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25. November 2020

In Asien gehören QR-Codes längst zum Alltag, hierzulande sind die schwarz-weiß gepixelten Grafiken lange nicht aus ihrer Nische herausgekommen. Mit der Corona-Krise hat die Popularität des QR-Codes nun auf globaler Ebene einen deutlichen Schub erhalten.

Masahiro Hara und sein Team hatten diesen Oktober guten Grund zu feiern: Die Entwickler der japanischen Firma Denso Wave wurden mit dem IEEE Milestone Award ausgezeichnet – für den globalen Einfluss des QR-Codes, den sie 1994 erfunden hatten. Der sollte damals dabei helfen, Bauteile in der Automobilproduktion von Toyota schneller zu identifizieren.

Der Clou der zweidimensionalen, maschinenlesbaren Etiketten: In ihren Pixelquadraten lassen sich rund 200-mal mehr Informationen speichern als in einem klassischen Strichcode. Die Dekodierung funktioniert aus vielen Blickwinkeln und auch dann meist verlässlich, wenn der QR-Code von Worten oder Bildern eingerahmt wird. Die Daten können sogar dann noch ausgelesen werden, wenn fast ein Drittel des Codebereichs verschmutzt und beschädigt ist. QR steht dabei für „quick response“, also für „schnelle Reaktion“. Bis die Technik sich global durchsetzte, sollte es dann aber deutlich länger dauern.

 

Ist das Code, oder kann das weg?

Mit dem Aufkommen des Smartphones verlässt der QR-Code die Produktionshallen und Lagerräume der Industrie und sickert in den Alltag der ersten Endverbraucher ein: Als direktester Draht, um die analoge Welt mit Informationen und Angeboten im World Wide Web zu verbinden, wird der QR-Code zum letzten Schrei. Wie in den Anfangstagen des WWW weltweit Webcams an Häusern und Bäumen wachsen, findet man QR-Codes bald gefühlt in jedem Nest und an jeder Milchkanne. Unter der Adresse, die der gescannte Code im Internet aufruft, wartet aber meist vor allem Ernüchterung: Viele Webseiten sind noch nicht für Smartphone-Displays optimiert, müssen umständlich von den Nutzern vergrößert werden und bieten ihnen auch dann oft nur einen überschaubaren Mehrwert. Im schlimmsten Fall wird man gar auf präparierte Seiten von Cyberkriminellen entführt: 2013 warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor überklebten QR-Codes auf Plakatwänden, die den Anwender auf unseriöse Webseiten führen könnten. Der letzte Schrei wird zumindest in Deutschland zum angegrauten Schnee von gestern, lässt bald nur noch die Augen in den Marketingabteilungen glänzen. Für die meisten Nutzer sind die Pixelquadrate auf den Werbeplakaten, Straßenlaternen oder in Anzeigen eine Art Op-Art im öffentlichen Raum: Muster ohne Wert, die man meistenteils ignoriert.

Asien auf Code

Anders in Asien, wo sich der QR-Code zunehmend im Alltag verankert: Wer in Japan oder in China über einen Friedhof spaziert, kann dort Grabsteine finden, auf denen ein QR-Code angebracht ist. Hält man sein Smartphone darüber, öffnet sich eine Webseite, auf der man mehr über das Leben des Verstorbenen erfährt. Die Pixelquadrate finden sich in Japan auf fast jedem Werbeplakat. Und auch die japanischen Behörden setzen darauf: In der Stadt Iruma wurden älteren Menschen Mini-Aufkleber mit QR-Codes auf Hand- oder Fußnägel geklebt, in denen eine individuelle Identitätsnummer eingespeichert ist. So kann die Polizei verirrte Menschen einfacher identifizieren. Die Einwanderungsbehörde nutzt den QR-Code mit verschlüsselten Daten für das Visum, das bei der Einreise in den Reisepass geklebt wird. Im benachbarten China hat der QR-Code zwischenzeitlich das Bezahlen revolutioniert. Mehr als 80 Prozent aller chinesischen Smartphone-Nutzer verwenden laut einer Studie der Analysefirma eMarketer ihr Handy, um damit an der Ladenkasse zu zahlen. Alipay und WeChat Pay, die beiden größten Anbieter von mobilen Zahlungen, setzen dabei auf die QR-Code-Technologie.

Die wesentliche Voraussetzung für die wachsende Beliebtheit der QR-Codes: Ihre Anwendung ist in den vergangenen Jahren einfacher geworden. Lange brauchte man spezielle Apps, um die Codes entschlüsseln zu können. Nun genügt es, die Smartphone-Kamera auf die Quadrate zu halten. Und dank schnellerem und stabilerem mobilem Internet nagt der Ladevorgang auch nicht länger am Geduldsfaden.

Nur scannen, nicht anfassen

Die Krise um Covid-19 hat den QR-Code auch global gesehen in die Breite gebracht. Seit dem Ausbruch der Pandemie sei die Nutzung weltweit um 600 Prozent gestiegen, will das Marketingmagazin Invidis wissen. Fest steht: Neben der Videotelefonie hat wohl keine andere Technologie in diesem Jahr einen solchen Schub erlebt wie der QR-Code. Und das nicht von ungefähr: In Zeiten von Kontaktverbot und Abstandsregeln entpuppt sich der QR-Code als optimales berührungsloses Medium. Die Code-Quadrate erlauben den Menschen, mit der Welt um sie herum zu interagieren, während sie nur das Touchpad ihres eigenen Smartphones anfassen. Statt im Restaurant die Speisekarte in die Hand zu nehmen, lässt sich das Menü einfach über einen QR-Code aufrufen. Mittels Anwendungen wie ToastTab können Gäste zusätzlich auch gleich ihre Bestellung aufgeben, bezahlen und den Kellnern Trinkgeld geben.

PayPal hat die Corona-Krise zum Anlass genommen, das bargeldlose Bezahlen via QR-Code weltweit anzuschieben. In den USA kann man seit Mitte November in den mehr als 8.000 Filialen der Drogeriekette CVS auf diese Weise kontaktlos bezahlen. Neben den großen Ketten will PayPal aber gerade auch kleine und kleinste Betriebe für das kontaktlose Bezahlen gewinnen. Seit Mai können in Deutschland Händler und Gastronomen einen QR-Code aushängen und darüber das Geld ihrer Kunden empfangen. Besonders Bäcker, Blumenläden, Kioske oder Händler auf Wochenmärkten könnten stark von der QR-Code-Technik profitieren, ist PayPal überzeugt. Für diese kleinen Betriebe sei es oft zu teuer, extra ein NFC-Gerät anzuschaffen, über das Kunden kontaktlos bezahlen können.

Kennwort: QR-Code

Auch zur Kontaktrückverfolgung wird der Code immer häufiger eingesetzt. In Taiwan registriert man sich vom Büro bis zur Bar mittels QR-Code. Wer in Moskau ab Mitternacht Klubs, Bars oder Restaurants besucht, muss an der Tür einen solchen Code scannen und wird dann weitergeleitet – entweder zu einer staatlichen App oder zur Eingabe seiner Telefonnummer. Die Behörden der russischen Hauptstadt wissen also, wer wann welchen Klub besucht hat. Verpflichtend sind die Codes bislang zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens. McDonald‘s hat unlängst bekannt gegeben, das System auf freiwilliger Basis auch tagsüber in allen Moskauer Filialen einzuführen. Weitere Fast-Food-Ketten wie Teremok oder Chaihona wollen ihrerseits diese Anti-Corona-Maßnahme übernehmen. Und hoffen, so eine drohende Schließung ihrer Filialen zu verhindern.

Vor dem „Lockdown light“ konnte man auch in deutschen Städten in immer mehr Lokalen seine Kontaktdaten über das Smartphone hinterlassen. In Wesel am Niederrhein bieten mehrere Gaststätten die QR-Code-Alternative zur Zettelwirtschaft an. Anders als in Russland gehen die Daten dabei aber nicht direkt an die Behörden. Nach Angaben der Entwicklerfirma aus Wesel werden sie gemäß der Datenschutz-Grundverordnung sicher auf einem Server in Deutschland gespeichert und nur im Bedarfsfall an das Gesundheitsamt übermittelt. Studenten der Hochschule Merseburg können sich ebenfalls beim Besuch von Vorlesungen mit dem QR-Code registrieren.

Mehr und mehr staatliche Stellen integrieren die viereckigen Felder in ihre Corona-Maßnahmen: In Deutschland können Covid-19-Erkrankte ihr positives Testergebnis in der Corona-Warn-App eingeben, um auf diese Weise Kontaktpersonen zu warnen. Wer nach Griechenland  oder Spanien  einreisen möchte, muss sich vorab online registrieren und detaillierte Angaben über die geplante Reisedauer, die Abflughäfen und den Aufenthalt machen. Anschließend bekommt man einen QR-Code, der bei der Einreise vorgezeigt werden muss. Kann man in Griechenland keinen Code vorweisen, drohen empfindliche Geldstrafen. Bei der Einreise in Spanien gibt es Temperaturmessungen, und nach den Infos des QR-Codes wird entschieden, ob vorsichtshalber ein Corona-Test angeordnet wird.

Pandemie macht erfinderisch

Hierzulande machen die Kontaktbeschränkungen natürlich nicht nur der Gastronomie, den Fitnessstudios und Kulturstätten zu schaffen. Aus Corona-Gründen geht zum Beispiel auch die Caritas Paderborn bei der Spendensammlung in diesem Jahr digitale Wege. Statt wie üblich in der Vorweihnachtszeit an den Haustüren zu klingen, werden Ehrenamtliche in 53 Gemeinden Postkarten mit aufgedruckten QR-Codes verteilen. Wer den Code mit dem Smartphone scannt, gelangt auf eine Spendenseite. Man wolle es Spendern so einfach wie möglich machen, karitative Projekte vor Ort zu fördern, so der katholische Sozialverband.

Da diesen November auch die Martinsumzüge pandemiebedingt ausfallen mussten, hatte sich die evangelische Kirchengemeinde des rheinland-pfälzischen Dörfchens Nieder-Wiesen eine Alternative einfallen lassen: Um den Martinstag konnte man auf der ursprünglichen Route an vier Stationen sein Smartphone zücken und einen QR-Code scannen. Zu hören gab es Geschichten und Lieder rund um den hilfsbereiten Heiligen, eingesungen von den Kindern des Kindergartens „Schlaue Füchse“.

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