Maßnahmen des Fremdkörpermanagements in Zertifizierungsaudits

19.09.2024 | LEBENSMITTELSICHERHEIT: Fremdkörper in Lebensmitteln bedeuten nicht nur eine Gesundheitsgefahr für den Konsumenten. Sie können auch weitreichende Konsequenzen für den Lebensmittelproduzenten mit sich ziehen und eine Marke dauerhaft schädigen. Regelmäßige Audits sorgen dafür, dass Lebensmittelhersteller entsprechend zertifiziert sind und Schwachstellen rechtzeitig aufgedeckt werden. Wir haben mit Oliver Eck über Maßnahmen des Fremdkörpermanagements bei Zertifizierungsaudits gesprochen und auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Audits beleuchtet.

Herr Eck, vielen Dank für dieses Interview. Könnten Sie sich kurz vorstellen und auch Ihren Bezug zum Thema Fremdkörpermanagement beschreiben?

Mein Name ist Oliver Eck. Ich bin Leiter des Bereichs Food & Agriculture Westeuropa bei TÜV NORD und Geschäftsführer der TÜV Austria. Neben diesen Aufgaben bin ich auch leitender Auditor für die gängigen Lebensmittelsicherheitsstandards, wie HACCP, FSSC 22000 oder auch IFS Food. Ursprünglich komme ich aus dem Fleischwarenbereich und habe eine Ausbildung als Schlachter durchlaufen. Sowohl bei meiner Ausbildung, als auch bei meiner jetzigen Tätigkeit als Auditor habe ich Berührungspunkte mit dem Fremdkörpermanagement.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren beim Fremdkörpermanagement?

Beim Fremdkörpermanagement ist es im Grunde das wichtigste Ziel, dass erst gar keine Fremdkörper in das Produkt gelangen. Unterschiedliche Ursachen können dazu führen, dass es schließlich doch passiert: So kann der Fremdkörper über die Rohware in das Produkt gelangen oder aber Kontaminationsgefahren können während der Produktionsprozesse oder durch Mängel in den Gebäuden oder der Umgebung entstehen. Es ist also wichtig, dass man über ein gutes Rohwarenmanagement, incl. Wareneingangsprüfungen, sowie eine entsprechende gute Herstellungspraxis die Fremdkörperkontamination im Vorfeld reduziert. Darauf fokussieren sich im Grunde auch die Standardinhaber.

Kommt es dann doch zu einer Kontamination, stellt sich natürlich die Frage, wie der Fremdkörper aus dem Produkt entfernt werden kann und welche Methode die Beste ist. Ist ein Metalldetektor die richtige Wahl, ein Röntgengerät, ein Sieb, ein Magnet oder vielleicht ein Mix aus dem Ganzen? Es ist sehr wichtig, das für sich im Unternehmen zu definieren. Es hängt natürlich auch stark davon ab, welche Gefahrenpotentiale überhaupt vorliegen. Viele Unternehmen denken, dass sie einen Metalldetektor brauchen, da sie sonst kein Zertifikat bekommen. Das ist nicht richtig. Auch der Gedanke "wenn ich ein Gerät habe, in das ich viel Geld investiert habe, dann muss das auch ein CCP sein", ist ebenfalls nicht richtig. Auch hier hängt das immer von der Gefahrenanalyse ab. Besteht z.B. die Gefahr, dass ein Metallstück in mein Produkt gelangt, dann muss ich etwas installieren, das hilft, dieses Metallstück zu entdecken und aus dem Prozess auszuschleusen.  

Zudem besteht natürlich auch eine Gefahr für die Verbrauchergesundheit, sollte ein Metallstückchen in das finale Produkt gelangen. Ich muss also bewerten, wie wahrscheinlich es ist, dass die jeweilige Kontamination auftritt, und wie groß die Auswirkung auf den Verbraucher wäre. Somit wird aus der Gefahr ein mögliches Risiko. Würde ich solches ein Risiko gar nicht haben, dann bräuchte ich natürlich z.B. auch keinen Metalldetektor.

Es hängt also davon ab, wie die Gefahrenanalyse des Unternehmens aufgebaut ist, und was ich aus der Gefahrenanalyse für Risiken herausziehe. Wie man dann mit den Risiken umgeht, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.

Herr Eck, Sie haben am Leitfaden des IFS zum Foreign Body Management mitgewirkt. Darin werden ja viele Maßnahmen genannt. Welche Rolle spielen diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht für die Zertifizierungsaudits?

Die Maßnahmen zur Vermeidung von Fremdkörperkontamination sind natürlich enorm wichtig in einem Audit. Fremdkörperkontamination zählt zu den häufigeren Beschwerden, die von Verbrauchern geäußert werden. Fremdkörper in einem Produkt können gegebenenfalls zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. Aus diesem Grund ist das natürlich auch ein Schwerpunkt im Audit.

Jedes Unternehmen hat sein eigenes HACCP-System und daher auch seinen eigenen HACCP-Plan installiert und setzt diesen um. Der Auditor prüft im Grunde erst einmal, was das Unternehmen für sich selbst erarbeitet hat, was die eigenen internen Richtlinien sind und wie diese umgesetzt werden.

Im Hinterkopf hat der Auditor natürlich auch die branchenüblichen Prozesse. Vor dem Hintergrund der verwendeten Technologie wird bewertet, inwieweit die vorgefundenen Maßnahmen wirklich geeignet sind, sichere, legale und qualitativ den Anforderungen entsprechende Produkte zu produzieren.

Als Auditor erleben Sie viele Firmen aus der Innensicht. Wo liegen für die Lebensmittelproduzenten die größten Herausforderungen im Bereich Foreign Body Management?

Wenn man erst einmal die richtige Methodik herausgearbeitet hat, ist es natürlich für die Unternehmen enorm wichtig, den gesamten Prozess zu etablieren. Das bedeutet: Wie validiere ich die Anlage? Welche Kriterien muss ich für die Validierung der Anlage oder des Geräts schaffen, installieren oder durchführen, um nachher auch einen wirksamen Prozess zu haben?

Wenn die Inbetriebnahme oder die Erstvalidierung gut durchgeführt wurde, ist natürlich immer parallel schon das Thema wichtig: Wie bekomme ich die Mitarbeiter geschult, wie kann ich das Bewusstsein der Mitarbeiter so stärken, dass auch jedem Mitarbeiter bewusst ist, dass ein funktionierendes oder ein nicht funktionierendes Gerät Auswirkungen auf die Verbrauchergesundheit hat? Ein wichtiges neues Schlagwort in diesem Bereich ist die Lebensmittelsicherheitskultur (Food Safety Culture). Dahinter steckt u.a. die Frage: Wie kann ich das Bewusstsein der Mitarbeiter so stärken, dass eben klar ist, worum es geht? Habe ich es geschafft, das Bewusstsein zu stärken und auch die Mitarbeiter zu schulen, ist natürlich die nächste Herausforderung die Aufrechterhaltung der neu geschaffenen Food Safety Culture.

Das ist ja nicht mit einer Schulung abgetan, sondern muss kontinuierlich verfolgt und gelebt werden. Das sieht man auch ab und an im Audit. Wir schauen zum Beispiel, wie die Prüfung der Metalldetektoren erfolgt. Wenn diese erfolgt, dann sollte auch nicht nur der Metalldetektor Alarm schlagen, sondern auch der Auswurf muss funktionieren. Dort merkt man als Auditor relativ schnell, wie es um die Kultur im Unternehmen bestellt ist und wie mit den Themen umgegangen wird. Werden direkt die Anlagen gestoppt? Werden die Mitarbeiter aktiv, wird direkt eine Palette gesperrt, oder aber arbeitet der Mitarbeiter so weiter, wie er es immer tut? Das erkennt man relativ schnell. Lebensmittelsicherheitskultur ist natürlich noch mehr, dies ist nur ein kleiner Baustein einer umfassenden Kultur.

Eine andere Herausforderung liegt dann vor, wenn eine Gefahrenanalyse durchgeführt wurde und z.B. der installierte Röntgendetektor als Ergebnis der Gefahrenanalyse und z.B. Anwendung des Codex-Entscheidungsbaums kein Critical Control Point (CCP) ist. Aber gerade der Bereich Fremdkörperdetektion bringt viele Unternehmen dazu zu glauben, dass es ein CCP sein muss. Daraus ergibt sich das Problem, dass die Gefahrenanalyse vielleicht gar nicht zeigt, dass es ein CCP ist und dass sie gar keinen kritischen Prozess haben. Sie definieren es dann trotzdem als CCP, weil das Unternehmen oder gar der Kunde es so möchte. Damit wird dann das eigene HACCP-Konzept unterlaufen. Es ist ein schmaler Grad, auf dem sich so ein Unternehmen befindet.

Wie wird das Foreign Body Management international umgesetzt? Ist das überall gleich oder gibt es in verschiedenen Ländern verschiedene Ansätze?

Vom Grundsatz sollte das überall in gleicher Art und Weise gehandhabt werden. Es gibt immer wieder – ich nenne es mal – Gerüchte, dass in anderen Ländern anders geprüft wird als beispielsweise in Deutschland. Das kann ich so erstmal nicht bestätigen und die Anforderungen an die Fremdkörperdetektion sind natürlich auch hier die gleichen. Ein Glassplitter in einer Schokoladenmasse in Deutschland ist ja nicht weniger gefährlich, als ein Splitter in Asien oder Afrika. Grundsätzlich sind die Anforderungen hinsichtlich der Fremdkörperdetektion in allen Ländern gleich.

Was tut TÜV NORD, um über das Thema Foreign Body Management aufzuklären?

Unsere Auditoren prüfen natürlich im Audit das Thema und gehen gegebenenfalls in die Diskussion mit den einzelnen Unternehmen. Aber die Auditoren können nicht beraten oder schulen, weil das einer Zertifizierungsgesellschaft strikt untersagt wird. Jedoch gibt es die TÜV NORD Akademie, bei der man sich durch Seminare informieren lassen kann. Auch Inhouse-Seminare zum Thema Fremdkörperdetektion werden durch die TÜV NORD Akademie angeboten.

Wie ist Ihre Erfahrung: Hatte die Corona-Pandemie Einfluss auf die Foreign Body Detection?

Die Corona-Pandemie hatte aus meiner Sicht keinen Einfluss auf die Fremdkörperdetektion oder auf das Management. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass die Fremdkörper nicht weniger gefährlich sind aufgrund der Pandemie. Allerdings mussten wir natürlich schon immer hinterfragen, wie das Fremdkörpermanagement in den Unternehmen in Ausnahmesituationen sichergestellt wird und wie wir das auditieren können. Es gab ja Unternehmen, die sich leider in der Situation befanden, dass ganze Schichten in Quarantäne gestellt wurden, oder aber das Schlüssel-Personal für die Überprüfung der Metalldetektoren ausfiel. Dann stellte sich natürlich die Frage: Wie wird sichergestellt, dass ausreichend Kompetenz für die Prüfungen zu allen Betriebszeiten vorhanden ist?

Noch eine abschließende Frage: Wie sehen Sie die Zukunft für das Thema Foreign Body Detection? Wohin werden sich die Standardanforderungen oder auch die Auditpraxis entwickeln?

In Zukunft wird mit großer Wahrscheinlichkeit noch stärker das Augenmerk auf die Systemsicherheit und Dokumentation beispielsweise bei Metalldetektoren gelegt. Ich gehe davon aus, dass Daten zu 100 Prozent remote eingesehen und simultan – zum Beispiel als Grundlage für die Verifizierung – genutzt werden können. Auch könnten zukünftig bei Wartungen detaillierte Daten aufgezeichnet werden und so für den Anwender anwendungsfreundlicher genutzt werden können – die ermittelten Daten können so als Grundlage für eine Validierung oder auch eine Optimierung der Prozesse hinzugezogen werden. Interessant finde ich auch die Idee, dass ein detektierter Metallspan im Produkt automatisch hinsichtlich der Art des Metalls analysiert und dann mit einem vorhandenen Werkzeug abgeglichen werden kann. Somit kann das Unternehmen zeitnah die Quelle der Kontamination ermitteln und auch hier Vorbeugemaßnahmen, Schulungsmaßnahmen o.ä. einleiten. Ich vermute, wir stehen hier erst am Anfang der Möglichkeiten.

Herr Eck, vielen Dank für die Zeit und für die informativen Antworten!

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Iris Maaß ist International Marketing Manager der TÜV NORD Food & Agriculture, Gründerin und Hochschuldozentin für die Bereiche digitales Marketing und CRM.

Iris MaaßTÜV NORD Food & Agriculture
foodcert@tuev-nord.de
0511 988-62660
International Marketing Manager
Am TÜV 1, 30519 Hannover