Wissenstransfer in Unternehmen – so bleibt wertvolles Wissen erhalten
Alle Fußballfans kennen es: Ein oder zwei wichtige Spieler:innen verlassen die Mannschaft und plötzlich läuft es nicht mehr rund. Die Defensive bricht zusammen wie ein Kartenhaus, es fehlt jemand für die entscheidenden Pässe und wenn doch mal ein Ball nach vorne kommt, ist da niemand mit Torriecher.
Viele Unternehmen machen gerade eine ähnliche Erfahrung.
Denn in Zeiten des Generationenwechsels gehen zahlreiche altgediente Mitarbeiter:innen in den Ruhestand. Weil sie ihre Erfahrung und ihr Wissen mitnehmen, tut sich für Vorgesetzte und Kolleg:innen oft ein Riesenloch auf.
Allerdings haben Unternehmen einen großen Vorteil gegenüber Fußballvereinen: Sie können das Wissen ihrer Stars rechtzeitig sichern und dafür sorgen, dass es in der Mannschaft bleibt.
In diesem Artikel befassen wir uns mit dem Thema Wissenstransfer als wichtigen Bestandteil einer Wissenskultur in Unternehmen. Wir erklären, was man darunter versteht, welche Methoden es für die Weitergabe von Wissen gibt und wie Unternehmen geeignete Strukturen dafür schaffen.
Was ist Wissenstransfer? – eine Definition
In der Wirtschaft meint der Begriff Wissenstransfer die Weitergabe und den Austausch von Wissen. Manchmal geschieht dies beiläufig zum Beispiel bei einem schnellen Gespräch an der Kaffeemaschine. In anderen Fällen ist Wissenstransfer im Unternehmen ein gesteuerter Prozess. Dann ist er auch besonders effektiv.
In diesem Beitrag legen wir den Fokus auf eine zentrale Form von Wissenstransfer: die Weitergabe von Wissen, wenn Mitarbeiter:innen ein Unternehmen verlassen und/oder neue hinzukommen.
Warum ist ein funktionierender Wissenstransfer entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit?
„Wissenstransfer war schon immer ein wichtiges Thema“, betont Thomas Lehner, VIA Consulting Group. Allerdings merke er in jüngerer Zeit, nicht zuletzt durch die wachsende Teilnehmendenzahl in seinen Seminaren zum „Wissensmanagement in der Praxis“, ein steigendes Interesse.
Einen Grund dafür sieht Lehner in der zunehmenden Schnelllebigkeit der digitalen, modernen Welt. Wissen ist heute deutlich schneller veraltet als noch vor einem oder zwei Jahrzehnten. Hinzu kommt der schon angesprochene Generationenwechsel. Er sorgt dafür, dass viele altgediente Mitarbeiter:innen Unternehmen verlassen.
Dabei ist es auf mehreren Ebenen wichtig für Unternehmen, Wissen erfolgreich zu transferieren und zu sichern.
- Wertvolles Wissen bleibt im Unternehmen. Manchmal ist dies entscheidend, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten.
- Neue Mitarbeiter:innen lassen sich einfacher einarbeiten. Sie sind schneller in der Lage, sich in vorhandene Prozesse und Strukturen einzufinden. Dies steigert auch die Motivation.
- Die Kenntnisse und Erfahrungen verschiedener Personen ergänzen sich. Das ist besonders der Fall, wenn ältere und jüngere Mitarbeiter:innen voneinander lernen.
- Unternehmen können leichter mit der hohen Veränderungsgeschwindigkeit der modernen Arbeitswelt umgehen.
Letztendlich sind Wissenstransfers ein wichtiger Bestandteil einer Wissenskultur in Unternehmen. Diese zeichnet sich durch den lebendigen Austausch von Kenntnissen und der Vermittlung von Fähigkeiten zwischen Mitarbeitenden aus. Idealerweise entsteht eine Schwarmintelligenz, die für mehr Effizienz sorgt und immer wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen wird.
Wie Unternehmen Wissenstransfers einrichten – die wichtigsten Stufen
Erfolgreiche Wissenstransfers basieren auf mehreren Stufen. Thomas Lehner empfiehlt folgende Herangehensweise:
1. Wissensträger:innen identifizieren: Zunächst gilt es die Personen im Unternehmen zu identifizieren, die wertvolles Wissen besitzen. Das trifft in der Regel nicht auf alle Mitarbeitenden zu, die das Unternehmen verlassen. Eine hilfreiche Methode dazu besteht darin, Führungskräfte und Mitarbeiter:innen zu befragen. Vielleicht bietet es sich sogar an, Wissensträger:innen nominieren zu lassen. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass er dazu motiviert Wissen weiterzugeben. Wer wird schließlich nicht gerne als wertvolle:r Wissensträger:in nominiert?
2. Wissensbereiche identifizieren: Genauso bedeutend wie die Frage nach dem „Wer“ ist die Frage nach dem „Was“. Wissenslandkarten verraten, wo im Unternehmen kritisches oder einzigartiges Wissen vorhanden ist. Außerdem helfen sie dabei rechtzeitig zu erkennen, wo wertvolles Wissen abzuwandern droht.
3. Wissenstransfers durchführen: Schließlich geht es darum, die Wissenstransfers zu organisieren und durchzuführen. Dafür haben Sie die Auswahl aus vielen Methoden beziehungsweise Wissenstransfer-Tools.
Wissenstransfer-Methoden im Vergleich
Wissenstransfers lassen sich grundsätzlich danach unterscheiden, ob sie im realen Aufeinandertreffen von Wissensträger:in und Wissensnehmer:in stattfinden (personifizierter Wissenstransfer) oder mittels dokumentierten Wissens (kodifizierter Wissenstransfer).
Für Thomas Lehner bringt Ersteres auch im digitalen Zeitalter Vorteile mit. „Wenn es komplexer wird und um viel Erfahrungswissen geht, ist es besser, eine:n Ansprechpartner:in zu haben. Sonst muss man sehr viel aufschreiben und dann ist das Wissen für Neue schwer nachvollziehbar. Manche Fragen ergeben sich auch erst im Gespräch. “ Schwierig werde es nur, wenn die Chemie zwischen Wissensträger:in und Wissensnehmer:in nicht passe.
Bewährte und vielversprechende innovative Methoden für Wissenstransfers sind zum Beispiel folgende:
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Shadowing: Erfahrene Mitarbeiter:innen schauen neuen über die Schulter oder umgekehrt.
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Interviews: Strukturierte Interviews zwischen Wissensträger:innen und Wissensnehmer:innen sind eine verbreitete Methode für einen systematischen Wissenstransfer. Wichtig ist eine begleitende Kommunikation.
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Mitarbeitendenworkshops: Moderierte Workshops eignen sich sehr gut, um in die Tiefe zu gehen und mehreren Personen Wissen zu vermitteln. Hier ergibt sich auch die Gelegenheit, mitzuschreiben und Fragen zu stellen.
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Historienworkshops: Eine Sonderform von Workshops stellen Historienworkshops dar. Thomas Lehner hat einen solchen bei einem großen Medizinproduktehersteller erlebt. Dabei erinnerten sich erfahrene Mitarbeiter:innen im Beisein jüngerer Kolleg:innen an wichtige Entscheidungsprozesse in der Produktentwicklung. Im Mittelpunkt stand die Frage nach dem „Warum“ („Know why“).
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Videodatenbanken: Trotz aller Vorteile des persönlichen Austausches eröffnen moderne Medien neue Möglichkeiten Wissen zu vermitteln. Videos haben gegenüber Texten den Vorteil, dass sie mehrere Sinne ansprechen. Außerdem sind jüngere Arbeitnehmende gut vertraut mit dem Lernen durch Videos. Unternehmen können mit ihrer Hilfe Arbeitsprozesse abbilden und erfahrene Mitarbeiter:innen interviewen.
Einen Rahmen für Wissenstransfer schaffen: Strukturen und Verantwortlichkeiten
Wissenstransfers sind nur erfolgreich, wenn die dafür erforderlichen Strukturen existieren.
Thomas Lehner beobachtet, dass der Impuls solche Strukturen zu schaffen, oft aus dem Qualitätsmanagement kommt. Das liege auch daran, dass die ISO 9001 seit 2015 das Kapitel „Wissen der Organisation“ enthalte. Dies verlangt unter anderem, dass Unternehmen notwendiges Wissen für die Durchführung interner Prozesse und die Konformität von Produkten sowie Dienstleistungen bestimmen und aufrechterhalten müssen.
In anderen Fällen erkennen Verantwortliche im Personalbereich, dass wertvolles Wissen verloren zu gehen droht und stoßen deshalb Maßnahmen an.
„Manche Unternehmen setzen auch eigene Wissensmanager:innen ein. Das ist in schnelllebigen Branchen oft der Fall oder wenn Wissen wirklich als Differenzierungsmerkmal zu Wettbewerbern angesehen wird.“ Externe Fachleute hinzuzuziehen, könne ein Vorteil sein. Denn diese wissen oft, wie sich Hürden abbauen lassen.
So oder so sei es entscheidend, betont Thomas Lehner, dass die Geschäftsführung hinter dem Thema stehe. „Manche sehen Wissenstransfers leider immer noch als verzichtbaren Luxus an.“
Wissen zu erhalten, sichert die eigene Existenz
Wissen war schon immer eine wertvolle Ressource von Unternehmen. Doch der demografische Wandel und eine immer höhere Veränderungsgeschwindigkeit machen es heute wichtiger denn je, wertvolles Wissen zu sichern.
Durch erfolgreiche Wissenstransfers verhindern Unternehmen, dass der Weggang altgedienter Fachkräfte ihre Leistung beeinträchtigt und der Wissensverlust den Ligaerhalt oder die eigene Existenz bedroht.
Dabei gilt auch hier: Übung macht den Meister. Werden Wissenstransfers in die täglichen Abläufe integriert, sind sie irgendwann ein fester Bestandteil der eigenen Wissenskultur und eine Selbstverständlichkeit. Dann verlässt kein:e wichtige:r Wissensträger:in mehr das Unternehmen, ohne dass das Wissen an andere übertragen wird.
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