Schritt für Schritt zum klimaneutralen Unternehmen
Deutsche Unternehmen geben mehr Geld für Klimaschutz aus. Zu diesem Ergebnis kommt das KfW-Klimabarometer 2023. Allerdings ist dafür vor allem die Entwicklung in großen und mittleren Unternehmen verantwortlich. Das Ziel Klimaneutralität haben sich 2022 nur 15 Prozent aller Unternehmen gesetzt. Rund 70 Prozent haben noch keine konkreten Pläne, ihren CO2-Ausstoß zu senken.
Expertinnen und Experten sehen angesichts dieser Zahlen dringenden Nachholbedarf, nicht zuletzt, weil Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit zunehmend Hand in Hand gehen.
Wir haben uns mit Luke Schneider und Miriam Bunke von der Unternehmensberatung uniconsult darüber unterhalten,
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was Klimaneutralität für Unternehmen bedeutet,
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welche Vorteile sie mit sich bringt und
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wie Unternehmen die ersten Schritte machen.
Was bedeutet klimaneutral?
„Lange Zeit“, so Luke Schneider, „gab es keine einheitliche Definition von Klimaneutralität“. Stattdessen existierten zahlreiche, zum Teil unternehmenseigene Standards, die für Konsumentinnen und Konsumenten kaum zu durchschauen waren.
Mit dem Erscheinen der internationalen Norm 14068 Ende 2023 hat sich das grundlegend geändert. Sie legt fest, welche Anforderungen und Grundsätze erfüllt sein müssen, um von Klimaneutralität zu sprechen. Dabei definiert sie auch den Scope, den Unternehmen betrachten müssen, inklusive vor- und nachgelagerter Kette. Außerdem nimmt sie sich der heiklen Frage an, welche Kriterien Kompensationszertifikate erfüllen müssen. Das ist allein deshalb wichtig, weil zahlreiche Unternehmen in der Vergangenheit Ausgleichszahlungen für Klimaschutzprojekte nutzten, die deutlich weniger CO2 einsparten als angenommen.
Gut zu wissen:
Klimaneutralität beziehungsweise „carbon neutrality“ im Sinne von 14068-1 meint einen Zustand, in dem die CO2- Nettoemissionen einer Organisation null betragen. Dieser Zustand lässt sich erreichen, indem zum einen Emissionen reduziert und zum anderen verbleibende Emissionen durch Kompensationen ausgeglichen werden. Klimaneutralität ohne Kompensation ist nicht möglich, denn wirtschaftliche Prozesse erzeugen immer Treibhausgase. Allerdings sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig darin: Der Kampf gegen die Erderwärmung ist nur erfolgreich, wenn der Fokus auf Reduzieren und Vermeiden liegt.
Luke Schneider ist zuversichtlich, dass die ISO 14068 für mehr Orientierung sorgt und Greenwashing ein Stück weit einen Riegel vorschiebt. „Ich denke nicht, dass sich in der EU eine Klimaneutralitätsaussage halten kann, die sich nicht an den Normen der ISO 14068 orientiert.“ Umgekehrt können Unternehmen mit einer Zertifizierung nach ISO 14068 nachweisen, dass sie ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Erderwärmung nachkommen.
Warum Unternehmen klimaneutral werden sollten
Gute Gründe für deutsche Unternehmen, sich auf den Weg hin zur Klimaneutralität zu machen, gibt es mehrere.
Die wichtigsten:
- Rechtliche Vorgaben: Der europäische Green Deal sieht Klimaneutralität bis 2050 vor, Deutschland will den Zustand schon 2045 erreichen. Diese Ziele spiegeln sich in der Gesetzeslage wider, zum Beispiel in der CSRD-Direktive oder im Entwurf des europäischen Lieferkettengesetzes. Luke Schneider geht davon aus, dass der Druck auf Unternehmen, nachhaltig zu wirtschaften, weiter zunimmt.
- Finanzielle Gründe: Der CO2-Preis steigt. Durch Effizienzsteigerung und den Umstieg auf erneuerbare Energien sparen Unternehmen langfristig hohe Kosten ein.
- Bedürfnisse von Konsument:innen: Nicht nur der Gesetzgeber, auch Konsumentinnen und Konsumenten legen immer mehr Wert darauf, dass Unternehmen nachhaltig agieren, und treffen Kaufentscheidungen entsprechend. Unternehmen profitieren wirtschaftlich, wenn sie glaubhaft darlegen, dass sie sich um den Klimaschutz bemühen.
Schließlich leisten Unternehmen, die den Ausstoß von Treibhausgasen senken, einen wichtigen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft.
Zentrale Stellschrauben auf dem Weg zur Klimaneutralität in der gesamten Wertschöpfungskette
Im Detail sieht der Weg hin zur Klimaneutralität für jedes Unternehmen anders aus.
Eine gemeinsame Stellungnahme von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften nennt jedoch wesentliche Handlungsfelder in der Industrie. Abgesehen von einer Erhöhung der Effektivität von CO2-Preisen und der Investitionssicherheit handelt es sich um die folgenden drei:
1. Klimaneutrale Prozesse etablieren: Sehr viele Treibhausgase in der Industrie entstehen durch die Verwendung fossiler Energieträger und Rohstoffe in Produktionsprozessen. Diese so weit wie möglich zu ersetzen, vor allem durch Strom und grünen Wasserstoff, ist eine zentrale Voraussetzung, um den CO2-Ausstoß der Wirtschaft deutlich zu senken.
2. Durch Materialeffizienz und Materialsubstitution Ressourcen schonen: Wenig Beachtung bei der Materialauswahl in der Industrie spielen bisher die „grauen Emissionen“. Dabei handelt es sich um Treibhausgasemissionen, die bei der Herstellung von Materialien entstehen. Die Verwendung emissionsarmer Alternativen verringert den CO2-Fußabdruck eines Produktes.
3. Kreislaufwirtschaft fördern: Schließlich kann das Konzept der Kreislaufwirtschaft zu einer klimaneutralen Industrie beitragen. Indem Unternehmen wiederverwendbare, langlebige Produkte herstellen, reduzieren sie den Bedarf an Primärprodukten.
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Warum sollte sich ein Unternehmen zukünftig verstärkt mit der Reduktion des CO2-Fußabdrucks auseinandersetzen? Die Antwort liegt u.a. im zunehmenden Bewusstsein der Gesellschaft für Klimaschutz und das davon abhängige Unternehmensimage. Neben diesem Faktor trägt die eingeführte CO2-Steuer einen wesentlichen Beitrag zum Umdenken bei. Hierdurch können exorbitante Kosten bei Ihnen im Unternehmen entstehen. Deshalb lohnt es sich, jetzt den Schritt zum CO2-neutralen Unternehmen zu wagen.
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Tipps für die ersten Schritte
Die ISO 14068 definiert 4 wichtige Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität:
1. Bestimmen der Treibhausgasbilanz
3. Kompensation verbleibender Emissonen
2. Erstellen eines Maßnahmeplans und schrittweise Umsetzen der Maßnahmen
4. Berichterstattung
Viele Verantwortliche in Unternehmen tun sich vor allem mit den ersten Schritten schwer. Dabei lassen sich diese gezielt vereinfachen.
1. Die CO2-Bilanz als Ausgangspunkt
Eine erste CO2-Bilanz zu erstellen, sei einfacher als oft angenommen, betont Luke Schneider, vor allem, wenn sich Unternehmen nicht gleich zertifizieren lassen wollen. Schließlich liefern die ISO 14064-1 oder das Greenhouse Gas Protocol (GHP) konkrete Hilfestellungen.
„Zunächst muss man nur die direkten und indirekten energiebezogenen Emissionen betrachten. Die notwendigen Angaben dafür sind alle auf Rechnungen vermerkt: Wie viel Erdgas kaufen wir ein für die Wärmeerzeugung, wie viel Kraftstoff verbrauchen unsere Fahrzeuge, wie viel Strom beziehen wir und wie hoch ist der Emissionsfaktor also die Beziehungsmenge unseres Stroms? Diese Zahlen können Verantwortliche zusammenfassen und haben eine erste Bilanz.“
Schwieriger werde es, wenn Verantwortliche die vor- und nachgelagerte Kette betrachten – was irgendwann notwendig ist. Aber auch hier können sie sich schrittweise vorarbeiten, von einem groben hin zu einem hohen Detaillierungsgrad.
2. Low hanging fruits sorgen für erste Erfolgserlebnisse
Die Bilanz zeigt auf, wo Unternehmen ansetzen können, um Energie einzusparen und Prozesse klimaneutral zu machen. Oft, so Luke Schneider, biete es sich an, für erste Erfolgsmomente mit einfachen Maßnahmen zu beginnen. Beispielsweise können Unternehmen, die bisher Strom aus Kohleverstromung beziehen, auf Strom aus erneuerbaren Energien umsteigen. Auch der Austausch von Anlagen sei häufig sehr effektiv.
Wichtig sei, sich nicht mit Anfangserfolgen zufriedenzugeben. Miriam Bunke erlebt noch in Zeiten hoher Energiepreise überraschend oft, dass Unternehmen große Potenziale ungenutzt lassen. „Man spricht in diesem Zusammenhang gerne vom Energy Efficiency Gap: Verantwortliche sind zufrieden, wenn sie ältere Leuchtmittel gegen LED-Lampen ausgetauscht haben. Gleichzeitig bleiben ganz andere Potenziale liegen.“
3. Know-how ist wichtig für nachhaltige Ergebnisse
Spätestens wenn die ersten Schritte getan sind, ist Detailwissen notwendig, um daran anzuschließen und zum Beispiel die vor- und nachgelagerte Kette in den Blick zu nehmen.
Das erforderliche Know-how können Unternehmen aus zwei Quellen beziehen:
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externe Beraterinnen und Berater
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fähige Mitarbeitende, die Weiterbildungen besuchen
Luke Schneider beobachtet, dass speziell Umwelt- und Energiemanagementbeauftragte in Sachen Klimaneutralität die Initiative ergreifen. Entscheidend sei aber immer, dass die Geschäftsführung das Thema aktiv voranbringe und kommuniziere. Sie könne auch Anreize für Mitarbeitende schaffen, zum Beispiel durch Prämien für CO2-Einsparungen.
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Fazit: Mit der ISO 14068 ist der Weg hin zur Klimaneutralität leichter geworden
Die ISO 14068 könnte sich als Meilenstein auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Industrie in Deutschland erweisen. Sie gibt Unternehmen erstmals klare Richtlinien an die Hand, wie sie ihre Treibhausgasbilanz erstellen, Maßnahmen ableiten und verbleibende Emissionen kompensieren. Außerdem erleichtert sie es, die eigenen Bemühungen um Klimaneutralität glaubhaft nachzuweisen.
Davon profitieren zum einen diejenigen Unternehmen, die noch keine klare Strategie zur Einsparung von CO2 verfolgen. Zum anderen ergeben sich so und durch ein entsprechendes Know-how Möglichkeiten, bisher liegengelassenes Potenzial zu heben.
Wichtig ist, dass Unternehmen eine klare Strategie verfolgen und es nicht bei schnell erzielten Anfangserfolgen belassen. Externe Beraterinnen und Berater können dabei wertvolle Hilfestellungen geben. Es lohnt sich aber, alternativ oder zusätzlich intern Know-how aufzubauen. Schließlich handelt es sich dabei um eine Investition in die eigene (klimaneutrale) Zukunft.
Ihre Ansprechpartnerin
Produktmanagerin Energie
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