Personalentwicklung
Lernen unter Druck, Prüfung bestanden, alles wieder vergessen – dieses Phänomen kennen viele aus Schul- oder Studienzeiten. Leider ist es auch in der beruflichen Weiterbildung weit verbreitet. Dabei geht es deutlich nachhaltiger.
Wenn Lernende die Selbstwirksamkeit im Lernprozess erfahren und der Sinn des Lernens im Vordergrund steht, zahlt sich Weiterbildung für alle Beteiligten aus. Digitale Medien eröffnen neue Möglichkeiten, selbstgesteuertes Lernen in Unternehmen zu verankern.
Wir haben uns mit Learning & Development-Expertin Nina Schwarting darüber unterhalten,
Warum selbstgesteuertes Lernen? - die Vorteile
Lebenslanges Lernen ist in der modernen Arbeitswelt unverzichtbar, damit Unternehmen und Arbeitnehmende wettbewerbsfähig bleiben. Vor allem der rasante Fortschritt der technologischen Entwicklung und speziell die Digitalisierung verlangen, sich regelmäßig neue Fähigkeiten anzueignen und vorhandene auf den aktuellen Stand zu bringen.
Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen? – Definition
Selbstgesteuertes Lernen beziehungsweise selbstorganisiertes oder selbstreguliertes Lernen bedeutet, dass Lernende ihren Lernprozess eigenständig planen, durchführen und reflektieren. Sie bestimmen selbst, was, wann und wie sie lernen. Unterstützung erfahren sie bei selbstgesteuertem Lernen in Unternehmen von Führungskräften, die Mitarbeiter:innen begleiten und leiten.
Selbstgesteuertes Lernen hat in diesem Zusammenhang viele Vorteile:
Selbstgesteuertes Lernen verbessert nicht nur die Anpassungsfähigkeit an eine sich rasant verändernde Arbeitswelt. Sie unterstützt auch die persönliche Entwicklung, befähigt, aktiv und reflektiert zu handeln, und fördert die demokratische Teilhabe.
Allerdings, so betont Nina Schwarting, reiche es nicht, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden nur Lernplattformen mit Inhalten zur Verfügung stellen. Denn häufig könnten Lernende ein solches Angebot nicht sinnvoll nutzen. „Für erfolgreiches selbstgesteuertes Lernen ist ein anderes Mindset nötig, als wir es aus der Schulzeit kennen.“
Wie schaffen Unternehmen nun gute Voraussetzungen für nachhaltig wirksames selbstgesteuertes Lernen, das sich nicht in ziellosem Durchstöbern von Lernplattformen erschöpft?
Die folgenden Maßnahmen sieht Nina Schwarting als besonders wichtig an.
Zu Beginn jeder Weiterbildungsmaßnahme sei es entscheidend, die Selbstlernkompetenz im Unternehmen zu überprüfen. Welche Weiterbildungsangebote gab es bisher, wie haben sich Mitarbeitende neues Wissen und neue Kompetenzen angeeignet? Wie vertraut ist ihnen Weiterbildung in Eigenverantwortung?
„Manche Mitarbeitende in Learning & Development-Abteilungen verstecken sich gerne in der Rolle des Trainingsanbieters. Dabei ist es entscheidend, in die Organisation zu gehen und sich anzusehen: Welche Probleme haben wir heute oder vielleicht auch morgen? Wo fehlen uns Skills und wo können wir zusammen mit den Fachbereichen Angebote entwickeln, um Innovationen voranzutreiben und zukunftsfähig zu sein?“
Auch intrinsische Motivation muss gefördert werden – am besten, indem Unternehmen den Sinn und das Potenzial von Weiterbildungsmöglichkeiten überzeugend kommunizieren. Veränderung bedeute immer, sich aus der eigenen Komfortzone zu bewegen, und dafür brauchen Menschen gute Gründe, betont Nina Schwarting. Eine erfolgreiche Top-Down-Kommunikation bedeute, dass das Topmanagement als Vorbild vorangeht. „Lernen wird durch Haltung kommuniziert.“
Digitale Plattformen oder Apps schaffen optimale Voraussetzungen für selbstgesteuertes Lernen, denn mit ihrer Hilfe können Lernende unabhängig von Ort und Zeit auf Inhalte zugreifen, beispielsweise auf Videos in einer Bibliothek. Außerdem lässt sich das Lernen in die Arbeit integrieren und wird so ein Teil derselben.
Allerdings empfiehlt Nina Schwarting, bei der Auswahl die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen im Blick zu behalten. Außerdem seien digitale Angebote allein kein Allheilmittel. „Weiterbildung hat viele Facetten, zum Beispiel soziales Lernen oder die direkte Umsetzung beziehungsweise Transfer Learning.“
KMU haben oft begrenzte Mittel zur Verfügung, um in eigene E-Learning-Plattformen zu investieren. Sie können zum Beispiel verstärkt auf Peer-Learning zurückgreifen. Beim Mentoring lernen jüngere von erfahrenen Kolleg:innen, beim Reverse Mentoring läuft der Prozess umgekehrt ab: Hier vermitteln junge und neue Mitarbeitende älteren Kolleg:innen zum Beispiel digitale Skills.
In jedem Fall gilt: Theorie und Praxis sollten immer Hand in Hand gehen.
Die größte Gefahr bei selbstgesteuertem Lernen sieht Nina Schwarting darin, dass Lernende neues Wissen nicht anwenden. „Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass 90 Prozent des Gelernten eine Woche nach einem Training wieder vergessen wird, wenn es nicht zur Anwendung kommt. Unternehmen geben manchmal viel Geld für Lernplattformen aus, achten aber nicht darauf, dass Mitarbeitende Inhalte umsetzen können.“ Deshalb sei es so wichtig, sich nicht auf den passiven Konsum von Inhalten auf Lernplattformen zu beschränken, sondern Möglichkeiten des Lerntransfers zu schaffen.
In der Praxis könnte das so aussehen:
Selbstgesteuertes Lernen umzusetzen, bedeutet auch für viele Verantwortliche in Unternehmen, sich aus ihrer Komfortzone zu bewegen. Statt Mitarbeitenden eine Excel-Liste mit Seminarangeboten vorzulegen, heißt es, aktuelle Bedarfe zu ermitteln, in engen Austausch mit operativen Abteilungen zu gehen und Selbstlernangebote zu etablieren sowie zu kommunizieren, die die Weiterbildung von einzelnen Personen und Organisationen fördern. Dabei unterstützen heute smarte Lernassistenten (Bots), die KI-gesteuerte individuelle Lernpfade ermöglichen.
Probieren Sie es gleich einmal selbst aus, zum Beispiel mit folgendem Prompt in einer gängigen KI-Anwendung: „Ich bin Mitarbeiterin in [Branche oder Bereich, z. B. ‚Verwaltung‘, ‚Marketing‘, ‚Pflege‘] und möchte mich beruflich weiterentwickeln. Welche Weiterbildungen oder Lerninhalte passen zu meinen Zielen, wenn ich [konkretes Ziel, z. B. ‚mehr Verantwortung übernehmen‘, ‚in Richtung Führung gehen‘ oder ‚digitale Kompetenzen aufbauen‘] will?“
Berufliche Weiterbildung hat viele Gesichter und trägt maßgeblich zum Erfolg der Mitarbeitenden sowie des ganzen Unternehmens bei. In unserem Blog "Wissen kompakt" lesen Sie Fachbeiträge zu aktuellen Fragestellungen, die jetzt und in der Zukunft Ihre Arbeitswelt bestimmen.
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