Integration von Nachhaltigkeit im Unternehmen: So gelingt sie
Für Dirk Gremmel ist klar: Die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft ist ein Megatrend, der sich nicht mehr umkehren wird. Das lasse sich, so der Umweltgutachter und Geschäftsführer der Uniconsult GmbH, auch in deutschen Unternehmen beobachten.
Allerdings fällt die Umsetzung von Nachhaltigkeitsbestrebungen unterschiedlich aus. Während manche Betriebe seit Jahren eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen, beschränken sich andere auf einzelne, voneinander losgelöste Maßnahmen.
Wir haben uns mit Dirk Gremmel darüber unterhalten, warum es wichtig ist, das große Ganze im Blick zu behalten, wenn man Nachhaltigkeit ins Unternehmen integrieren will.
Warum nachhaltiges Wirtschaften immer wichtiger wird
Für den Bedeutungsgewinn von Nachhaltigkeit sind mehrere Treiber verantwortlich:
- Gesetze: Ob durch das Lieferkettengesetz oder die CSRD, der Gesetzgeber verpflichtet Unternehmen immer öfter zu nachhaltigem Handeln. Davon sind auch Betriebe betroffen, die das Gesetz nicht direkt anspricht. Große Automobilkonzerne beispielsweise verlangen von ihren Zulieferern detaillierte Informationen zur eigenen Lieferkette und zu Nachhaltigkeitsstrukturen. Fallen diese nicht zufriedenstellend aus, leidet die Geschäftsbeziehung – oder kommt gar nicht erst zustande.
- Ökonomische Gründe: Der Marktdruck durch Verbraucher:innen, Kund:innen und NGOs ist in bestimmten Branchen enorm gewachsen, wie Dirk Gremmel beobachtet. Dabei gelte: Je konsumentennäher, desto größer der Druck. „Wenn ein Unternehmen beispielsweise Babynahrung herstellt und im Bereich Nachhaltigkeit untätig ist, fliegt ihm der Marktdruck um die Ohren.“
- Finanzielle Gründe: Ob große Investmentgesellschaften wie BlackRock oder die kleine Bank von nebenan, bei der Kreditvergabe sind Nachhaltigkeitskriterien längst zentral.
- Vorteile beim Recruiting: Schließlich entscheidet die Nachhaltigkeit von Unternehmen mit darüber, wie attraktiv sie für Fachkräfte sind. Vor allem junge Talente legen großen Wert darauf.
Wie sich Nachhaltigkeit in Unternehmen integrieren lässt
Nachhaltigkeit beruht auf drei Säulen:
Diese Säulen beziehungsweise Bereiche beeinflussen einander. Unternehmen, die eine echte Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und umsetzen wollen, sollten deshalb alle drei betrachten.
Der Ausgangspunkt: Nachhaltigkeitsstrategie formulieren
Dirk Gremmel empfiehlt, mit den folgenden Schritten zu beginnen:
- Wesentlichkeitsanalyse durchführen: Als Ausgangspunkt bietet sich eine Wesentlichkeitsanalyse an. Dabei können sich Unternehmen an den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen oder auch an der DIN EN ISO 26000 orientieren. Entscheidend für die Einstufung als wesentlich sind in jedem Fall zwei Aspekte: die Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft durch die eigene Geschäftstätigkeit und die Bedeutung des Themas für die eigenen Stakeholder:innen.
- Schwerpunkte setzen: Mithilfe der Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse lassen sich Schwerpunkte setzen. Dabei spielen die vorhandenen Einflussmöglichkeiten und Ressourcen eine wesentliche Rolle. Schließlich ist nicht alles umsetzbar, was im ersten Moment gut klingt.
Nachhaltigkeit in Managementsystemen verankern
In aller Regel, betont Dirk Gremmel, müssen Unternehmen das Rad nicht neu erfinden, um nachhaltiger zu werden. Mit einem Umweltmanagementsystem und/oder Energiemanagementsystem beispielsweise habe man schon einen wichtigen Beitrag zur Säule Ökologie. Allerdings sei es dann meist trotzdem notwendig, die eigene Strategie „aufzubohren“, weil Betriebe bisher zwar Aussagen zur Kundenzufriedenheit, zur CO2-Bilanzierung oder zum Umweltschutz, aber nicht zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie getroffen hätten.
Nun müssen sie das Thema auf allen drei Ebenen von Managementsystemen verankern: der normativen, strukturellen und prozessualen Ebene. Das bedeutet, sich realistische Ziele zu setzen und existierende Prozesse unter die Lupe zu nehmen: „Verantwortliche müssen beispielsweise Beschaffungsprozesse betrachten und sich überlegen: Was kann ich tun, um diese nachhaltiger zu gestalten?“
Neue Rollen schaffen
Umgesetzt wird Nachhaltigkeit in Unternehmen auf mehreren Ebenen. Dabei ist eines für Dirk Gremmel entscheidend: „Wenn man den Prozess erfolgreich gestalten will, muss man ganz oben anfangen. Es ist mindestens eine Person im Vorstand oder auf Geschäftsführungsebene notwendig, die Nachhaltigkeit als eigenes strategisches Thema begreift.“
In großen Unternehmen werden die entscheidenden Weichen meistens von drei Personengruppen gestellt.
- Der Vorstand oder die Geschäftsführung entwickelt die übergreifende(n) Strategie(n).
- Nachhaltigkeitsmanager:innen beziehungsweise -beauftragte koordinieren die drei Säulen der Nachhaltigkeit im Unternehmen. Dafür haben sie die erforderliche Methodenkompetenz.
- Darunter sind die Beauftragten für die verschiedenen Managementsysteme angesiedelt, zum Beispiel der oder die Umweltmanagementbeauftragte oder Energiemanagementbeauftragte.
In kleinen Unternehmen mit begrenzten Ressourcen entfällt die zweite Ebene oft. Stattdessen werden die Aufgaben des:r Nachhaltigkeitsbeauftragten auf eine:n vorhandene:n Beauftragte:n übertragen.
Dirk Gremmel hält das für einen gangbaren Weg. Er empfiehlt aber, die neue Rolle genau zu definieren. Außerdem sei es sinnvoll, sie einer Person zu übertragen, die mit dem Thema bereits Berührung habe. Umweltmanagementbeauftragte beispielsweise seien schon mit vielen Themen der „ökologischen Säule“ vertraut, dann könne man ihnen möglicherweise auch die anderen zwei Säulen übertragen.
Wichtig:
Wer als Nachhaltigkeitsbeauftragte:r arbeiten will oder soll, braucht umfassendes Know-how. Weiterbildungen geben nicht nur eine Übersicht über einschlägige Normen. Sie vermitteln auch Herangehensweisen, um Nachhaltigkeitsaspekte in bestehende Abläufe zu integrieren.
Diesen Fehler sollten Unternehmen vermeiden
Wir haben es anfangs angesprochen: Zwar kann kaum noch ein Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit ignorieren. Wie es aufgegriffen wird, unterscheidet sich aber erheblich.
Häufig beobachtet Dirk Gremmel, dass Verantwortliche „mit der Taschenlampe in eine Ecke leuchten“, statt alle drei Säulen der Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen. Weil NGOs Druck ausüben oder um Geld zu sparen, werden einzelne Maßnahmen ergriffen. Dienstfahrten zu kompensieren, sei aber noch keine Nachhaltigkeitsstrategie und auch ein Energiemanagement nur ein kleiner Teil des großen Ganzen. „Da fehlt das Ausgewogene.“
Die intrinsische Motivation ist groß
Erfreulich ist, dass Vorgesetzte in aller Regel wenige Hürden überwinden müssen, wollen sie mehr Nachhaltigkeit ins Unternehmen integrieren. Zwar gebe es, so Dirk Gremmel, Unsicherheiten und Ängste, beispielsweise vor finanziellen Belastungen, aber die intrinsische Motivation sei bei diesem Thema so groß wie bei kaum einem anderen. Das gelte auch für angehende Nachhaltigkeitsmanagementbeauftragte.
Eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn das Bewusstsein, dass für eine zukunftsfähige Wirtschaft ein achtsamer Umgang mit Menschen und Ressourcen notwendig ist, wächst. Damit steigt die Motivation, Veränderungen selbst mitzugestalten und auf diese Art letztendlich auch die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu fördern.
Für Dirk Gremmel steht jedenfalls fest: „Nachhaltige Unternehmen sind auf lange Sicht die erfolgreicheren.“
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