Stromspeicher
Können Druckluftspeicher eine Rolle in der Energiewende spielen?
04. September 2025
Batterien, Pumpspeicherkraftwerke oder Wasserstoffspeicher gelten heute und in Zukunft als die Mittel der Wahl, um erneuerbaren Strom aufzubewahren – zur Stabilisierung der Stromnetze, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. China jedoch hat eine alte Technologie für sich wiederentdeckt: Druckluftspeicher. Über den neuen Rückenwind für eine fast ausgediente Speichermöglichkeit.
Zahllose Knöpfe, Drehregler, blinkende Lämpchen, Messgeräte: Wer zum ersten Mal den Kontrollraum des Druckluftspeichers Huntorf betritt, fühlt sich wie auf die Brücke des Raumschiffs Enterprise gebeamt. Zurück ins Jahr 1968, als Captain Kirk und Mr. Spock erstmals aufbrachen, um die unendlichen Weiten des Weltraums zu erkunden. Tatsächlich ist das niedersächsische Druckluftspeicherkraftwerk zehn Jahre jünger als der Serienklassiker: Im Jahr 1978 ging es ans Netz und speichert seitdem Strom in 650 Metern Tiefe.
Wenn an den Strombörsen die Preise fallen, starten in Huntorf große Kompressoren. Sie saugen Außenluft an, verdichten sie und pressen sie in unterirdische Kavernen, gewaltige Hohlräume im Untergrund: 150 Meter hoch und 60 Meter breit sind die zwei Kavernen unter dem Kraftwerk, die aus einem Salzstock ausgespült wurden. Zusammen kommen sie auf ein Volumen von etwa 310.000 Kubikmetern – das Fassungsvermögen von über 1,7 Millionen Badewannen. Wenn wieder mehr Elektrizität benötigt wird und die Strompreise steigen, wird die in den Kavernen komprimierte Luft freigesetzt und auf Turbinen geleitet, die wiederum einen Generator antreiben, der Strom erzeugt.
Ursprünglich gebaut wurde das Speicherkraftwerk, um nachts Überschüsse etwa aus dem benachbarten Kernkraftwerk Unterweser aufzunehmen. In Zeiten der Energiewende wäre ein solcher Speicher vor allem interessant, um überschüssigen Wind- und Sonnenstrom aufzubewahren. Und tatsächlich haben Druckluftspeicher hier grundsätzlich einiges zu bieten: Wie in Pumpspeicherkraftwerken kann man in ihnen große Mengen Energie verlustfrei auch über längere Zeit verstauen. Und während Pumpspeicher Gefälle erfordern, kann man Druckluftspeicher auch im Flachland bauen – vorausgesetzt, die geologischen Bedingungen im Untergrund stimmen: Geeignete Salzkavernen gibt es hierzulande im Norden, in Bayern und in einem breiten Streifen von Hessen bis Brandenburg. Grundsätzlich genug, um über 90 Prozent des jährlichen Jahresenergiebedarfs in Deutschland zu decken, wie Forschende der Universität Heidelberg errechnet haben.
Dass Huntorf bis heute das einzige Druckluftspeicherkraftwerk in Deutschland geblieben ist und außer ihm weltweit über Jahrzehnte hinweg nur eine einzige weitere große Anlage in den USA betrieben wurde, hat maßgeblich mit den physikalischen Nebenwirkungen des Speicherverfahrens zu tun: Wenn man Luft zusammenpresst, erhitzt sie sich, wie man es etwa an einer Luftpumpe beobachten kann. Weil die Luft in den Kavernen aus Sicherheitsgründen nicht wärmer als 50 Grad sein darf, wird sie in Huntorf zunächst in mehreren Stufen heruntergekühlt. Wenn sich die Luft zur Stromerzeugung dann wieder entspannen darf, kühlt sie sich stark ab, was die Turbinen vereisen würde. Deshalb wird die Luft mithilfe von Erdgas erhitzt, bevor sie auf die Turbine geleitet wird.
Kühlen und Erhitzen der Luft kostet also viel Energie. Der Wirkungsgrad von Huntorf liegt daher gerade einmal bei 42 Prozent. Zum Vergleich: Pumpspeicherkraftwerke kommen auf einen Wirkungsgrad von bis zu 80 Prozent, Batteriespeicher sogar auf bis zu 95 Prozent. Diese geringe Energieeffizienz ist der Grund, warum der Speicher in Huntorf in den 1990er-Jahren wirtschaftlich schon einmal auf der Kippe stand. Und durch den Erdgasbetrieb natürlich alles andere als fossilfrei ist.
Um das Verfahren klimafreundlicher zu machen, will Betreiber Uniper das Erdgas mittelfristig durch grünen Wasserstoff ersetzen. Seit im Zuge der Energiewende die Strompreise stärker schwanken, läuft Huntorf wieder wirtschaftlich. Uniper hat die Speicherkapazität von 1.200 Megawattstunden auf 1.680 Megawattstunden (MWh) erhöht. Doch aus dem Dornröschenschlaf wurde die alte Technologie andernorts wiedererweckt: in China.
China ist erst Anfang der 2000er in die Technologie eingestiegen, hat aber ähnlich wie in der Solarindustrie und im Autobau offenbar rasch aufgeholt: 2022 wurde in der Stadt Zhangjiakou ein Demonstrationsspeicher mit einer Leistung von 100 Megawatt (MW) in Betrieb genommen. Seit Januar 2025 läuft in Yingcheng das Druckluftspeicherkraftwerk „Nengchu-1“ im kommerziellen Betrieb. Es hat eine Leistung von 300 MW, kann für bis zu fünf Stunden Strom abgeben und kommt so auf eine Speicherkapazität von 1.500 MW, liegt also in Sachen Leistung und Kapazität bereits dicht hinter Huntorf.
Doch anders als dieses setzt „Nengchu-1“ auf ein adiabatisches System. Hier wird die Wärme, die bei der Luftkompression entsteht, gespeichert, beispielsweise in einem riesigen Betonklotz oder in flüssigem Salz. Diese Wärme wird dann genutzt, um die Luft später wieder auf Turbinentemperatur zu bringen. Erdgas ist überflüssig. Die staatliche China Energy Engineering Group (CEEC), die die chinesischen Druckluftspeicher betreibt, sieht zumindest im Reich der Mitte Marktpotenzial. Und so soll der adiabatische Speicher in Yingcheng nicht der letzte bleiben. Ende 2024 wurde in Changzhou der Spatenstich für eine Anlage mit 700 MW Leistung und 2.800 MWh Speicherkapazität gesetzt.
Chinesische Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten auch an Lösungen für Orte, an denen sich kein Salzstock im Untergrund findet. In Xinyang entsteht aktuell ein 300-MW-Projekt mit künstlich angelegtem Speichertunnel im Felsgestein. Nach der Inbetriebnahme soll die Anlage jährlich 420 Millionen Kilowattstunden erzeugen – genug, um 350.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Gegenüber der Pilotanlage von 2022 habe man die Effizienz um zwei Prozent auf 72,1 Prozent gesteigert und die Kosten pro Kilowattstunde gar um 30 Prozent gesenkt, so die CEEC.
Mit der fortschreitenden Skalierung und der vollständig einheimischen Lieferkette könnte die Technologie in China zu einer der kostengünstigsten Optionen für Langzeitspeicher werden. Davon ist das staatliche Unternehmen überzeugt, das bereits über Anlagen mit 600 und 1.000 MW nachdenkt.
Ob sich diese Erwartung erfüllt, muss sich zeigen. Denn auch Batterien werden in großem Stil in China gebaut und von Jahr zu Jahr günstiger. Doch ohnehin können und werden die Druckluftspeicher Batterien und Pumpspeicherkraftwerke nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen.
Dass sie eine Rolle im Speichermix der Energiewende spielen können, davon sind zunehmend auch westliche Unternehmen wie Hydrostor überzeugt. Die Kanadier betreiben seit 2019 bei Ontario eine kleine Demonstrationsanlage mit Wärmespeicher. Großprojekte mit 200 bis 500 MW in Kanada, Australien und den USA sind in der Entwicklung, zwei davon in einem fortgeschrittenen Stadium, wie Hydrostor betont.
Auch hierzulande soll die Technologie eine zweite Chance bekommen. Das niederländische Unternehmen Corre Energy plant gemeinsam mit dem Energieversorger Eneco im münsterländischen Ahaus einen großen Druckluftspeicher mit einer Gesamtleistung von 640 MW. Anders als Hydrostor in Kanada und CEEC in China will Corre Energy Erdgas für die Wiedererwärmung der Luft nutzen, das später dann durch grünen Wasserstoff ersetzt werden soll. Die Wärme bei der Komprimierung wird also nicht gespeichert, soll aber als Fernwärme genutzt werden und so einen Gesamtwirkungsgrad von 65 Prozent ermöglichen.
Tatsächlich wäre ein solcher Wasserstoff-Druckluftspeicher nach Berechnungen von Forschenden der TU Clausthal das beste, da kostengünstigste Druckluftspeicherkonzept. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Anlage 2030 betriebsbereit sein – und das altgediente Druckluftspeicherkraftwerk in Huntorf dann nach über einem halben Jahrhundert ein ziemlich großes und zeitgemäßes Geschwister bekommen.
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