25. April 2019
In Frankreich, Spanien, Österreich und Skandinavien sausen E-Scooter bereits durch die Metropolen. Jetzt sollen die elektrifizierten Tretroller auch in Deutschland durchstarten dürfen. Das Bundeskabinett hat dazu Anfang April die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) beschlossen. Der Bundesrat muss noch zustimmen, was allerdings am 17. Mai geschehen könnte. Doch während die einen die Elektro-Roller als umweltfreundliche Alternative für die „letzte Meile“ feiern, warnen die anderen vor Unfällen und Chaos auf Radwegen und Bürgersteigen. Wer mit welchen Rollern künftig wo unterwegs sein darf und warum über die Zulassung der E-Scooter gestritten wird, klären wir in unserer Checkliste.
Wo darf man mit E-Scootern unterwegs sein?
Das hängt von der Höchstgeschwindigkeit des Elektro-Tretrollers ab. E-Scooter mit Leistungen zwischen 12 und 20 Kilometern pro Stunde dürfen laut Verordnung auf Radwegen oder Radfahrstreifen unterwegs sein. Nur wenn diese fehlen, darf die Fahrbahn genutzt werden. Wie für Fahrräder oder Mofas sind Schnellstraßen für die Scooter grundsätzlich tabu. Langsamere Roller, die weniger als 12 Kilometer pro Stunde erreichen, müssen auf Gehwegen oder gemeinsamen Geh- und Radwegen fahren. Gibt es diese nicht, dürfen sie innerhalb von Ortschaften auf die Straße ausweichen.
Welche technischen Voraussetzungen müssen die Roller erfüllen?
Verpflichtend sind zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen und eine Beleuchtung, die aber nicht festmontiert sein muss. Ebenfalls obligatorisch sind seitliche Reflektoren sowie eine „helltönende Glocke“ oder ein ähnliches Warnsignal. Steuerelemente des Motors wie Drehgriffe oder Knöpfe müssen eine Sekunde nach dem Loslassen automatisch in die Nullstellung zurückspringen. Die Standflächen der Roller sollten rutschfest sein. Anhänger sind nach dem aktuellen Stand ebenso verboten wie gemeinsame Fahrten auf dem Trittbrett mit Kindern oder anderen Erwachsenen.
Ab welchem Alter darf man elektrisch lossausen?
E-Roller mit einer Höchstgeschwindigkeit von 12 Stundenkilometern sind bereits für Jugendliche ab 12 Jahren erlaubt, ab 14 Jahren darf man auch mit den schnelleren Rollern losdüsen. Einen Helm oder Führerschein braucht man der Vorschrift zufolge nicht. Das Argument dahinter: Mit einem Rad kann man sogar flotter als 20 Stundenkilometer fahren, ohne dafür eine Führerscheinprüfung ablegen zu müssen. Kritisiert wird diese Regelung allerdings von der Deutschen Verkehrswacht (DVW) und dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Sie fordern ein Mindestalter von 15 Jahren sowie einen Mofa-Führerschein und empfehlen eine Helmnutzung ab einem Tempo von 6 Stundenkilometern.
Wie sind die Roller versichert?
Im Unterschied zum Fahrrad soll eine Haftpflichtversicherung samt Versicherungsaufkleber mit Anti-Fälschungs-Hologramm hinten am Fahrzeug für mehr Sicherheit sorgen. Doch auch hier regt sich bereits Widerstand. So sprach sich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gegen die Versicherungspflicht aus: Sie sei „ein bürokratisches Hindernis, das wir ablehnen“. Ein weiteres Problem der Versicherungspflicht: Selbst die zusammengeklappten E-Scooter darf man momentan noch nicht überall in Bus oder Bahn mitnehmen. Denn die Beförderungsbedingungen einiger Verkehrsunternehmen schließen die Mitnahme von versicherungspflichtigen Fahrzeugen aus. Laut der „Welt“ dürften die E-Scooter momentan etwa in den Zügen von NordWestBahn oder Meridian ebenso wenig transportiert werden wie in den Bussen und Bahnen von Flixbus. Eine Hürde, die den gewünschten Effekt der Elektro-Tretroller ausbremsen könnte. Schließlich sollen sie besonders Pendler dazu motivieren, ihr Auto stehen zu lassen und die „letzte Meile“ zwischen Wohnung, Bahn und Arbeitsstelle elektrisch rollend zurückzulegen. Ob und wie die Verkehrsunternehmen ihre Regelungen bis zur anvisierten Straßenzulassung im Frühsommer anpassen werden, ist aktuell noch offen.
Kommen die E-Scooter nicht zwangsläufig Fußgängern oder Radfahrern in die Quere?
Diese Frage wird besonders stark diskutiert. Für den hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) gehören auch die langsamen Scooter nicht auf Gehwege – eine Auffassung, die die Mehrheit der Deutschen teilt, wie eine repräsentative Umfrage von Spiegel Online ergab. Gegenwind kommt auch aus Bremen. „Konflikte mit Fußgängern sind auch angesichts der Geräuscharmut der E-Roller programmiert“, mahnt der Bremer Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne). Er brachte bei der Ministerkonferenz einen Beschlussvorschlag ein, der die Freigabe der Gehwege für die „Elektrokleinstfahrzeuge“ ablehnt. Die schon jetzt oft zu schmalen und holprigen Fahrradwege seien nicht vorbereitet für eine Welle neuer Elektrofahrzeuge, problematisiert auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) und warnt vor Unfällen und chaotischen Zuständen. In den USA sorgten die Elektro-Tretroller bereits für Ärger. Seit Ende 2017 mussten rund 1.500 Menschen wegen Verletzungen behandelt werden, die sie sich bei Unfällen mit E-Scootern zugezogen hatten, wie das Verbrauchermagazin „Consumer Reports“ ermittelt hat. Schuld an solchen Unfällen sind aber nicht nur überforderte, unvorsichtige oder rücksichtslose Fahrerinnen und Fahrer, sondern immer wieder auch technische Mängel an Leihscootern. Nach Stürzen wegen plötzlich blockierender Vorderbremsen in der Schweiz zog der Anbieter Lime sämtliche Scooter in Zürich und Basel vorübergehend aus dem Verkehr.
Wie können und sollen die E-Scooter Verkehr und Umwelt entlasten?
Rund 40 Prozent aller Autofahrten sind heute rund drei Kilometer lang, rechnen Scooter-Sharing-Anbieter wie Bird vor. Würden diese Wege künftig größtenteils mit den Elektro-Tretrollern zurückgelegt, könnte das den Verkehr und die Umwelt erheblich entlasten – so das große Versprechen der Unternehmen. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer betrachtet die Roller in Kombination mit Bus und Bahn als „echte zusätzliche Alternative zum Auto“ und attestiert ihnen „ein enormes Zukunftspotenzial“. Eine Position, die allerdings nicht rückhaltlos geteilt wird. Offen ist etwa noch, ob die E-Roller tatsächlich Autofahrer zum Umstieg motivieren oder ob sie vielmehr heutige Fußgänger oder Fahrradfahrer künftig zur Bequemlichkeit verführen, wie der Verkehrsexperte Andreas Schuster von der Umweltorganisation Green City vermutet. Denn wenn vor allem Fußgänger und Radfahrer auf die E-Roller umsteigen, bedeutet das weniger Bewegung für den Einzelnen, kaum Entlastung für den Straßenverkehr und mehr Energieverbrauch für Wege, die bislang mit Muskelkraft bewältigt wurden. Kritiker verweisen zudem auf den ökologischen Fußabdruck bei der Herstellung der kleinen Akkus und ihre vergleichsweise kurze Lebensdauer: Schon nach einem halben Jahr können sie ihre volle Leistungsfähigkeit verlieren. Die „Süddeutsche Zeitung“ bezeichnete die E-Roller deshalb als „Nespresso-Kapseln der Straße“ – eine so hippe wie praktische Umweltsünde in glänzender Optik.
Wie gehen andere Länder mit den Rollern um?
Angefangen hat der Scooter-Boom in den USA. Dort starteten 2017 die beiden weltweit größten Sharing-Anbieter Lime und Bird in San Francisco. Innerhalb kürzester Zeit verteilten sie Tausende E-Roller in der Stadt und breiteten sich von dort aus auch in anderen US-Metropolen aus. Bald lagen die Roller überall herum und wurden zu elektrifizierten Stolperfallen auf den Gehwegen. Einige Städte verhängten deshalb temporäre Verbote. Inzwischen wurde die Gesamtzahl der Scooter begrenzt, und nur noch ausgewählte Anbieter dürfen ihre Verleih-Stationen weiterhin betreiben. Auch spanische Großstädte haben nach einer wilden Anfangszeit die Regeln für die E-Roller erheblich verschärft. Nachdem eine 90-jährige Frau von einem Scooter angefahren wurde und an ihren Verletzungen starb, wurden die E-Roller in Madrid zwischenzeitlich vollständig von den Straßen verbannt. Mittlerweile sind die Scooter in den Verkehr in der spanischen Hauptstadt zurückgekehrt, dürfen aber nun nicht mehr auf Bürgersteigen, den meisten Straßen oder den Busspuren benutzt werden. Erlaubt sind sie nur noch auf Radwegen und zum Teil in Tempo-30-Zonen. Die Gesamtzahl der Miet-Tretroller wurde auf 10.000 und ihre Höchstgeschwindigkeit auf 25 Kilometer pro Stunde begrenzt.