Wie Lerntyp und Veranstaltungsformat zusammenhängen
Digitale Lernformate haben spätestens seit der Corona-Pandemie für die Weiterbildung von Mitarbeitenden an Popularität gewonnen. Nicht alle lernenden Personen kommen aber mit dem stillen und oftmals isolierten Lernvorgang zurecht, bevorzugen andere Fortbildungsmöglichkeiten. Wie lässt sich also herausfinden, welches Lernformat sich am besten für die jeweilige Person eignet? Welche Faktoren sind bei der Entscheidung für oder gegen ein Fortbildungsmodell ausschlaggebend? Und was unterscheidet das Konzept der Lernformate von den klassischen Lerntypen?
Wir haben uns mit Sebastian Spörer, Managementtrainer, Berater, Führungskräfteentwickler und Geschäftsführer der Neuropioneers Training & Consulting GmbH, über folgende Themen unterhalten:
- Neuronale Grundlagen des Lernens
- Unterschiede zwischen den Konzepten der Lernformate und Lerntypen
- Die Rolle von Persönlichkeitstypen bei der Wahl eines passenden Lernformats
Außerdem haben wir mit Thomas Hoger, Mitbegründer der VR/AR + KI-Lernplattformen 3spin Learning, über diese Weiterbildungsaspekte gesprochen:
- Zugänglichkeit, Skalierbarkeit und Kosten verschiedener Lernformate
- Angemessene Lernformate und Technologien für jeden Abschnitt der Lernreise
- Zukunftsperspektiven: Wie Lernformate und Weiterbildungen mit VR und AR aussehen
Lernprozess im Gehirn
Es ist hilfreich, sich dem Lernprozess auf einer neuronalen Ebene zu nähern und die Grundlagen zu verstehen, um das passende Lernformat für einen bestimmten Lerntypen zu finden. Sebastian Spörer beschreibt das Lernen als Prozess, bei dem sich zwei Nervenzellen einander annähern. „Die Synapsen verbinden sich miteinander, damit ein Aktionspotenzial von Zelle A zu Zelle B transportiert werden kann. Zwischen den beiden Zellen liegt jedoch ein synaptischer Spalt, der chemisch überwunden werden muss.“
Diese Aufgabe übernehmen Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin, GABA und Glutamat. Beim Lernvorgang wachsen Synapsen zusammen, damit das Aktionspotenzial künftig schneller übertragen werden kann. Sebastian Spörer veranschaulicht diesen Vorgang anhand eines vereinfachten Beispiels: „Wenn wir bisher im Wald nur grüne Himbeeren gesammelt und gegessen haben, dann ist jeweils eine Nervenzelle für die Himbeere und eine andere für die Farbe Rot zuständig. Essen wir dann zum ersten Mal eine rote Himbeere, wird Dopamin ausgeschüttet und die beiden Nervenzellen wachsen zusammen.“
Ängstliches und begeistertes Lernen
Daraus ergeben sich wiederum diverse Lernpersönlichkeiten, die sich zunächst grob in zwei Kategorien unterteilen lassen:
- Bei eher ängstlichen Personen wird der Lernprozess vom Stresshormon Noradrenalin beeinflusst. Sie lernen, weil sie bestimmte Situationen vermeiden möchten. Sebastian Spörer zieht dafür ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung heran. „Ich habe mal erlebt, dass sich jemand auf einen Saunaofen gesetzt hat. Vermeidungslernen bedeutet, dass die Person diese Handlung nicht wiederholt.“ Dasselbe Prinzip lässt sich auf Schüler:innen, Studierende oder andere lernende Personen ausweiten, die keine schlechte Note bei der nächsten Klausur erhalten und die gleichen Fehler um jeden Preis vermeiden möchten. '
- Wer mit Freude und Begeisterung an den Lernvorgang herangeht und weniger aus Angst heraus büffelt, wird dagegen mit dem Glückshormon Dopamin belohnt, das die Zellverbindungen sogar zu fördern scheint.
„Im Prinzip können wir uns das Lernsystem wie ein Fußballfeld vorstellen, auf dem sich zwei Mannschaften gegenüberstehen: eine Begeisterungsmannschaft und eine Stressmannschaft. Entweder lerne ich mit dem einen oder mit dem anderen Team, aber meine Emotionen spielen beim Lernprozess immer eine entscheidende Rolle“
Unterschiede zwischen Lerntypen und Lernformaten
Über lange Zeit hinweg bestimmten vier Lerntypen die Lernpsychologie. Personen wurden danach kategorisiert, mit welchen Sinnen oder Wahrnehmungskanälen sie am besten lernen:
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Auditiver Lerntyp: Lernen durch Zuhören
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Visueller Lerntyp: Lernen durch Lesen oder Konsum weiterer visueller Inhalte
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Motorischer Lerntyp: Praxisorientiertes Lernen
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Kommunikativer Lerntyp: Lernen in der Gruppe, durch Partnerarbeit und Unterhaltung
„Wie zahlreiche andere widerlegte Thesen stammt diese aus den Anfängen der Psychologie und Pädagogik der 1930er-, 40er-, 50er- und 60er- Jahre. Mittlerweile haben sich die Ansichten zu den Lerntypen aber geändert. Lernende Personen wurden beispielsweise in die Kategorien ‚visueller Lerntyp‘ oder ‚auditiver Lerntyp‘ eingeteilt. Inzwischen ist aber bekannt, dass das Gehirn alle Sinne zum Lernen verwendet“, verdeutlicht Sebastian Spörer. Bei der Idee der Lerntypen handele es sich um eine Beobachtung, die zur Gesetzmäßigkeit erhoben, aber nie empirisch belegt wurde.
Der Experte bevorzugt stattdessen die Lernpersönlichkeiten. „In der Psychologie stellt die Persönlichkeitsforschung gemeinsam mit der Intelligenzforschung ein robustes Forschungsgebiet dar. Wenn wir davon ausgehen, dass extrovertierte oder wettbewerbsorientierte Menschen ein anderes Lernformat bevorzugen als introvertierte oder verträgliche Individuen, plädiere ich dafür, Lernformate auf der Basis von Persönlichkeitstypen oder Persönlichkeitsverfahren zu entwickeln.“
An dieser Stelle lassen sich Neurowissenschaften und Psychologie verbinden – Ersteres fragt, woher jemand Dopamin bekommt, Letzteres erforscht, welcher Persönlichkeitstyp welche Anknüpfungspunkte besitzt und welche Ansprache er beim Lernprozess benötigt. Sebastian Spörer schlägt vor, sich an den Big-Five-Persönlichkeitstypen zu orientieren, um zum geeigneten Lernformat zu gelangen.
Big-Five-Persönlichkeitstypen
Die Ursprünge der Big Five lassen sich in den 1930er- Jahre finden. Das auch OCEAN genannte Persönlichkeitsmodell konnte aber auf zahlreiche Studien angewendet werden, selbst wenn es im Laufe der Jahrzehnte immer wieder leicht modifiziert wurde. Persönlichkeitstests wie der häufig verwendete NEO-PI-R-Test helfen dabei, die eigene Big-Five-Persönlichkeit zu identifizieren.
Ein Offenheitswert verrät, wie ein Mensch mit neuen Erfahrungen und Eindrücken zurechtkommt. Ein hoher Offenheitswert deutet Neugier, Abenteuerlust und Kreativität an. Ein niedriger Offenheitswert lässt auf eine traditionell-konservative Persönlichkeit schließen, die gewohnte und altbewährte Wege und Methoden bevorzugt.
Dieser Faktor gibt an, wie sorgfältig und gewissenhaft eine Person bei ihrer Arbeit vorgeht. Ein hoher Wert deutet auf eine organisierte, effiziente oder sogar perfektionistische Person hin, während ein niedriger Wert geringe Achtsamkeit und eventuell sogar Nachlässigkeit vermuten lässt.
Anhand der Extraversionswerte lässt sich feststellen, wie sich eine Person in sozialen Situationen verhält. Individuen mit hohen Werten sind in der Regel optimistischer, kommunikativ und kontaktfreudig. Menschen mit einer geringen Extraversion gelten als introvertiert und reserviert, können dafür aber sehr effektiv für sich allein und unabhängig von anderen arbeiten.
Menschen mit einer hohen Verträglichkeit beweisen im Umgang mit ihren Mitmenschen oft mehr Empathie, Sensibilität, Geduld und Toleranz. Eine geringe Verträglichkeit zeigt sich bei misstrauischen, konfliktfreudigen und sogar egoistischen Menschen.
Neurotizismus beschreibt, wie Menschen negative Emotionen managen. Eine Person mit gravierendem Neurotizismus ist häufig nervös, ängstlich und verunsichert. Ein niedriger Neurotizismus drückt sich in einer selbstbewussten, gelassenen und zufriedenen Persönlichkeit aus.
Die Bedeutung des richtigen Lernformats
„Ich bin eher ein innenorientierter Typ, verrät Sebastian Spörer. „Mir helfen daher Formate nicht, die Austausch mit anderen beinhalten. Ich profitiere von einer selbstständigen Beschäftigung, vielleicht mit einem Mentor oder Tutor, und Aufgaben, die ich bearbeiten kann. Extrovertierte und außenorientierte Menschen können dagegen mehr aus Seminaren und Gruppenarbeiten mitnehmen. Verträglichkeit ist eine weitere Persönlichkeitsdimension, bei der ich ein Team um mich herum benötige. In diesem Fall eignet sich eine Lerngruppe mit Menschen, die ich mag. Wettbewerbsorientierte Persönlichkeiten möchten im nächsten Test besser abschneiden als im letzten. Für diese Personen eignen sich also Erfolgsabfragen zur Leistungssteigerung.“ Werden Persönlichkeitsbedürfnisse durch das Lernformat erfüllt, komme es wahrscheinlicher zu einer Dopaminausschüttung und der Lehrstoff werde besser abgespeichert – egal, um welche Inhalte es geht.
Unterschiedliche Lernformate
Präsenzlernen/ Präsenzseminar:
Beim Präsenzlernen oder bei einem Präsenzseminar befinden sich Lehrer:innen oder Trainer:innen in einem Raum mit den lernenden Personen. In der Regel handelt es sich bei den Lernenden um eine größere oder kleinere Gruppe, die Informationen aufnimmt und sich mehr oder weniger am Unterrichtsgeschehen beteiligt.
E-Learning:
Das auch als Online-Lernen bezeichnete Lernformat umfasst alle Arten von digitalen Medien, die den Lernprozess direkt fördern. Ein zentrales Merkmal des E-Learnings ist seine örtliche Flexibilität. Es kann an jedem Ort durchgeführt werden, vorausgesetzt, der lernenden Person stehen ein entsprechendes Endgerät sowie eine stabile und ausreichend schnelle Internetverbindung zur Verfügung. Die Lernmethode kann sowohl von Einzelpersonen als auch von größeren Gruppen genutzt werden.
Blended Learning:
Blended Learning kombiniert strategisch Elemente des Präsenzlernens und des E-Learnings, sodass eine kohärente Lerneinheit entsteht. Im besten Fall ergänzen sich die verschiedenen On- und Offline-Lernformate perfekt und fügen sich nahtlos zusammen, sodass sämtliche Nachteile einer Lerntechnik durch die Vorteile einer anderen wieder ausgeglichen werden.
Selbststudium:
Bei einem Selbststudium nimmt die lernende Person keinerlei oder kaum fremde Hilfe, z. B. durch Lehrpersonal, in Anspruch. Stattdessen eignet sie sich die erforderlichen Kenntnisse mithilfe von Büchern, Fachartikeln oder anderen Lernmitteln individuell an. Das Selbststudium ist zwar oft durch eine Modulstruktur geprägt, die Lernaktivitäten müssen aber selbstständig organisiert und geplant werden.
Webinar:
Das Webinar gehört zur Kategorie des E-Learnings. Es handelt sich um ein Seminar oder eine andere Art der Präsentation, das beispielsweise über eine Videotelefonie-Plattform angeboten wird. Wie in einem Präsenzseminar können die Teilnehmenden aber häufig via Chat, Mikrofon bzw. Mikrofon und Kamera am Unterrichtsgeschehen teilnehmen, sich einbringen und Fragen stellen.
VR- und AR-Training:
Bei einem VR-Training können Teilnehmende innerhalb einer komplett virtuellen Umgebung verschiedene Unternehmensprozesse und für ihre Arbeite relevante Handgriffe erlernen. Bei einem AR-Training wird die reale Welt mithilfe eines smarten Endgerätes oder einer AR-fähigen Brille um zusätzliche digitale Informationen oder visuelle Elemente erweitert. Diese Elemente können beispielsweise wichtige Kenntnisse enthalten, die für die aktuelle Aufgabe relevant sind und für die Zukunft verinnerlicht werden müssen.
Unabhängig vom Lernformat sieht Sebastian Spörer großen Wert im Lernen anhand von KPIs und Tests. Mithilfe von Key Performance Indicators lassen sich klare, messbare Lernziele für bestimmte Fähigkeiten festlegen. Dafür eignen sich regelmäßige praktische oder theoretische Tests, wie beispielsweise Simulationen, technische Prüfungen oder vergangene Klausuren. Anhand der Testergebnisse können lernende Personen ihre Stärken und Schwächen identifizieren und verstehen, um basierend darauf den Lehrplan anzupassen.
Zukunftsorientierte Mitarbeiterentwicklung mit VR
XR revolutioniert die Bildung und setzt einen neuen Standard für erlebnisorintiertes Lernen. Bleiben Sie zukunftsfähig durch VR- und AR-Lernerlebnisse und profitieren Sie von vielen Vorteilen:
- Wissen bleibt nachweislich besser in Erinnerung
- Lerneinheiten könnenn beliebig oft wiederholt werden
- Simulation kritischer Situationen möglich
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Spart finanzielle und zeitliche Ressourcen
Freude am Lernen durch moderne Technologien steigern
Thomas Hoger weiß aus praktischer Erfahrung, dass Motivation und Spaß maßgeblich zum Lernerfolg beitragen. „Bei einem Pilotentraining haben wir ein kleines Experiment mit drei Vergleichsgruppen durchgeführt. Eine Gruppe hat klassisch mit Stift und Papier gelernt. Eine andere hat an einem VR-Training mit faktisch korrekten Inhalten teilgenommen. Die Dritte hat ebenfalls ein VR-Training absolviert, aber keine echten Lerninhalte vermittelt bekommen, sondern sich als eine Art Placebo nur mit coolen Spielereien und Cookies beschäftigt. Ohne darauf abzuzielen, hat die VR-Gruppe mit den korrekten Ausbildungsmaterialien besser abgeschnitten als die Gruppe, die traditionelle Lerntechniken genutzt hat.“
Auch wenn das Lernthema eine untergeordnete Rolle bei der Entscheidung für ein angemessenes Lernformat spiele, betont Thomas Hoger, dass nicht jedes Weiterbildungsmaterial für ein VR- oder AR-Training angemessen ist. „Es ist nicht sinnvoll, alle Inhalte in die virtuelle Realität zu zwängen. Ich bin Fan des Blended Learnings. Um reines Faktenwissen zu lernen, sind Formate wie Seminare oder E-Learning angemessener.“
Theoretisches Wissen greifbar präsentieren
Thomas Hoger hält aber bereits Ideen bereit, wie sich theoretisches Wissen in praxisorientierten digitalen Lernformaten & -ansätzen einbetten lassen könnte. „In der Schule hatte ich auf das Addieren von Birnen und Äpfeln wenig Lust, weil sich mir der Zweck nicht richtig erschlossen hat. Im Studium haben wir dann programmiert und damals noch auf einem Personal Digital Assistant ein Navigationssystem für Stadtführungen entwickelt.“ Auf diese Weise können abstrakte Inhalte greifbarer gemacht werden.
Neben praktischer Anwendung von theoretischem Wissen kann die virtuelle Repräsentation von unternehmensinternen Prozessen Mitarbeitenden helfen, ihre eigene Rolle innerhalb eines Betriebs besser zu verstehen. „An einem Messestand des Softwarekonzerns SAP habe ich gesehen, wie Datenströme in der Virtual Reality dargestellt wurden. Ich hatte Wolken mit Informationen um mich herumschweben, die jeweils den Kunden, die Bestellung und das Produkt repräsentierten und sich aufeinander zubewegten. Wo sonst nur oberflächlich Datenbanken zu sehen waren, ließen sich diese Zusammenhänge jetzt systemvisuell veranschaulichen.“ Das neuartige Science-Fiction-Element, das einige Nutzer:innen vielleicht an Blockbuster wie „Minority Report“ oder „Ready Player One“ erinnert, sorgt bestenfalls für Dopamin-Ausschüttung und einen zusätzlichen Spaßfaktor.
Zugänglichkeit, Skalierbarkeit und Kosten
Neben den persönlichen Vorlieben spielt insbesondere für Berufstätige die Zugänglichkeit eine wichtige Rolle bei er Wahl des passenden Lernformats, gibt Thomas Hoger zu bedenken. „Wo befinden sich die lernenden Personen überhaupt und wo können sie hinkommen? Sind sie mobil? Handelt es sich um Deskworker? Haben sie überhaupt einen festen Arbeitsplatz oder sind sie die ganze Zeit unterwegs? Arbeiten die Personen zu ungewöhnlichen Zeiten, z. B. in Schichtarbeit? Diese Faktoren bestimmen, ob jemand im Klassenraum präsent sein kann oder ob digitale Formate erforderlich sind.“
Kosten und Skalierbarkeit müssen ebenfalls mit einkalkuliert werden, ergänzt der Experte. „Wenn ich nur zehn Personen schulen muss, kann ich sie problemlos zur Weiterbildungsstätte bringen. Wenn ich 20.000 Mitarbeitende schule, sieht das schon wieder anders aus. Ich kann diese Menschenmenge durch ein Exponat schleusen oder eine digitale Lösung nutzen. Bei der Ausbildung von Flugbegleiter:innen in einem Flugzeug ergibt die virtuelle Alternative z. B. mehr Sinn als ein reales Flugzeug, das währenddessen am Boden bleibt und kein Geld erwirtschaftet.“
Unterschiedliche Technologien für die Learner Journey
Thomas Hoger sieht den Lernprozess aber auch als eine Art Learner Journey. Abhängig davon, wo sich die lernende Person gerade auf dieser Reise befindet, kann ein spezifisches Lernformat effektiver als ein anderes sein. „Ich denke, das fällt unter die Kategorie XR. Es kommen verschiedene Technologien zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Einsatz.“ Neuen Mitarbeitenden können beispielsweise schon vor Beginn der Tätigkeit Einblicke in die Firma gewährt werden, um ihnen eine erste Orientierung zu verschaffen. Laut Thomas Hoger reichen dafür schon einfache 360-Grad-Inhalte aus. Diese Rund-um-Fotos und -Videos lassen keine freien Bewegungsabläufe zu, wie sie in der virtuellen Realität üblich sind. Nutzer:innen können sich dennoch einen ersten Eindruck verschaffen und von einem festgelegten Punkt zum nächsten springen.
Anschließend könne es zu einem ausführlicheren Onboarding mit Standortbesichtigungen, Werksführungen und Kennenlernen der Kolleg:innen kommen. Um Grundlagen für die Tätigkeit zu lernen, eigne sich wieder VR. „Laborarbeit sollte besser in einer 3D-Umgebung trainiert werden, weil sich bestimmte Handgriffe nicht durch Zuschauen erlernen lassen“, ergänzt Thomas Hoger. Andere Mitarbeitende kennen die Grundlagen, möchten sich aber trotzdem verbessern und ihre Fertigkeiten um einige Prozentpunkte optimieren. Diese Personen können wiederum Augmented Reality nutzen, um die reale Welt mit zusätzlichen Informationen anzureichern. „Wenn jemand z. B. an einem Schaltkasten arbeitet, ist diese Technologie praktisch, um sich zukünftig nicht oder nicht mehr zu verletzen, die eigenen Bewegungsabläufe zu perfektionieren oder relevantes Wissen aufzufrischen.“
Gegen Ende der Reise mangele es Mitarbeitenden, die alle praktischen und handwerklichen Fähigkeiten beherrschen, gelegentlich an Softskills und Kommunikationsfertigkeiten. „An diesem Punkt werden VR und 360-Grad wieder interessant.“ In den virtuellen Welten können User:innen schon mit KI-Charakteren interagieren, um ihre Sozialkompetenzen zu trainieren.
„Das Ineinandergreifen der verschiedenen Lernformate, die aufeinander aufbauen, ist in meinen Augen ein entscheidender Faktor. Ich glaube, in den letzten Jahren war es eher so, dass man VR isolierter betrachtet hat. Wir kommen jetzt aber wieder an den Punkt, an dem VR sich zu einem selbstverständlichen Lernformat entwickelt, das mit allen anderen zusammen gedacht wird“, erläutert Thomas Hoger.
Lernerfolge messen
Für den Experten steht aber fest, dass eine Erfolgsmessung ein Teil der beruflichen Weiterbildung und des entsprechenden Lernformats sein muss. „Feedback benötige ich, damit ich über einen längeren Zeitraum meine Lernfortschritte messen kann.“ Bestenfalls lassen sich diese Erfolge irgendwo abspeichern, um personaltechnisch darauf aufbauen zu können.
Dafür gibt es bereits ebenfalls digitale Lösungen. „Unsere Plattform ist zum Beispiel X- API- kompatibel, ein Standardformat für die Verwaltung und den Austausch von Lernkursen sowie die Erfassung von Lernerfolgen. Das haben wir ganz bewusst gemacht.“ Auf diese Weise können sich die Mitarbeiter:innen erst via Web Based Training oder Power Point- Folien mit den Prozessabläufen und theoretischen Grundlagen beschäftigen, bevor das VR-Modul freigeschaltet wird, wo sie in die 3D-Welt eintauchen. Basierend auf den Lernfortschritten können sich Teilnehmende von einem Modul zum nächsten vorarbeiten.
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Die Zukunft der Weiterbildung und Lernformate
Wie können aber Unternehmen und insbesondere KMUs oder Start-ups von flexiblen Lernformaten und Blended Learning profitieren? Thomas Hoger ist sich bewusst, dass insbesondere großen Konzernen finanzielle Mittel und Kapazitäten zur Verfügung stehen, um langfristiger und strategischer zu denken und zu planen. „KMUs arbeiten dagegen häufig von Quartal zu Quartal und können nicht unbedingt einen Fünfjahresplan machen. Fördergelder wären eine mögliche Lösung, werden aber aus unterschiedlichen Gründen nicht genutzt.“
Das bestätigt auch eine Studie von IAB Forum – Magazin des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung von 2023. Kleinere und mittlere Firmen greifen demnach weniger oder überhaupt nicht auf Förder- und Weiterbildungsmöglichkeiten zurück. Viele der befragten Unternehmer:innen und leitenden Angestellten besaßen keine Kenntnisse über entsprechende Programme und Angebote. Andere kritisierten, dass das Weiterbildungsangebot oft nicht zum bestehenden Bedarf passe. Der administrative Aufwand, der mit der Beantragung einhergehe, sei außerdem zu hoch.
Ferner ließen sich Weiterbildungen bei voller Auslastung der oftmals geringen Kapazitäten schwer in das Tagesgeschäft einbinden und der Arbeitsausfall nicht kompensieren. Viele Mitarbeitende verzichten selbst auf angebotene Fortbildungen, wenn diese beispielsweise außerhalb der Arbeitszeit stattfinden und sich nicht mit der Familienbetreuung vereinbaren lassen. Lange Fahrzeiten zum Weiterbildungsstandort, die insbesondere in ländlichen Gebieten ins Gewicht fallen, können eine logistische, aber auch Motivationshürde darstellen.
Thomas Hoger hat selbst Erfahrungen mit der Komplexität bei der Antragsstellung von Fördergeldern gemacht und plädiert dafür, dass viele dieser Hindernisse zukünftig abgebaut werden müssen. „Ich kenne das selbst, wir haben selbst schon das eine oder andere Mal überlegt, uns zu bewerben, aber die Hürden sind teilweise sehr hoch und man weiß ja auch nie, ob das letztendlich klappt.“
Gerade hier sieht er aber Anknüpfungspunkte für technologische Fortschritte bei Lernformaten wie VR, AR und MR, die schon jetzt zugänglicher und kostengünstiger werden. Neben der zeitlichen und örtlichen Flexibilität, die diese Lernformate eröffnen, lassen sie sich leicht implementieren. „Kleinere und mittlere Unternehmen können sich jetzt ebenfalls so etwas leisten. Diese Formate sind inzwischen sogar mit den vorhandenen Learning -Management- Systemen (LMS) kompatibel. Viele KMUs nutzen schon ein LMS, und spätestens seit Corona gab es in diesem Bereich einen Riesenschub, sodass VR- und AR-Lösungen problemlos in eine bestehende Landschaft integriert werden können.“ Die IT sei mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Unternehmen die entsprechenden Geräte in größeren Mengen verwalten können.
Mussten bestimmte VR- oder AR-Karrierelernszenarien früher noch aufwendig programmiert werden, lassen sich diese heute vollkommen ohne Programmierkenntnisse mit sogenannten No-code-Tools erstellen. Selbst eine Brille sei nicht für alle Lerninhalte unbedingt notwendig. Wenn ein Unternehmen sich mit einer großen Investition erst einmal zurückhalten möchte, lassen sich 3D-Szenarien auch am Laptop oder Tablet durchführen.
Insgesamt blickt Thomas Hoger positiv in die Zukunft der Weiterbildung und geht davon aus, dass wir uns wirtschaftlich und gesellschaftlich an einem Kipppunkt befinden. „Kulturelle, finanzielle und technische Hürden werden aktuell gesenkt, sodass die Technologie von den Early Adoptern zu der Early Majority gelangt, also von frühzeitigen Anwender:innen zu einer frühen Mehrheit.“
Der Experte hofft, dass sich Unternehmen neuen Weiterbildungs- und Lernformaten nicht verschließen, sondern Verantwortliche diese Geräte und Programme ausprobieren. Für einen abschließenden Motivationsschub in diese Richtung zitiert er einen TED-Talk von Chris Milk, seinerseits US-amerikanischer Musikvideoregisseur sowie Mitbegründer und CEO der immersiven Storytelling-Plattform Within: „Talking about Virtual Reality is like dancing about architecture.“ (deutsche Übersetzung:„Über Virtual Reality zu sprechen, ist, wie über Architektur zu tanzen.“ Wer sich über die virtuelle Realität und ihr Potenzial als Lernformat informieren möchte, sollte sie also am besten selbst erfahren.
Wie VR die Motivation der Lernenden steigert: Psychologische Perspektiven
Unser VR-Experte Torsten Fell erklärt, wie die Motivation von Lernenden durch den Einsatz von Virtual Reality gesteigert wird:
- Selbstwirksamkeit und Erfolgserlebnisse: VR ermöglicht es Lernenden, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und sich selbst herauszufordern. Durch das Bewältigen von Aufgaben in einer sicheren, virtuellen Umgebung können sie schnell Erfolgserlebnisse erfahren. Diese positiven Erfahrungen stärken das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und motivieren, weiter zu lernen
- Immersive Erlebnisse und Realitätsnähe: VR schafft eine Umgebung, die realistisch wirkt und die Lernenden vollständig in die Lerninhalte eintauchen lässt. Diese Immersion kann zu einem Gefühl der Präsenz führen, das die Lerninhalte intensiver und realer erscheinen lässt, was das Interesse und die Motivation steigert, sich mit den Inhalten auseinanderzusetzen
- Spaß und Engagement: VR bietet eine interaktive und spielerische Umgebung, die das Lernen unterhaltsam gestaltet. Wenn Lernen Spaß macht, wird es als weniger anstrengend empfunden und Lernende sind eher bereit, sich länger und intensiver mit den Inhalten zu beschäftigen
- Instant Feedback und Belohnungssysteme: In VR können Lernende sofortiges Feedback auf ihre Handlungen erhalten. Dies hilft nicht nur, Fehler direkt zu erkennen und zu korrigieren, sondern schafft auch ein Belohnungssystem, das zum Weitermachen motiviert. Ein schnelles und positives Feedback verstärkt die Motivation, da es den Lernenden zeigt, dass sie Fortschritte machen
- Förderung von Autonomie und Selbstbestimmung: VR bietet Lernenden die Möglichkeit, die Lernumgebung aktiv zu gestalten und Entscheidungen zu treffen. Diese Autonomie fördert das Gefühl der Kontrolle über den eigenen Lernprozess und erhöht die intrinsische Motivation, sich tiefergehend mit den Inhalten zu befassen
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