10. Januar 2019
Wenn Roboter in der Industrie zum Einsatz kommen, sind ihre Aufgaben und Tätigkeitsbereiche meist strikt von denen menschlicher Arbeitskräfte getrennt. Doch immer häufiger kommen die Roboter aus ihren Sicherheitskäfigen heraus. Sogenannte Cobots sollen Hand in Hand mit ihren menschlichen Kollegen zusammenarbeiten und auch in kleinen und mittelständischen Betrieben die Produktion unterstützen.
Arbeiten Menschen und Roboter heute in derselben Fabrik, bekommen sie einander selten zu Gesicht. Denn die Roboter werkeln meist alleine in separaten Sicherheitsbereichen vor sich hin. Künftig könnte das kollegiale Verhältnis von Mensch und Maschine gestärkt werden: Sogenannte Cobots sollen sich problemlos in bestehende Arbeitsplätze integrieren und Hand in Hand mit ihren menschlichen Kollegen zusammenarbeiten. Während der Cobot sich etwa um simple Routinetätigkeiten kümmert, kann sich der Arbeiter anspruchsvolleren Aufgaben widmen. Oder der Cobot steht ganz direkt unterstützend zur Seite, indem er eine Maschine entlädt, Bauteile anreicht oder festhält, während der Mensch daran arbeitet.
Tatsächlich ist die Idee nicht ganz neu. Die ersten kollegialen Roboter wurden bereits 1996 von zwei Professoren der US-amerikanischen Northwestern University entwickelt. Der deutsche Roboter-Pionier KUKA verkaufte 2004 die ersten Cobots. Im US-Werk von BMW in Spartanburg steht seit 2013 ein kooperativer Roboter mit am Band. Mittlerweile sind bei dem Autobauer über 40 Leichtbauroboter im Einsatz und nehmen den Mitarbeitenden körperlich anstrengende oder repetitive Aufgaben ab, die auch nach dem zigtausendsten Mal mit gleichbleibender Präzision ausgeführt werden müssen.
Raus aus dem Sicherheitskäfig
Geht es nach den Vorstellungen von Roboterherstellern wie Universal Robots, Festo oder Omron, werden die kollaborativen Maschinen künftig auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen verstärkt Einzug halten. Klassische Industrieroboter sind für diese meist ebenso unerschwinglich wie unrentabel. Schließlich kosten sie in der Anschaffung viel Geld, benötigen durch ihre Sicherheitszäune viel Platz und müssen oft über mehrere Wochen von Spezialisten eingerichtet und programmiert werden. Die kleineren Cobots sind dagegen nicht nur deutlich günstiger im Einkauf, sondern lassen sich auch flexibel in bestehende Produktionsketten integrieren und etwa über eine App auf dem Tablet sogar von Laien schnell und unkompliziert bedienen. Da die Leichtbauroboter problemlos Arbeitsumgebung und Einsatzgebiet wechseln können, sind sie außerdem ebenfalls deutlich besser für kleinere Unternehmen geeignet, die generell in geringeren Stückzahlen produzieren und immer wieder ihre Herstellungsketten umbauen müssen, wenn auf dem Verbrauchermarkt andere Produkte gefragt sind.
Auch Großunternehmen profitieren von der höheren Flexibilität der Cobots.
Aber auch Großunternehmen profitieren von der höheren Flexibilität der Cobots. Automobilhersteller beispielsweise bieten ihre Fahrzeuge heute in rund doppelt so vielen Baureihen an als noch vor 20 Jahren – und jede Baureihe in verschiedenen Ausfertigungen. Somit müssen Produktionsanlagen sehr schnell von einem Modell auf ein anderes umgestellt werden. Die Sicherheitszäune klassischer Industrieroboter seien hier im Weg, sagt Dr. Markus Klaiber vom Greiferhersteller Schunk gegenüber Golem.de.
Sensible Greifer
Doch wenn Mensch und Maschine kooperieren, muss natürlich sichergestellt werden, dass der Roboter seinen naturgemäß dünnhäutigeren Kollegen nicht die Finger abklemmt oder sie anderweitig verletzt. Die Hersteller der Cobots setzen deshalb auf glatte Oberflächen ohne Ecken und Kanten. Weil die menschlichen Mitarbeiter am ehesten mit dem Greifer des Roboters in Kontakt kommen, besteht hier grundsätzlich die größte Verletzungsgefahr. Der Greifsystemfertiger Schunk hat seinen Greifer namens Co-act JL1 deshalb etwa mit Kameras und Sensoren ausgestattet. Eine intelligente Software wertet deren Daten aus und stoppt den Greifer oder lenkt ihn um, wenn ein Mensch ihm zu nahe kommt.
Das schwäbische Unternehmen Festo verfolgt eine andere Strategie. Der BionicCobot wird über Luftdruck betrieben, und im Fall einer Kollision gibt der pneumatische Arm automatisch nach. Auch der von Festo entwickelte OctopusGripper ist so gebaut, dass keine Verletzungsgefahr besteht: Der vom Tentakel des gleichnamigen Kopffüßers inspirierte Greifer besteht aus weichem Silikon und wird ebenfalls mit Luft betrieben. So kann er seinem menschlichen Mitarbeitenden Gegenstände anreichen, ohne dass dieser um seine Hand fürchten muss.
Die Berührungsängste gegenüber elektronischen Kollegen sind hierzulande ohnehin gering, wie eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact im Auftrag von Bosch ergab. 50 Prozent der Befragten können sich vorstellen, mit einem Roboter zusammenzuarbeiten, wenn dieser Routineaufgaben übernähme.