Von KI bis IoT: Die Schlüsseltechnologien für Logistik 4.0
Einer Studie der Bundesvereinigung Logistik (BVL) aus dem Jahr 2023 zufolge sehen die befragten Unternehmen die sogenannte Triple-Transformation als einen der größten Trends der Logistikbranche an: das Dreigestirn aus Digitalisierung, Resilienz und Nachhaltigkeit. Die Logistik befindet sich mitten in einem starken Umbruch. Modernste Technologien und digitale Lösungen durchdringen die traditionellen Logistikprozesse zunehmend. Logistik 4.0 hat den Anspruch, die Wertschöpfungsketten zu optimieren und effizienter zu gestalten.
Wir haben mit Prof. Dr.-Ing. Andreas Rükgauer über die digitale Transformation in der Logistik gesprochen. Als Professor für Produktion und Industriebetriebslehre sowie Forschungsprofessor für Künstliche Intelligenz in der Logistik an der Business School der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt ist er Experte für Digitalisierung und Automatisierung in der Intralogistik und für künstliche Intelligenz.
Gründe für Digitalisierung in der Logistik
Die Digitalisierung in der Logistik hat das Potenzial, Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Prozesse effizienter zu gestalten. Die Logistikoptimierung durch den verstärkten Einsatz digitaler Technologien hat viele Vorteile:
- Effizienzsteigerung durch die zunehmende Automatisierung und Vernetzung
- Verringerung von Lieferengpässen
- Transparenz durch eine lückenlose Überwachung der Lieferkette
- flexiblere und schnellere Anpassung an Veränderungen in der Marktsituation und den Kundenanforderungen
- Kostensenkungen durch optimierte Tourenplanung und Zeitersparnis durch (teil)autonome Technologien
- höhere Zuverlässigkeit der Lieferung
- sinkende Fehleranfälligkeit
- Verringerung der Lager- und Logistikkosten
Indem sie ihre Logistik digitalisieren, tragen Unternehmen auch zu mehr Resilienz und der Fähigkeit bei, sich noch schneller an veränderte Herausforderungen anzupassen – eine der Schlüsselfähigkeiten für erfolgreiche Betriebe in der Zukunft.
Definition Logistik 4.0: Digitale Technologien und Lösungen
Der Begriff Logistik 4.0 lehnt sich an die Industrie 4.0 an und bezeichnet die Integration moderner Technologien und digitaler Lösungen in traditionelle Logistikprozesse. Ziel ist, eine vernetzte Wertschöpfungskette zu kreieren, in der jedes einzelne Glied nahtlos in das große Ganze eingefügt ist und zur Logistikoptimierung beiträgt.
Andreas Rükgauer erklärt: „Logistik 4.0 war anfangs lediglich ein Begriff, eine Idee. Erst in den letzten Jahren entstehen zunehmend Lösungen, mit denen sich in der Logistik wirklich etwas verändert. Dennoch handelt es sich weniger um die viel beschworene Revolution, sondern vielmehr um eine Evolution. Die Branche entwickelt sich fortwährend weiter, hin zu einer digitalen, vernetzten Logistik.“
Smart Logistics: Technologien im Kontext Logistik 4.0
Die Technologien treiben die Logistik 4.0 stark voran. Zu den aktuellen Logistik-Trends zählen etwa:
- Fahrerlose Transportsysteme: In der Intralogistik sparen Unternehmen mit fahrerlosen Transportsystemen massiv Zeit und damit Geld. Sie leisten einen großen Beitrag zur Logistikautomatisierung innerhalb von Produktionshallen.
- RFID: Mithilfe von RFID-Transpondern lässt sich jeder beliebige Gegenstand identifizieren und lokalisieren. In der Logistik ermöglicht dies die lückenlose Nachverfolgung der gesamten Lieferkette, effiziente Materialflüsse und eine eindeutige Materialzuordnung – und damit eine enorme Transparenz.
- Big Data: Unternehmen arbeiten heute mit riesigen Datenmengen. Diese bieten jede Menge Potenzial, etwa um Logistikprozesse noch präziser zu planen und zu steuern, Engpässen vorzubeugen oder die Lagerbestände zu optimieren. Rükgauer gibt zu bedenken: „Nur wenige, überwiegend große Unternehmen haben bereits das Know-how, um die Daten auch tatsächlich nutzen zu können. Theoretisch könnte man aus der Vielfalt der Daten große Datenmodelle bauen – praktisch ist das aber mit heterogenen Informationen aus verschiedenen Quellen aufgrund der Komplexität heute noch schwierig.“
- Künstliche Intelligenz (KI): Die KI ermöglicht Prognosen und Analysen auf der Basis großer Datenmengen. Typische Einsatzbereiche in der Logistik sind etwa die Prognose der Nachfrage für die kommenden Planungshorizonte, die Vorausplanung von Serviceintervallen im Rahmen der vorausschauenden Wartung oder die Optimierung von Routen.
- Internet of Things (IoT): IoT-Anwendungen nehmen bei der Digitalisierung der Logistik eine Schlüsselrolle ein. Sie ermöglichen es, Geräte untereinander zu vernetzen, die bisher nicht miteinander kommunizieren konnten. Rükgauer gibt ein Beispiel für Logistik 4.0 mit IoT: „Mit Internet-of-Things-Anwendungen lassen sich Maschinen oder Transportfahrzeuge vernetzen. Im Rahmen der vorausschauenden Wartung, auch Predictive Maintenance genannt, überwachen die Komponenten den Zustand der Geräte und Fahrzeuge, um erforderliche Wartungen zu prognostizieren. Zudem ermöglichen sie, das Nutzungs- oder Fahrverhalten der Angestellten zu analysieren und so auf einen geringeren Verschleiß hinzuwirken.“
- Sensoren: Sensoren gehen Hand in Hand mit IoT-Anwendungen und ermöglichen eine enorme Logistik-Automatisierung mithilfe von Messwerten. Sie erfassen die Daten prozessnah und können direkte Reaktionen darauf bedingen. Ein Beispiel: Die Sensorik ermittelt eine zu hohe Betriebstemperatur an einer Maschine. In der Folge schaltet sich ein zusätzlicher Kühler zu, um Schaden abzuwenden, und setzt automatisch eine Überprüfungsmeldung an den Service ab.
Logistik 4.0 ist ein Begriff, der für Logistikunternehmen, die ihre Arbeitsprozesse digitalisieren wollen, weit weg ist. Sie stehen stattdessen vor der alles entscheidenden Frage: „Wo fange ich an?“
Müller hat darauf eine klare Antwort: Anfangs sei es ratsam, Prozesse zu identifizieren, die noch analog laufen und durch Digitalisierung eine große Hebelwirkung hätten. Ein klassisches Beispiel dafür sei der Warenannahmeprozess, der bei vielen Unternehmen immer noch über Zettelwirtschaft laufe. Wer hier auf moderne Technologien umrüste, könne enorm viel Zeit sparen.
Voraussetzung dafür, dass solche Umstellungen auf der Prozessebene klappen, ist, dass es gelingt, die eigenen Mitarbeiter abzuholen. Ein aktives Change Management spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Dabei, so Müller, müsse das Unternehmen unterstreichen, „dass es nicht darum geht, Fachkräfte wegzurationalisieren, sondern eine bessere Arbeitsumgebung zu schaffen und Prozesse effizienter zu gestalten.“ Davon profitieren schließlich alle Beteiligten.
Verantwortung für die Umsetzung von Logistik 4.0
Große Konzerne leisten sich ganze Abteilungen mit Digitalisierungsexpert:innen, die sich um die Implementierung der modernsten Technologien im Bereich Logistik 4.0 kümmern. In kleineren und mittleren Unternehmen fehlen diese Möglichkeiten jedoch häufig. „Ist das erforderliche Know-how nicht vorhanden, sollten sich Unternehmer:innen Hilfe von externen Berater:innen holen, die sie bei der Umsetzung unterstützen“, rät Rükgauer. Dennoch bedarf es auch im Unternehmen Spezialisten, die über das notwendige Fachwissen verfügen und die Umsetzung von Logistik 4.0 aus dem Unternehmen heraus vorantreiben. Die Schulung der eigenen Mitarbeitenden und die Vermittlung der notwendigen Kenntnisse ist somit in jedem Fall eine wichtige Grundvoraussetzung, zur Integration moderner Technologien und digitaler Lösungen in die eigenen Logistikprozesse.
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Die Intralogistik befindet sich bereits seit einigen Jahren in einem massiven Umbruch. Mit der „Industrie 4.0“ führt die Digitalisierung und Vernetzung in der Intralogistik zunehmend zu datengestütztem Arbeiten.
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Nachhaltigkeit vs. Wirtschaftlichkeit von Logistik 4.0
In der Logistik gibt es ein enormes Potenzial für die Optimierung in Sachen Nachhaltigkeit – dem Fraunhofer Institut zufolge ist die Branche immerhin für 5,5 bis 11 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Doch die Integration nachhaltiger Strategien in die Logistik 4.0 ist ein Balanceakt. Seiner ökologischen Verantwortung nachzukommen, ohne die wirtschaftlichen Ziele zu gefährden, ist nicht einfach.
Gerade hier kann jedoch die digitale Logistik ihre Vorteile ausspielen, indem sie umweltfreundliche Technologien so in die bestehenden Prozesse integriert, dass diese effizienter, zeit- und damit kostensparender ablaufen. Die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs kann langfristig weitere Kosteneinsparungen erzielen und zudem das Unternehmensimage stärken.
Aktuelle Logistik-Trends für Automatisierung und Digitalisierung
Die Logistikbranche wird von spannenden Trends getrieben, die die Logistikprozesse nachhaltig effizienter gestalten und teilweise den Menschen sogar überflüssig machen. Dazu zählen etwa:
- Logistik mit dynamischen Zielen und ohne Personal, mithilfe autonomer Fahrzeuge, Robotik-Technologie und Drohnentechnologie
- Auto-ID-Technologie mit RFID und Barcodes zur präzisen Identifikation und Verfolgung von Produkten und Frachtgütern während des Transportprozesses
- Technologien für die digitale Supply Chain zur Echtzeitüberwachung und -steuerung der logistischen Prozesse
Ein Musterbeispiel für modernste Digitalisierung in der Logistik 4.0, bei der alle Prozesse nahtlos ineinandergreifen, ist die Factory 56 von Mercedes Benz in Sindelfingen. Fließbänder wurden ersetzt durch fahrerlose Transportsysteme, der Wechsel zwischen Fließ- und Taktbetrieb bietet mehr Flexibilität und die Auswertung von Big Data liefert Erkenntnisse für die zunehmende Logistikoptimierung.
Mustergültig ist die 360-Grad-Vernetzung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, in die neben der Produktion auch die Lieferanten, die Logistik und die Kunden einbezogen werden. Mit Tracking und Tracing werden Abweichungen von der Lieferkette frühzeitig erkannt, was eine schnelle Reaktion ermöglicht.
Logistik 4.0: Wohin geht die Reise?
Unternehmen tun gut daran, nicht nur die Technologien und Trends der Logistikbranche zu sehen, sondern auch das große Ganze. Es reicht nicht, neue Systeme einzuführen – auch die Mitarbeitenden müssen mit der Situation wachsen, digitale Kompetenz aufbauen und sich auf die sich verändernde Arbeitswelt einstellen. Unternehmer:innen sollten sich auf die Möglichkeiten der Entwicklungen einlassen, die für sie greifbaren und gangbaren Lösungen identifizieren und ihr Unternehmen so Stück für Stück auf die Zukunft vorbereiten.
Ihr Ansprechpartner
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