Tipps für effektive Qualitätsmanagementmethoden und -werkzeuge

Tipps für effektive Qualitätsmanagementmethoden und -werkzeuge

Beitrag vom 19.03.2024

Zur Themenwelt Qualitätsmanagement

Qualitätsmanagementmethoden für KMUs

Große wie kleine oder mittlere Unternehmen müssen sich im täglichen Wettbewerb auf globalisierten Märkten behaupten. Ein attraktives Angebot, wettbewerbsfähige Preise und ein strategisch kluges Marketing sind dabei zwar wichtig, jedoch sollten diese Aspekte letztendlich auf qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen fußen. Studien, wie eine VuMA-Befragung zwischen 2008 und 2018, belegen, dass für Verbraucher:innen in den meisten Fällen die Qualität eines Produktes wichtiger ist als der Preis (Quelle: handelsdaten.de). 

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems eröffnet kleinen wie mittleren Unternehmen aller Wirtschaftszweige nicht nur die Möglichkeit, die Kundenzufriedenheit zu steigern, sondern auch Kosten zu senken und Wachstumschancen zu nutzen. Wir haben uns mit Michael Will, QM-Experte und Abteilungsleiter für Projekt- und Qualitätsmanagement bei der DOS-Software-Systeme GmbH, unterhalten über: 

  • welche Unternehmen können von einem Qualitätsmanagement profitieren, 
  • welche Vorteile ergeben sich durch die Nutzung von QM-Methoden,  
  • welche Qualitätsmanagementwerkzeuge sind auch für kleinere Unternehmen und Startups nützlich, 
  • wie könnte das Qualitätsmanagement der Zukunft aussehen und wie können die Digitalisierung und künstliche Intelligenz ein Unternehmen unterstützen. 

Methoden im Überblick

Qualitätsmanagement – Definition und Relevanz

Das Qualitätsmanagement beschreibt unternehmensweites, prozessorientiertes Vorgehen, das sicherstellt, dass Produkte und Dienstleistungen den internationalen Normen, Gesetzen und besonders den Kundenanforderungen gerecht werden. Qualitätsmanagementsysteme zielen dabei auf eine ständige Verbesserung aller Produkte, Prozesse und Dienstleistungen ab. 

Ein effektives Qualitätsmanagement ist nicht nur für Großunternehmen sinnvoll. Laut Experte Michael Will kann jedes Unternehmen davon profitieren. „Die meisten Kund:innen beauftragen uns nur, weil wir ein zertifiziertes Qualitätsmanagement vorweisen können. Ihnen geht es primär um eine dauerhafte und zugesicherte Qualität.“ Ein funktionierendes QM-System bietet aber noch zahlreiche andere Vorteile. 

Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz steigern

Ein wirksames Qualitätsmanagement ist ein entscheidender Faktor zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. „Anhand von Kennzahlen oder Key Performance Indicator (KPI) können auch die Effektivität und die Effizienz von Prozessen überwacht werden“, erläutert der Experte. Dazu sollten messbare, gemeinsame Ziele definiert werden, um in der Lage zu sein, Probleme, Engpässe und Schwachstellen frühzeitig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Die Vorgehensweise fördere fundierte Entscheidungen zur Verbesserung der Qualität und eine gezielte Optimierung von Prozesskosten und Ressourcen. 

Die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei von großer Bedeutung für das Erlangen der Unternehmensziele. Michael Will betont aber, dass es beim Qualitätsmanagement nie um die Überwachung von Mitarbeitenden gehen sollte. „Die Optimierung von Effizienz und die Stabilität von Prozessen sind nur durch die Einbeziehung aller und durch Teamarbeit erreichbar“, fügt der Experte hinzu. Ziel aller Führungskräfte sollte es deshalb sein, ein hohes Qualitätsbewusstsein aller Mitarbeiter:innen zu erreichen. 

Qualitätsmanagement betrachtet rechtliche Anforderungen und Normen

Ein wirksames Qualitätsmanagement setzt eine genaue Prüfung rechtlicher und normativer Anforderungen innerhalb der jeweiligen Industrie voraus. Hierbei kann es sich beispielsweise auch um internationale Normen und Gesetze handeln, um die Akzeptanz und Rechtssicherheit auf weltweiten Märkten gewährleisten. Das erst ermöglicht es Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen international anzubieten und zu vermarkten. 

Zum Beispiel müssen zahlreiche Branchen wie das Gesundheitswesen, die Finanzdienstleistung, die Lebensmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie, die Luftfahrt, Energie und Umwelt, Telekommunikation und das Bauwesen verschiedenste rechtliche Anforderungen erfüllen. Michael Will ergänzt: „Ich würde das sogar noch ein wenig ausweiten. Bei den Anforderungen aus den Qualitätsnormen geht es darum, den Stand der Technik einzuhalten. Bei rechtlichen Anforderungen an Produkte oder Dienstleistungen geht es um die Produzentenhaftung und damit sogar um den aktuellen Stand der Wissenschaft und der Forschung.“ 

Risiken erkennen und Chancen nutzen

Das Qualitätsmanagement fordert Unternehmen dazu auf, sich intensiver mit Risiken auseinanderzusetzen. „Die von mir betreuten Unternehmen müssen in jedem Bereich, von der Geschäftsführung bis zu den unterstützenden Prozessen, ihre Risiken und Chancen zu betrachten.“ Durch die Behandlung von Risiken würden automatisch auch Chancen entstehen, weil Chancen und Risiken immer in einer Wechselwirkung stünden. Hierbei könne es sich etwa um eine geringere Fehlerquote oder stabilere Prozesse handeln. „Dadurch lassen sich Ressourcen für die Mitarbeitenden freisetzen. Das kann als Chance genutzt werden, indem die Belegschaft mit neuen Aufgaben zur Verbesserung der Prozesse betraut werden kann“, gibt Michael Will zu verstehen. 

Kostenreduzierung und Qualitätssteigerung für das gesamte Unternehmen

Eine ständige Optimierung der Prozesse des QM-Systems führt zur Steigerung der Produktqualität und zur Senkung der Unternehmenskosten. „Mit einer sinkenden Zahl von Reklamationen und verbesserter Liefertreue steigt auch die Kundenzufriedenheit. Steigende Kundenzufriedenheit führt wiederum zu einem höheren Ansehen am Markt – alles ausgelöst durch Kostenreduzierung und eine genauere Risikobetrachtung.“ Es helfe, so der Experte weiter, ein Qualitätsmanagementsystem von vorne bis hinten wie ein Getriebe zu betrachten, bei dem ein Zahnrad in das nächste greift. „Die Prozesse, die vorne festgelegt werden, haben eine direkte Wechselwirkung mit denen am Ende des Unternehmens. Daher trifft auch die Aussage ‚Der Fisch fängt vom Kopf her an zu stinken‘ zu“, scherzt Michael Will. 

In dieser Kausalkette seien die kontinuierliche Optimierung der Prozesse und die Betrachtung ihrer Wechselwirkungen eine wichtige Voraussetzung. Michael Will fasst zusammen: „Ich empfehle immer, dass sich ein Unternehmen mindestens einmal jährlich, am besten von einem externen Auditor neu bewerten lassen sollte. Wenn sich Risiken verändern, erhöhen oder sogar wegfallen und Prozesse nicht stabil laufen, sind das wichtige Anzeichen für Maßnahmen im ständigen Verbesserungsprozess.“ 

Qualitätsmanagementwerkzeuge für den Einstieg

7-W-Fragen

Die 7 W-Fragen lassen sich grundsätzlich auf alle Qualitätsprobleme anwenden, um ihre Ursachen zu ermitteln, alle Prozessschritte zu analysieren und das Qualitätsbewusstsein zu stärken. Sie gehen auf DEN römischen Philosophen und Politiker Marcus Tullius zurück und lauten: wer (quis), was (quid), wie (quomodo), wo (ubi), wann (quando), warum (cur). Die Fragen werden außerdem um „wie viel?“ ergänzt, um das Problem zu quantifizieren.  

5-S-Lean-Management

Die fünf Disziplinen für Ordnung und Sauberkeit hat ursprünglich Toyota ins Leben gerufen. Es sind 5 Begriffe, die dazu dienen, Verschwendung und Fehler zu vermeiden und den Arbeitsfluss zu optimieren. Die 5-S-Begriffe lauten „Sortieren“ (Seiri), „Ordnen“ (Seiton), „Sauberkeit“ (Seiso) „Persönliche Ordnung“ (Seiketsu) und „Beibehaltung“ (Shitsuke). Sie ermöglichen eine produktive Arbeitsumgebung, die damit zur Vermeidung von Fehlern, Senkung von Bearbeitungszeit und Verbesserung der Motivation am Arbeitsplatz führt.

7 Muda

Überproduktion, Bestände, Transport, Wartezeiten, Art der Herstellung, Bewegungen und Fehler sind im Sinne des Kaizen (kontinuierliche Verbesserung) 7 Verschwendungsarten. Zu den nicht explizit genannten können aber auch ungenutzte Kreativität und Demotivation der Mitarbeitenden zählen.

Poka Yoke

Hierbei handelt es sich um einen japanischen Ausdruck, der übersetzt so viel wie „narrensicheres Verhalten“ bedeutet. Mit dieser Methode sollen Mechanismen innerhalb von Prozessschritten implementiert werden, durch die sich zufällige Fehler und Probleme vermeiden lassen.  

Six Sigma

Dieser Ansatz basiert auf einer klaren Struktur von Projekten, die darauf abzielen, die Prozessqualität zu steigern. Alle Prozesse werden innerhalb klar definierter Grenzen und Parameter durchgeführt. In jeder Phase eines Projekts werden spezifische Werkzeuge der Analyse und Verbesserung von Prozessen eingesetzt. Voraussetzung ist, dass jedes Six-Sigma-Projekt einen ökonomischen Mehrwert haben muss, z. B. die Prozessoptimierung, Einsparungen oder andere wirtschaftliche Vorteile. Angestrebt wird eine Streubreite von minus bis plus Six Sigma, sodass fast keine Fehler mehr auftreten (von einer Milliarde Teilen dürfen beispielsweise maximal zwei defekt sein).  

Deming- Kreis

Ist eine vierstufige Problemlösungstechnik, die zur Optimierung von Geschäftsprozessen und allen Arten von Verbesserungsaktivitäten dient. Sie ist auch als PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) bekannt und läuft in klar definierten Schritten ab. Zum Abschluss folgt eine Überprüfung, um festzustellen, ob die definierten Ziele erreicht wurden. Gegebenenfalls werden Korrekturmaßnahmen ergriffen und der Kreislauf startet erneut. Dieser mehrfache Durchlauf wird als kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) genannt.

5-W-Fragen

Diese Technik zur Ursachenanalyse stellt die Frage „Warum?“ fünfmal, um die Wurzel eines Problems oder eines Defekts zu ergründen. Die Anzahl der Fragen muss sich aber nicht zwingend auf fünf beschränken. Stattdessen sollte die Frage so oft gestellt werden, bis sich der problemverursachende Prozessschritt zweifelsfrei und eindeutig identifizieren lässt. Daraufhin können Lösungsmaßnahmen entwickelt und eingeleitet werden.

Kaizen

Der japanische Begriff setzt sich aus den Worten Kai für „Wandel“ und „Veränderung“ sowie Zen für „zum Besseren“ zusammen. Im Qualitätsmanagement wird dieses Konzept angewendet, um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch alle Mitarbeitenden innerhalb eines Unternehmens zu fördern. Dabei stehen keine großen Innovationen im Vordergrund, sondern die kritische Analyse und kontinuierliche Verbesserung der einzelnen Arbeitsplätze und Tätigkeiten in kleinen Schritten. 

Poka Yoke

Hierbei handelt es sich um einen japanischen Ausdruck, der übersetzt so viel wie „narrensicheres Verhalten“ bedeutet. Mit dieser Methode sollen Mechanismen innerhalb von Prozessschritten implementiert werden, durch die sich zufällige Fehler und Probleme vermeiden lassen. 

Wertstromanalyse

Diese Methode dient dazu, Material- und Informationsflüsse in komplexen Produktions- oder Prozessschritten zu visualisieren und dadurch transparenter und verständlicher zu gestalten. Auf diese Weise lassen sich sämtliche Dynamiken, Interaktionen und Abhängigkeiten veranschaulichen. Das Ziel besteht darin, Verschwendungen und ineffiziente Abläufe zu identifizieren, Kosten zu reduzieren, Leistungen zu verbessern und die Zufriedenheit der Kund:innen und Mitarbeitenden zu steigern. 

Ishikawa-Diagramm

Eines von sieben Qualitätswerkzeugen, das auch als Ursache-Wirkung-Diagramm bezeichnet wird. Es unterteilt ein Problem oder eine Wirkung grafisch in potenzielle und bekannte Ursachen – dabei wird zwischen Haupt- und Nebenursachen unterschieden. Eine häufig genutzte Variante des Ishikawa-Diagramms ist die 5-M-Methode, bei der Anwender:innen die Ursachen in fünf Kategorien mit dem Anfangsbuchstaben M einteilen: Mensch, Maschine, Material, Methode, Mitwelt.

Viele unterschiedliche Tools gewährleisten ein erfolgreiches Qualitätsmanagement. Unternehmen sollten Michael Will zufolge zu Beginn aber nicht zu ambitioniert sein. „Six Sigma ist z. B. die hohe QM-Kunst. Diese Methode wird angewendet, wenn ein Qualitätsmanagementsystem bereits seit vielen Jahren vorhanden ist. Dafür benötigt man allerdings eine spezielle Ausbildung. Es beinhaltet außerdem ein Portfolio mit vielen weiteren QM-Werkzeugen.“ Der Experte kenne aber zahlreiche Alternativen, die für junge, kleine und mittlere Unternehmen angemessen seien. 

SWOT-Analyse und Turtle-Methode für kleine und mittlere Unternehmen

Michael Will empfiehlt daher: „Wenn ich als Software-Entwickler oder als Unternehmen, das kleinere Stückzahlen fertigt, ein Qualitätsmanagementsystem als Dienstleistung nutze, würde ich die SWOT-Analyse und die Turtle-Methode favorisieren.“ 

SWOT ermöglicht eine gründliche Analyse der Stärken (Strengths), Schwächen (Weaknesses), Chancen (Opportunities) und Gefahren (Threats) für ein Unternehmen, seine Ressourcen und Umfeld. Dabei werden also zwei Perspektiven genutzt: 

  1. Die interne Unternehmensanalyse

  2. Die externe Umfeldanalyse 

Unternehmen ermitteln so, was sie gut machen, wie sie sich verbessern können, ob sie die gebotenen Chancen optimal nutzen und ob auf den relevanten Märkten wichtige Veränderungen stattfinden.

Bei der Turtle-Methode werden Informationen zur Prozessbeschreibung in der Form einer Schildkröte visualisiert. Die Grafik geht vom Prozess-Input aus und betrachtet dann Ressourcen wie Ausrüstung, Rohstoffe, Qualifikation und Kompetenz, die für die Abläufe benötigt werden. Der Output wie z. B. Produkte oder eine Dienstleistung, die aus dem Prozess hervorgehen, werden mit Zielen und Kennzahlen verglichen und mit Methoden zur Verbesserung unterstützt. 

Ein Vorteil besteht darin, dass die Informationen in einem einfachen und leicht zu lesenden Diagramm miteinander in Beziehung gesetzt werden. Neue Mitarbeiter:innen können somit bereits bei der Einarbeitung sehen und verstehen, welche Rolle sie innerhalb des Unternehmens einnehmen und welchen Mehrwert ihre Aufgaben generieren. Bei einem Audit erleichtert das Diagramm die Identifizierung der verbesserungswürdigen Bereiche, wie sie mit anderen Prozessen verknüpft sind und mit ihnen interagieren. 

Reklamationsmanagement mit dem 8D-Report

Michael Will erwähnt außerdem den 8D-Report und betont: „Richtig angewendet beinhaltet der 8D-Report bereits die 5-Why- und eine Ishikawa-Methode.“ Dieses Tool kann im Reklamationsmanagement nicht nur die Kundenbeziehungen verbessern, sondern auch die Qualität zukünftig hergestellter Produkte. 

Das Modell ist in anderen unerwünschten Situationen anwendbar, die Sofortmaßnahmen erfordern. „8D“ bezeichnet die folgenden acht Disziplinen für eine professionelle, nachhaltige und systematische Problemlösungen, mit denen sich zukünftig Prozessschwierigkeiten und Wiederholungsfehler vermeiden lassen. 

  • Teamzusammenstellung (Team Formation):  

Bildung eines Teams mit Personen, die das Problem verstehen und die Fähigkeiten haben, es zu lösen

  • Problembeschreibung (Problem Description):  

Klare Definition des Problems einschließlich seiner Auswirkungen und Ursachen 

  • Sofortmaßnahmen (Interim Containment Actions):  

Implementierung von kurzfristigen Maßnahmen, um das Problem zu kontrollieren und weitere Schäden zu verhindern 

  • Ursachenanalyse (Root Cause Analysis):  

Identifikation der Hauptursachen des Problems mithilfe von Methoden wie 5 Whys, Ishikawa-Diagrammen oder FMEA 

  • Korrekturmaßnahmen (Permanent Corrective Action):  

Entwicklung und Implementierung von dauerhaften Lösungen, um sicherzustellen, dass das Problem nicht erneut auftritt 

  • Überprüfung der Wirksamkeit (Verify Effectiveness):  

Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie das Problem erfolgreich behoben haben 

  • Präventionsmaßnahmen (Prevent Recurrence):  

Entwicklung von Maßnahmen, um sicherzustellen, dass das Problem in Zukunft vermieden wird 

  • Anerkennung des Teams (Congratulate the Team):  

Anerkennung und Belohnung des Teams für die erfolgreiche Lösung des Problems 

Qualitätsmanagement der Zukunft

Laut Michael Will finden die Instrumente und Grundsätze des Qualitätsmanagements auch zukünftig Anwendung, der Qualitätsmanagementbereich befände sich aber im Wandel. Der Experte hat eine sehr spezifische Vision für die bevorstehende Ära, die von der künstlichen Intelligenz geprägt sein wird. „Wenn ich auf die nächsten fünf Jahre schauen sollte, würde ich sagen, dass die KI in Zukunft das gesamte Wissensmanagement eines Unternehmens managen wird. Das heißt, mithilfe einer künstlichen Intelligenz oder eines sprachgesteuerten Modells sind Nutzerinnen und Nutzer in der Lage, eine Frage zu einem internen Prozess zu stellen, und erhalten darauf direkt eine Antwort inklusive Begleitdokumenten.“ Einen Vorteil sieht der Experte unter anderem darin, dass sich das Chaos mit unübersichtlichen Sharepoints, überwältigend vielen Dokumenten und Administrationsarbeiten durch diese Technologie beseitigen ließe. 

Michael Will geht außerdem davon aus, dass das Qualitätsmanagement in Zukunft deutlich agilere Charakterzüge annehmen wird. „Ich bin ausgebildeter SCRUM Master. Wer sich eine entsprechende Schulung gönnt – die ich jedem empfehlen kann, weil sie superinteressant ist – sieht, dass viele Projektmanagement- mit QM-Tools verbunden sind. Sie heißen zwar anders, sind aber inhaltlich gleich.“ Der Experte sieht die größten Chancen im Umdenken und im Kulturwandel in den Unternehmen. „Die Norm 9001 weist darauf bereits hin. Seit 2015 ist der Qualitätsmanagementbeauftragte weggefallen. Heute heißt es, dass die Unternehmen selbst dafür zuständig sind, wie die Verantwortungen für QM im Unternehmen verteilt sind. Das ist ein erster Schritt in eine Richtung, in der ein Qualitätsmanagementsystem zu einem Instrument wird, das durch die Unternehmenskultur gesteuert wird.“ 

Wie helfen Digitalisierung und KI dabei?

Laut dem Experten werden sich Wissen und Fähigkeiten mit KI-Unterstützung auf die einzelnen Mitarbeitenden verlagern. Anstatt sich an Qualitätsmanager:innen zu wenden, könnten sie künftig selbst entsprechende Entscheidungen treffen. „Sie beurteilen allein, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung zur vollen Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden funktionieren und alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Reine Werksmitarbeitende, die zur Arbeit kommen und nichts zu verantworten haben, kann es schon allein angesichts des Fachkräftemangels nicht mehr geben.“ Sie müssten sich stattdessen mit entsprechenden Skills weiterbilden, bei denen Zeitmanagement und Projektmanagement ebenfalls einfließen würden. „Ich sehe hierin mit den schwindenden Fachkräften die einzige Möglichkeit, die wir haben, um am Weltmarkt weiterhin existieren zu können“, gibt Michael Will zu bedenken. Wie im Qualitätsmanagement typisch erkennt er hierin auch eine vielversprechende Chance, „Made in Germany“ wieder zu einem einschlägigen Qualitätsmerkmal zu machen.