeltes Elektro­auto zeigte. Auch dieses Unter­nehmen kennt man ja bislang nicht aus dem Auto­mobil­bereich. Bosch hat seiner­seits eine komplette Elektroauto-Plattform vor­gestellt, auf die man quasi nur noch eine Karosserie aufsetzen muss. Das soll Start-ups oder anderen Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, sehr schnell als Auto­mobil­hersteller auftreten zu können oder auf diesen Platt­formen eigene Geschäfts­ideen zu entwickeln. So etwas hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Die Digitalisierung eröffnet unheimlich viele neue Möglichkeiten: Sprach­steuerung, Bild­erkennung und die zugrunde liegenden Soft­ware­platt­formen werden künftig unter­schiedliche Bereiche wie etwa auch die Mobilität steuern. Hier haben die großen Tech­unter­nehmen enorme Kompetenzen aufgebaut, die bei den klassischen Anbietern heute in dieser Form nicht vorhanden sind. Und weil diese Firmen zudem über enorme Finanz­mittel verfügen, können sie in Felder vorstoßen, in denen sie vorher gar nicht präsent waren. Vor der CES war ich einige Tage in Silicon Valley und habe dort den Google-Campus besucht. Da arbeiten Aber­tausende Menschen mit allerhöchster Qualifizierung in völlig neuen Arbeits­umgebungen und sind dadurch eben unheimlich produktiv in der Entwicklung neuer Technologien. So etwas gibt es in Deutschland, aber auch andern­orts einfach nicht.

Was war Ihr persönliches Highlight?
Persönliches Highlight war für mich ohne Frage, dass ausgerechnet ein Fahr­zeug­scanner-System eines französischen Unter­nehmens den CES-Innovation Award gewonnen hat. Das zeigt, welche welt­weite Relevanz das Thema Fahr­zeug­bewertung bekommt, mit dem wir uns seit 150 Jahren auf unter­schiedlichen Ebenen intensiv beschäftigen. Das gibt uns auch einen Ausblick darauf, wie sich unsere eigene Arbeit entwickeln wird.

Und was war das größte Kuriosum?
In einer Smart Kitchen haben zwei Roboter Cocktails gemixt und Espresso zubereitet. Und zwar völlig selbst­ständig – vom Mahlen der Kaffee­bohnen bis zum Servieren des Espresso auf dem Tresen! Und weil es sich eben um Roboter handelte, waren der Anpress­druck und die Durch­lauf­zeit zu 100 Prozent optimal und der Espresso auf den Punkt. Das zu beobachten war wirklich kurios.

Von Haus aus ist die CES eine der welt­weit wichtigsten Messen für Unter­haltungs­elektronik. Seit einigen Jahren hat sie sich auch zum Pflicht­termin für die Auto­mobil­industrie gemausert. Was macht die CES für Auto­bauer so attraktiv?
Tatsächlich wächst der Automotive-Bereich auf der CES erheblich und wird nach meiner Einschätzung im nächsten Jahr einen noch deutlich größeren Raum einnehmen. Grund dafür ist die zunehmende Vernetzung des Autos mit allen Systemen des täglichen Lebens. Das Auto wird zukünftig das Smart­phone auf Rädern sein, wird vernetzt mit Sprach­erkennungs­systemen, dem eigenen Haus, der Energie­wirtschaft und anderen Verkehrs­teil­nehmern, weil es autonom fahren wird. Insofern macht es für die Auto­hersteller natürlich auch Sinn, sich in diesem Umfeld zu präsentieren, um sichtbar zu machen, dass diese Bereiche künftig zusammen­gehören. Entsprechend wird dort auch ein anderer Level an Fahr­zeugen vorgestellt: sehr zukunfts­orientiert, futuristisch im Design, teils ohne Lenkrad.

Viele Messen kämpfen mit Aussteller­schwund oder werden, wie die Cebit in Hannover, gleich ganz eingestellt. Die CES erfreut sich dagegen ungebrochener Beliebtheit. Wie erklären Sie sich das?
Andere Messen zeigen vor allem den aktuellen Stand der Technik. Der CES gelingt es, auf beispiel­lose Weise zukünftige Entwicklung darzustellen – und zwar ganz­heitlich durch alle Lebens­bereiche. Ich bin tatsächlich noch nie auf einer Messe gewesen, die einen derartigen Ausblick in die Zukunft gegeben hat. Wenn man sehen will, was heute noch Zukunft und morgen schon Realität ist, dann kann man das dort anfassen und erleben. Natürlich ist noch nicht alles fertig, was dort gezeigt wird. Und was sich davon tatsächlich durch­setzt, ist selbst­verständlich auch eine Frage von Akzeptanz und technischer Umsetz­barkeit. Aber es ist einfach hoch spannend, zu sehen, woran gearbeitet wird und was morgen auf uns zukommen könnte.

ZUR PERSON

Hartmut Abeln ist Geschäftsführer von TÜV NORD Mobilität und Mitglied der Konzern­geschäfts­leitung.