Berechnung der Energieeffizienz für die ISO 50003

Berechnung der Energieeffizienz für die ISO 50003

Beitrag aktualisiert am 09.11.2021

Zur Themenwelt Energieeffizienz

Die multivariate Regressionsanalyse zur Berechnung der Energieeffizienz

Mit Einführung der neuen ISO 50003 seit dem 14. Oktober 2017 müssen die Unternehmen erstmals Verbesserungen bei der energetischen Leistung nachweisen. Eine Methode dafür ist die Multivariate Regressionsanalyse. Der wesentliche Unterschied zu der bisherigen Vorgehensweise: Sie berücksichtigt Einflussfaktoren, die auf den gesamten Produktionsprozess einwirken.

Früher wurde – vereinfacht gesagt – der Energieverbrauch eines Unternehmens mit der Produktionsmenge in Relation gesetzt. Das bedeutete also Angaben wie Kilowattstunde pro Tonne, pro Kubikmeter oder pro Quadratmeter. Diese Kennzahlen entsprechen den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Damit bekommt die Unternehmensleitung durchaus einen guten Überblick über spezifische Energieverbräuche. Allerdings ist der Ansatz nicht für kontinuierliche Verbesserungen bei der Energieeffzienz geeignet.

Beispiel: Die multivariate Regressionsanalyse in der Praxis

Ein Fleischproduzent hat beispielsweise zwei Standorte mit zwei Produktionsbetrieben mit ähnlichem Aufbau und ähnlichen Produkten. Doch bei einer Niederlassung gab es regelmäßig unerklärliche Spitzen beim Energieverbrauch. Eine detaillierte Untersuchung ergab, dass bei dieser Produktionsanlage die Klimaanlage ungünstig platziert war, so dass der Wind – bei bestimmten Wetterkonstellationen – auf Hochtouren lief. Erst die Analyse des Wetters und der Windrichtungen ergab sinnvolle Ansätze für Verbesserungsmaßnahmen.

Oder bei der Speiseeis-Produktion: Der Energieverbrauch ist während der Hauptsaison hoch und während der Nebensaison niedrig. Das ergibt im Sommer schlechte und im Winter gute Energiekennziffern – möchte man meinen. Aber das stimmt nur bedingt: Denn auch im Winter müssen die Vorprodukte gekühlt, die Eismaschinen laufen und die erzeugten Produkte konserviert werden. Auf Basis der so ermittelten Kennziffern kann der Chef eines Speiseeis-Unternehmens nicht beurteilen, ob Verbesserungen bei der Energieeffizienz das gewünschte Ergebnis bringen. Dafür ist eine detailliertere Aufschlüsselung des Energieverbrauchs notwendig.

Einflussfaktoren auf den Energieverbrauch

Das kann man beispielsweise mit der Multivariaten Regressionsanalyse machen, die die Wirkung der verschiedenen Einflussfaktoren auf den Produktionsprozess berücksichtigt. Dazu gehören:

  • Produktions- und Nutzungsdaten (wie zum Beispiel die produzierte Menge nach Stück und Art, aber auch die Anzahl der Arbeitstage und Schichten)
  • Umwelt- und Produktionseinflüsse (wie Sonnenscheindauer, Windstärke oder Luftfeuchtigkeit, aber auch Produktionsmethoden und Betriebsart der Maschinen)
  • Rohstoffmerkmale (wie beispielsweise die Art und der Aggregatszustand des Rohstoffs sowie seine Reinheit)
  • Wartungsintervalle und Reparaturen (Kalibrierung der Messgeräte, Einstellung der Regler und Terminierung der Wartungsintervalle)
  • Nutzer- und Bedienerverhalten (Organisation der Logistik, Fahrstil beim Führen von Fahrzeugen, Energienutzung von Maschinen, Licht und Lüftung)


„Die detaillierte Analyse von Einflussfaktoren ist die Grundlage für ein wirksames Energiecontrolling. Damit kann die Wirkung von Einsparmaßnahmen überprüft werden“, meint Dipl.-Ing. Kurt Jankowski-Tepe. Der Energieberater und Auditor hat die Multivariate Regressionsanalyse für die Energiebranche adaptiert. Dabei handelt es sich um ein außerordentlich vielseitiges und flexibles statistisches Analyseverfahren, das sowohl für die Beschreibung und Erklärung von Zusammenhängen als auch für die Durchführung von Prognosen geeignet ist.

Energieeffizienzmessung: Tatsächlicher Verbrauch statt Nennleistung

Die Probleme fangen nach Erfahrung von Jankowski-Tepe oft schon bei der Energiemessung an. Denn häufig wird in Firmen statt des tatsächlichen Verbrauchs die Nennleistung eines Geräts oder einer Anlage veranschlagt. Das führt dazu, dass beispielsweise bei Ventilatoren die Angaben des Herstellers von 625 Kilowatt genommen wird. Beim Nachmessen ergibt sich, dass sie nur 276 Kilowatt ziehen. Druckluft-Erzeugungsanlagen werden mit 609 Kilowatt statt der echten 58 Kilowatt und Klimaanlagen und Kältemaschinen mit 322 Kilowatt statt der echten 96 Kilowatt berücksichtigt.

Eine weitere Herausforderung: Häufig fokussieren sich Firmen zu sehr auf Insellösungen. Dabei werden einzelne Anlagen- oder Betriebsteile durchaus mit Erfolg optimiert. Im Zusammenspiel mit anderen Faktoren versagt dieser Ansatz aber. Zum Beispiel muss man die Klimaanlage eines Einkaufszentrums eventuell nicht mit hohen Kosten nachrüsten, wenn die Umstellung auf der Beleuchtung auf LED eine Verringerung der „Heizleistung“ der alten Leuchten um 80 bis 95 Prozent bringt.

Ganzheitlicher Ansatz um den Energieverbrauch zu ermitteln

Mit einem ganzheitlichen Blick auf den Betrieb stellt man zunächst fest, wie ein Produkt durch die Produktion läuft und welche Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen beachtet werden müssen, erläutert der Energieberater. Anschließend folgt man dem Fluss der Energie durch den Betrieb. Davon erstellt man eine grafische Darstellung mit einem sogenannten Sankey-Diagramm.

Damit bekommt man einen Eindruck davon, welches die großen Energieverbraucher im Unternehmen sind. Man kann beispielsweise daraus entnehmen, dass die Optimierung der Klimaanlage das wichtigste Problem ist, während die Verbesserung der Druckluft- und der Lichtanlagen zweitrangig sind. Darauf aufbauend kann man die Einflussfaktoren mit der Multivariaten Regressionsanalyse noch weiter unterteilen und dann Entscheidungen zu konkreten Verbesserungsmaßnahmen treffen.

Zusatzausbildung für Energiemanager

Die Anwendung dieser Methode erfordert Fachleute mit einer Zusatzausbildung – anlog zu Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern im Finanzbereich. Dafür gibt es ein Praxisseminar, in dem das notwendige Know-how vermittelt wird. „Die Teilnehmer meiner Seminare zeigen sich immer sehr zufrieden“, berichtet Jankowski-Tepe. „Endlich verstehen wir die Materie und haben ein Handwerkszeug, wie man das Potenzial für Verbesserungen in der Energieeffizienz für die ISO 50001 ermittelt und umsetzt und für den Nachweis der Verbesserung der energiebezogenen Leistungen im Sinne der ISO 50003 dokumentiert“, meint ein Teilnehmer.

Unternehmen, die zu einem Energiemanagementsystem nach ISO 50001 verpflichtet sind, müssen die Anforderungen der ISO 50003 kennen, damit sie den Auditoren, die ihr Unternehmen nach dieser Norm prüfen, die Optimierungen nachweisen können. Aber nicht nur für diese Zielgruppe empfiehlt sich die Anwendung der Multivariaten Regressionsanalyse, sondern für alle Firmen, die kontinuierlich ihren Energieverbrauch senken wollen.

Tipps für die Energieeffizienzmessung: Richtig rechnen und systematisch Kosten senken

Viele Unternehmen begehen die gleichen Fehler bei der Energieeffizienzmessung nach ISO 50001. Welche das sind und wie sie sich vermeiden lassen, darüber haben wir uns mit Dipl.-Ing. Kurt Jankowski-Tepe unterhalten. Außerdem erklärte uns der Energieberater und Auditor, warum es nicht nur für eine Rezertifizierung entscheidend ist, die eigene Energieeffizienz präzise zu berechnen.

Mit welchen Herausforderungen kämpfen Unternehmen bei der Energieeffizienzmessung?

"Meine Kunden haben oft Schwierigkeiten, weil Personal fehlt. Ein anderes häufiges Problem besteht darin, dass Unternehmen nach dem Motto vorgehen: "Ich tue nur, was nötig ist, um die Zertifizierung zu erhalten.“

Die Berechnung eines Kunden von mir ist so ungenau, dass sie keine Verbesserung, sondern eine deutliche Verschlechterung ergibt."

Wie groß ist die Gefahr, dass ein Zertifikat aufgrund einer oberflächlichen Berechnung der Energieeffizienz abgelehnt wird?

"Die Gefahr besteht besonders bei Betrieben, die ihre Produktion reduzieren. In diesem Fall ergibt eine ungenaue Rechnung schnell eine Verschlechterung, und damit steht das Zertifikat zur Disposition.

Hinzu kommt: Die steigenden Energiepreise und CO2-Zertifikatpreise machen sich zunehmend bemerkbar. Mit oberflächlichen Berechnungen aber kommen Sie nicht weiter bei der Frage, wo Sie ansetzen müssen, um Kosten zu reduzieren."

Zur praktischen Herangehensweise: Wie geht man vor, um die energetische Ausgangsbasis zu definieren?

"Dafür müssen Unternehmen die Energieverbräuche der einzelnen SEUs (Significant Energy Uses) und die entsprechenden Einflussfaktoren ermitteln. Dann werden über ein Rechenverfahren mit dem Titel „Minimum der Fehlerquadrate“ die Werte der Einflussfaktoren berechnet. So erhält man die energetische Ausgangsbasis."

Welche Probleme tauchen dabei auf?

"Vor allem, dass Verantwortliche zu grob rechnen.

Ich sage in meinen Seminaren immer: Stellt euch vor, Ihr baut an der Nordsee oder Ostsee eine Sandburg mit vielen Details. Das sind zum Beispiel die Stundendaten. Nach der ersten Flut sind die Details verwaschen, das sind die Monatsdaten.

Eine detaillierte Sandburg ist aber notwendig, wenn Unternehmen die Energieeffizienzmessung nicht nur nutzen wollen, um einmal im Jahr ein Zertifikat zu erhalten, sondern um jeden Tag optimal zu arbeiten.

Wenn Verantwortliche die Zahlen sauber aufarbeiten, sehen sie anhand der Energieverbräuche: Arbeiten meine Anlagen optimal oder gibt es Probleme? Dann lassen sich zeitnah Schlüsse daraus ziehen und Gegenmaßnahmen veranlassen. Ich vergleiche das immer mit dem Kardiologen, der mit einem Stethoskop Ihr Herz abhört."

Für die Energieeffizienzberechnung verwenden Sie die multivariate Regressionsanalyse?

"Ja, das ist aus mathematisch-technischer Sicht die sinnvollste Methode."

Können Sie diese Methode für Nichtmathematiker skizzieren?

"In einem einfachen Fall mit nur einem Einflussfaktor gibt es verschiedene Messwerte. Stellen Sie sich vor, Sie notieren diese Werte auf einem Blatt Papier. Dann versuchen Sie, mit einem dicken Filzstift durch diese Messwerte eine Gerade zu ziehen. Ein paar Messwerte liegen darüber, ein paar darunter, aber die wesentliche Tendenz wird durch die dicke Filzstiftlinie abgebildet. Die multivariate Regressionsanalyse bildet quasi den dicken Filzstift nach.

Bei mehr Einflussfaktoren brauchen Unternehmen natürlich eine automatisierte Lösung. Alles andere ist aus Kapazitätsgründen nicht sinnvoll.

Die größten Vorteile ergeben sich, wenn Unternehmen das System automatisieren und in den täglichen Betriebsablauf integrieren. Dann können sie systematisch Kosten senken. Auch der Nachweis der energetischen Verbesserung für das Audit ist dann eine Kleinigkeit. Ein Doppelklick auf die Auswertung, PDF ausdrucken und an den Auditor geben, fertig."

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