Zeitmanagement war schon ein Bestandteil im Leben viel beschäftigter Führungskräfte, bevor es einen Begriff dafür gab. Benjamin Franklin (1706-1790), Wissenschaftler, Erfinder, Diplomat und Mitgründungsvater der Vereinigten Staaten von Amerika, folgte bereits einem rigorosen Zeitplan. Dieser ließ jedoch auch genügend Raum für Flexibilität und Pausen, um sich den notwendigen Prioritäten des jeweiligen Arbeitstages anpassen zu können.
Zeitmanagement ist nach wie vor ein essenzieller Baustein der modernen Arbeitswelt, von dem Mitarbeitende und Führungskräfte profitieren können. Wir haben uns mit Dr. Katharina Klages, Dozentin an verschiedenen Hochschulen, Coachin und Expertin unter anderem in den Bereichen Change- Management, Human Resources, Organisation sowie Selbst- bzw. Zeitmanagement, unterhalten über:
- Die Bedeutung von Zeitmanagement
- Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Zeitmanagement von Führungskräften und Mitarbeitenden
- Die Vorbildfunktion von Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitenden
- Wichtige Zeitmanagement-Methoden für Führungskräfte
- Die Zukunft des Zeitmanagements und die Rolle, die künstliche Intelligenz dabei spielen könnte
Was bedeutet Zeitmanagement?
Zeitmanagement und der damit verbundene Wunsch nach Produktivität und Effizienz sind in der Wirtschaftswelt allgegenwärtig. Der Grundgedanke und die Definition sind sogar relativ simpel: „Für mich bedeutet Zeitmanagement der angemessene, ausgewogene Umgang mit der mir zur Verfügung stehenden Zeit, um das Arbeitspensum und die zu bewältigenden Herausforderungen ausgewogen erledigen zu können“, erklärt Dr. Klages. Äußerst wichtig dabei ist es, einen sorgfältig abgestimmten Mittelweg zu finden, auf dem sich die Arbeit trotz Schwankungen im Arbeitspensum und der Arbeitsintensität auch ohne dauerhaften übermäßigen Stress bewältigen lässt.
Zeitliche Beziehung zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden
Das Zeitmanagement für Führungskräfte und Mitarbeitende weist Gemeinsamkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede auf. „Grundsätzlich hat der Tag nur 24 Stunden. Die Voraussetzung ist für alle gleich“, betont die Expertin. Wie diese Zeit genutzt wird, variiert jedoch. Mitarbeitende teilen ihre Arbeitsstunden in der Regel im Rahmen ihres Aufgabenbereichs auf. Bei ihren Vorgesetzten verhält es sich etwas anders, wie Dr. Klages erläutert: „Führungskräften obliegt es, den Blick weiter schweifen zu lassen. Sie müssen sich fragen: Was habe ich als Führungskraft zu tun? Was muss mein Team und was müssen meine Mitarbeitenden schaffen? Was wird vielleicht von mir darüber hinaus an strategischen Überlegungen erwartet?“
Führungskräfte sollten sich dabei ihrer Vorbildfunktion bewusst sein, da ihre Arbeitsweise durchaus Auswirkungen einerseits auf die Mitarbeitenden und andererseits auf die Kolleg:innen im Führungsteam hat. Dr. Klages verdeutlicht: „Es gibt eine Vorbildwirkung – sowohl im negativen als auch im positiven Sinne.“
Im Arbeitsumfeld können unterschiedliche Zeittypen harmonieren oder miteinander kollidieren. Die Expertin veranschaulicht mögliche Konflikte an einem Beispiel: „Wenn Mitarbeitende sehr konzentriert und gründlich arbeiten, eine eher chaotisch-kreative Führungskraft aber an jedem Tag eine neue Idee zum gleichen Thema hat und die vorher sorgfältig ausgeführte Arbeit über den Haufen wirft, trägt sie erheblich dazu bei, dass die Teammitglieder mit ihrer Zeit nicht auskommen.“ Zeitgleich kann bei der Führungskraft der Eindruck entstehen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter nicht in der Lage ist, die Aufgaben termingerecht zu erfüllen, was tatsächlich nicht der Fall ist. An dieser Stelle sind Missverständnisse und Fehleinschätzungen (auch über das Leistungsverhalten) vorprogrammiert.
Da Vorgesetzte logischerweise nicht alle Details kennen, müssen sie offen für die zeitlichen Probleme ihrer Mitarbeitenden sein und flexibel darauf reagieren. „Sie sollten ein Gefühl dafür entwickeln, wie lange Mitarbeitende für eine Tätigkeit X benötigen, aber auch mit einkalkulieren, dass zum Beispiel Software zwischendurch abstürzen kann und eine Aufgabe, die normalerweise fünf Minuten dauert, dadurch anderthalb Stunden in Anspruch nimmt.“ Auch die Zuarbeit anderer Personen beeinflusst das zur Verfügung stehende Zeitbudget. Fehlerhafte oder unvollständige Zuarbeiten sind wiederkehrende Zeitfresser.
Stetige Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg. „Es handelt sich immer um ein Miteinander, ein Abstimmen und ein Vorleben der Führungskräfte“, unterstreicht die Expertin. Oftmals scheitert ein effektives Zeitmanagement an einem vorgelagerten fehlerhaften Entscheidungs- und Kommunikationsverhalten. „Die Erfahrung habe ich in verschiedenen Seminaren gesammelt. Da geraten Mitarbeitende immer wieder unter Druck, weil sie keine Entscheidungen ‚von oben‘ erhalten, da noch abgestimmt wird. Das führt zu Verzögerungen in der operativen Umsetzung, während der Zeitraum, in dem sie etwas erledigen könnten, weiter schrumpft. Oder aber Entscheidungen und Anweisungen werden nur unvollständig weitergegeben, was wiederum zu Nachfragen und somit einem größeren Zeitbedarf führt.“
Übersicht Zeitmanagement-Methoden
Dieses Framework hilft bei der Priorisierung von Aufgaben und Tagesordnungspunkten, indem sie nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit kategorisiert werden. Dazu dient ein Vierfelder-Quadrat mit einer x-Achse, die mit „dringend“ und „nicht dringend“, und einer y-Achse, die mit „wichtig“ und „nicht wichtig“ beschriftet ist. „dringend und wichtig“ in der oberen rechten Ecke erfordern sofortiges Handeln.
Bei dieser Herangehensweise wird ein bestimmter Zeitabschnitt innerhalb des Kalenders für eine spezifische Aufgabe oder eine Aufgabengruppe festgelegt oder blockiert. Time Blocking hilft bei der Strukturierung der To-do-Liste und des Arbeitstages. Größere Projekte lassen sich in kleinere Aufgaben zerlegen. Ablenkungen und Prokrastination werden konsequenter verhindert.
Bei diesem Ansatz werden 25-minütige Abschnitte konzentrierter Arbeit durch fünfminütige Pausen unterbrochen. Auf vier aufeinanderfolgende Arbeitsintervalle folgen in der Regel längere Pausen von 15 bis 30 Minuten. Durch die erholsamen Pausen lässt sich die Konzentration über einen größeren Zeitraum aufrechterhalten, während sich die Tendenzen zum Zögern und Multitasking leichter überwinden lassen.
Diese Methode beruht auf der Idee, dass sich 80 Prozent des Projektnutzens mit 20 Prozent der Arbeit erreichen lässt. Umgekehrt können auch 80 Prozent der Probleme auf 20 Prozent der Ursachen zurückgeführt werden. Es handelt sich um ein leistungsfähiges Qualitäts- und Entscheidungsfindungsinstrument, um Fakten zu ermitteln, die bei der Festlegung von Prioritäten helfen.
Bei der auch als GTD bezeichneten Methode geht es darum, weniger wichtige Aufgaben wie das Beantworten von E-Mails oder die Planung eines Meetings an ein vertrauenswürdiges externes System abzugeben. Anwenderinnen und Anwender dieser Technik können sich anschließend ohne Ablenkungen und mit voller Konzentration und Klarheit ihrer priorisierten Arbeit widmen.
Die vom Wirtschaftswissenschaftler und Zeitmanagement-Experten Prof. Lothar J. Seiwert entwickelte Methode konzentriert sich auf eine konsequente Planung des Arbeitstages am Abend zuvor oder am gleichen Morgen. Zu Beginn wird eine To-do-Liste mit anstehenden Aktivitäten und deren geschätzte Dauer erstellt. Pufferzeit für unvorhersehbare Zeitverluste oder Unterbrechungen, aber auch soziale Aktivitäten wie Pausen und Gespräche werden in die Tagesplanung eingebaut. Eine anschließende Untersuchung zeigt, ob sich das Arbeitspensum bewältigen lässt, welche Aufgaben dringend sind und welche vielleicht verschoben werden können. Nach getaner Arbeit wird überprüft, ob der Plan und die Zeitabschätzungen aufgegangen sind oder ggf. Anpassungen für die Zukunft vorgenommen werden müssen.
Effektive Zeitmanagement Methoden für Führungskräfte
Ist die Kommunikationsbasis für ein effektives Zeitmanagement vorhanden, stellt sich die Frage nach den passenden Tools. Eisenhower-Matrix, Pareto-Analyse, Pomodoro-Technik – wer sich mit Zeitmanagement beschäftigt, wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden konfrontiert. Dr. Klages ist der Ansicht, dass Führungskräfte so viele wie möglich kennen sollten. Welche Methode bevorzugt wird, bleibt jedoch eine persönliche Entscheidung. Dennoch sind einige Verfahren in den Augen der Expertin stets relevant: „Ich halte die Eisenhower-Matrix noch immer für besonders hilfreich. Auf diese Weise lässt sich schnell bestimmen, welche Aufgaben wichtig und dringend sind und welche herausfallen können, weil die Relevanz nicht mehr gegeben ist. Insbesondere diese letzte Entscheidung – was stellen wir hintenan, welchen Weg verfolgen wir (vorerst) nicht weiter – ist besonders wichtig, um den Berg an Aufgaben nicht stetig anwachsen zu lassen und somit freie Zeiten für Wichtiges zu ermöglichen.“
Time Blocking steht ebenfalls auf der Liste der essenziellen Zeitmanagement-Tools von Dr. Klages. „Das ist beispielsweise enorm wichtig, wenn jemand für die Vorbereitung eines wichtigen Gesprächs oder einer Verhandlung eine ruhige Stunde benötigt, um etwas zu durchdenken, durchzuspielen und sich vorzubereiten. Diese Möglichkeit sollte Führungskraft sich selbst und ihren Mitarbeitenden zugestehen. Hierbei handelt es sich immer um ein Geben und Nehmen. Die besseren Ergebnisse und auch die gefühlte bessere Nutzung der verfügbaren Zeit werden in der Praxis überzeugen.“ Die Expertin betont auch die Bedeutung von Zeit für Entspannung zwischendurch, dem Abschalten nach einer Aufgabe oder einem Thema und die Vorbereitung auf ein Neues. Terminsetzungen ohne kleine Puffer oder Pausenzeiten führen zu Hektik und letztlich auch zu Unzufriedenheit aller Beteiligten, da sie das Gefühl haben, die Dinge und die Zeit nicht mehr selbst steuern zu können. Die Wirkung einer Kurzpause für eine erholende Tasse Tee oder einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft sollte nach ihrer Ansicht nicht unterschätzt werden.
Künstliche Intelligenz und Zukunft des Zeitmanagements
Wie in zahlreichen anderen Bereichen hält die künstliche Intelligenz auch beim Zeitmanagement interessante Neuerungen bereit. Sie kann potenziell einzigartige Einblicke in das individuelle Arbeitsverhalten und die Produktivitätsgewohnheiten bieten, indem sie die für verschiedene Aufgaben aufgewendete Zeit exakt nachverfolgt. Anhand der Daten lassen sich Bereiche identifizieren, in denen möglicherweise zu viel Zeit mit unproduktiven Tätigkeiten verbracht wird, und Möglichkeiten zur Effizienzoptimierung entdecken. Theoretisch ist die KI in der Lage, intelligentere Planung ohne Terminkonflikte zu gewährleisten, Besprechungserinnerungen zu versenden, den Arbeitsplan auf die Bedürfnisse aller Angestellten zuzuschneiden oder Schichten kranker Mitarbeitender zu verlegen oder umzubesetzen.
So vielversprechend die neue KI-Welt anmuten mag, ist die Haltung einer menschlichen Führungskraft letztendlich entscheidend für ihren Erfolg bei der Anwendung. „Nichtsdestotrotz sind es immer noch die Menschen, die mit künstlicher Intelligenz zusammenarbeiten und sie nutzen. Man kann sie effektiv und sinnvoll einsetzen oder sagen: ‚Nein, das möchte ich nicht‘, und konterkarieren. Wenn es handwerklich gut gemacht ist, kann KI eine gute Unterstützung sein, aber die Bereitschaft zu ihrer Anwendung und ein Verständnis dafür müssen vorhanden sein. KI kann theoretisch auch ein echter Verhinderer sein, wenn sie nicht funktioniert.“ Wie anderen Expertinnen und Experten in verschiedenen Fachgebieten fällt es auch Dr. Klages aktuell schwer, abzuschätzen, wo genau diese Reise hinführt. Festzustehen scheint lediglich, dass sie sich auch für das Zeitmanagement spannend und interessant gestalten wird.
Ihre Ansprechpartnerin
Portfoliomanagement
Große Bahnstraße 31, Hamburg
Tel.: +49 40 8557-1566
npaetzel@tuev-nord.de