Von der Verantwortlichen Elektrofachkraft bis zum Laien
Wer darf was? Diese Frage ist besonders wichtig, wenn es um gefährliche Tätigkeiten geht. Allerdings fällt die Antwort nicht immer leicht. Zum Beispiel herrscht oft Unklarheit darüber, wann ein Betrieb eine Verantwortliche Elektrofachkraft braucht oder welche Aufgaben eine Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten übernehmen darf. Der Dozent für Elektrotechnik und Arbeitssicherheit Jürgen Hahn hat uns geholfen, Licht ins Dunkel zu bringen und die verschiedenen Aufgaben und Rollen in der Elektrotechnik zu beschreiben.
Grundlagen für die Rollenverteilung – wichtige Vorschriften und Normen
Dass Arbeitgeber oft Schwierigkeiten mit der Klärung von Aufgaben und Rollen in der Elektrotechnik haben, liegt laut Jürgen Hahn auch daran, dass viele Vorschriften der Berufsgenossenschaften in den letzten 15 bis 20 Jahren weggefallen sind. „Seit 1996 ist die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutzgesetz verankert. Das heißt unter anderem, Arbeitgeber müssen Konkretisierungen anhand anerkannter Regeln der Technik oder Vorgaben des Gesetzgebers selbst vornehmen. Allerdings sind die Vorgaben oft weniger konkret, als man sich das wünschen würde.“ Das zentrale Instrument der Arbeitssicherheit in einem Unternehmen ist die Gefährdungsbeurteilung.
Die wichtigsten Nachschlagewerke zu Rollen in der Elektrotechnik sind die folgenden:
- DGUV Vorschrift 3
- DIN VDE 0105-100
- DIN VDE 1000-10
Die im Juni 2021 aktualisierte DIN VDE 1000-10 ist ideal für einen ersten Überblick, denn sie listet alle Rollen in der Elektrotechnik sowie die jeweiligen Anforderungen an die fachliche Qualifikation auf.
Rollen in der Elektrotechnik
Verantwortliche Elektrofachkraft
Tätigkeit/Aufgaben
Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführer sollten eine Verantwortliche Elektrofachkraft (vEFK) bestellen, wenn sie selbst keine Elektrofachkraft sind. Dieser wird von der Geschäftsführung Unternehmerverantwortung für einen elektrotechnischen Betriebsteil übertragen. Das heißt unter anderem, dass sie die in ihrem Bereich tätigen Personen auswählt und kontrolliert. Die vEFK hat Weisungsbefugnis, haftet aber auch im Rahmen der übertragenen Vollmachten. Gerade Letzteres, so Jürgen Hahn, wird oft vergessen. Er rät deshalb dazu, sich eine Bestellung zur Verantwortlichen Elektrofachkraft genau anzusehen.
Qualifikation
Eine Verantwortliche Elektrofachkraft muss das erforderliche Fachwissen für ihre Aufgaben mitbringen. Nach DIN VDE 1000-10 bedeutet das, dass sie mindestens einen elektrotechnischen Berufsabschluss als staatlich geprüfte/r Technikerin oder Techniker, Handwerks- oder Industriemeisterin bzw. -meister vorweisen kann oder alternativ einen akademischen Grad als Bachelor, Master oder Diplom-Ingenieurin bzw. Ingenieur im Bereich Elektrotechnik.
Allerdings, so Jürgen Hahn, ist eine Norm „nur“ eine anerkannte Regel der Technik. Das heißt: „Auch langjährige Facharbeiterinnen oder Facharbeiter, die das Unternehmen wie aus der Westentasche kennen, können im Rahmen der Auswahlpflicht der Geschäftsführung zur vEFK ernannt werden.“
Elektrofachkraft
Tätigkeit/Aufgaben
Elektrofachkräfte dürfen elektrotechnische Arbeiten ausführen sowie überwachen. Sie übernehmen Tätigkeiten für Planung, Installation und Instandhaltung. Das gilt jedoch nicht für alle Tätigkeiten, sondern nur für die Bereiche, in denen sie qualifiziert sind. Schließlich ist Elektrotechnik ein weites Feld.
Qualifikation
Über die Qualifikation zur Elektrofachkraft heißt es in der DIN VDE 1000-10:
„Elektrofachkraft ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnisse der einschlägigen Normen die ihm übertragenen Aufgaben beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann. Zur Beurteilung der fachlichen Ausbildung kann auch eine mehrjährige Tätigkeit auf dem betreffenden Arbeitsgebiet herangezogen werden“.
Im Regelfall verfügen Elektrofachkräfte über eine Ausbildung oder ein Studium. Sie können Gesellinnen oder Gesellen beziehungsweise Facharbeiterinnen oder Facharbeiter, Industrie- oder Handwerksmeisterinnen bzw. -meister, aber auch Dipl.-Ingenieurinnen oder -Ingenieure, Bachelor, Master oder staatlich geprüfte Technikerinnen bzw. Techniker sein. Für ein begrenztes Teilgebiet der Elektrotechnik können Verantwortliche Elektrofachkräfte Personen als Elektrofachkraft einsetzen, die nur eine mehrjährige Tätigkeit mit entsprechender Qualifizierung in dem jeweiligen Gebiet aufweisen. Dabei muss die Verantwortliche Elektrofachkraft die Qualifizierung überprüfen.
Tätigkeit/Aufgaben
Die Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten hat ihren Ursprung im Handwerksbereich. Jürgen Hahn führt als Beispiel die Schreinermeisterin bzw. den Schreinermeister an, die/der zwar eine Küche aufbauen, aber den Elektroherd nicht anschließen durfte.
Entsprechend ist der Name Programm: Elektrofachkräfte für festgelegte Tätigkeiten dürfen nur festgelegte Tätigkeiten in der Elektrotechnik übernehmen, die gemäß dem DGUV Grundsatz 303-001 in Theorie und Praxis vermittelt und durch eine Arbeitsanweisung festgehalten wurden. „Diese Tätigkeiten“, so Jürgen Hahn, „dürfen sie eigenverantwortlich ausführen als wären sie reguläre Elektrofachkräfte.“
Allerdings besteht nach wie vor die Verpflichtung zur Fachaufsicht durch den Unternehmer (ggf. vEFK), durch die sicher zu stellen ist, dass die festgelegten Tätigkeiten auch tatsächlich gemäß Arbeitsanweisung ausgeführt werden.
Die vorher festgelegten Tätigkeiten reduzieren natürlich die Einsatzbereiche dieser Elektrofachkräfte. „Es muss klar sein“, so Jürgen Hahn, „dass durch eine bspw. 80-stündige Qualifikation nicht der gleiche Wissenstand erreicht werden kann, wie durch eine mehrjährige Berufsausbildung.“
Qualifikation
Die Ausbildung einer Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten ist im DGUV Grundsatz 303-001 beschrieben. Anwärterinnen und Anwärter absolvieren zuerst eine 40 Unterrichtseinheiten umfassende theoretische Grundausbildung. Anschließend werden sie für die betreffenden Tätigkeiten praktisch qualifiziert. Der Umfang dieses Ausbildungsteils richtet sich nach dem Tätigkeitsfeld, sollte aber mindestens 40 Unterrichtseinheiten betragen.
Elektrotechnisch unterwiesene Person
Tätigkeit/Aufgaben
Die „erste Stufe nach dem Laien“, so Jürgen Hahn, ist die elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP). Sie darf nur Tätigkeiten ausführen, in denen sie unterwiesen wurde. Dabei handelt es sich um sehr einfache elektrotechnische Tätigkeiten wie das Wechseln von Leuchtmitteln, Betätigen von Leitungsschutzschaltern oder Rückstellen von Motorschutzschaltern. Auch als „Messgehilfinnen und -gehilfen“ dürfen sie eingesetzt werden. Die Messung elektrotechnischer Arbeitsmittel bewerten muss nach TRBS 1203 allerdings eine Elektrofachkraft.
Viele Tätigkeiten darf eine EuP auf keinen Fall ausführen. „Die Gefährdung darf nicht sehr hoch sein“, betont Jürgen Hahn.
Qualifikation
Laut DIN VDE 0105-100 genügt es für eine elektrotechnisch unterwiesene Person, wenn sie „durch eine Elektrofachkraft über die ihr übertragenen Aufgaben und möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie über die notwendigen Schutzeinrichtungen und Schutzmaßnahmen belehrt wurde“.
Wichtig: Nach DGUV Vorschrift 3 dürfen die Arbeiten „nur unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft erfolgen“. Das heißt nicht, dass die Elektrofachkraft immer anwesend sein muss. Aber sie muss regelmäßig kontrollieren, dass die EuP ihren Anweisungen folgt. Außerdem müssen elektrotechnisch unterwiesene Personen bei Unklarheiten jederzeit die Möglichkeiten haben, Rückfragen zu stellen. Auch hier gilt: Wer die Kontrollpflicht nicht berücksichtigt, muss bei Unfällen mit unangenehmen Folgen rechnen.
Elektrotechnischer Laie
Tätigkeit/Aufgaben
Eine elektrotechnische Laiin oder ein elektrotechnischer Laie darf keine elektrotechnischen Arbeiten selbstständig ausführen. Allerdings gibt es auch hier die Ausnahme von der Regel. So dürfen Laien zum Beispiel Glühbirnen auswechseln. Außerdem dürfen sie elektrische Anlagen und Maschinen ein- oder ausschalten oder Sicherungen wieder einschalten, solange das Risiko nicht gegeben ist, dass sie ein stromführendes Teil direkt berühren.
Qualifikation
Eine elektrotechnische Laiin bzw. einen elektrotechnischen Laien beschreibt die DIN VDE 0105-100 als eine Person, die keine Elektrofachkraft und keine elektrotechnisch unterwiesene Person ist. Sie hat also keinerlei elektrotechnische Qualifikation beziehungsweise Ausbildung.
Eine klare Abgrenzung ist auch in kleinen Betrieben wichtig
„In vielen Unternehmen ist die Unsicherheit bezüglich der Rollenverteilung im Elektrobereich groß “, stellt Jürgen Hahn in Bezug auf die Definition von Aufgaben in der Elektrotechnik fest. Während sich Industriebetriebe und/oder ISO-zertifizierte Unternehmen in der Regel genau an Vorgaben hielten, gäbe es Betriebe, in denen die Haltung vorherrsche: „Uns passiert schon nichts.“
Dabei sei es Pflicht einer Unternehmerin bzw. eines Unternehmers, eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation zu schaffen. „Tut man dies nicht und es passiert etwas, haftet man auch ohne eigenes Zutun aufgrund von Organisationsverschulden.“
Wichtig ist außerdem: Eine abgeschlossene Ausbildung beziehungsweise ein Studienabschluss ist nicht das einzige Kriterium bei der Rollenverteilung. Mitentscheidend für die Ernennung zur Elektrofachkraft sind beispielsweise Erfahrung und Kenntnisse der betreffenden Person. Das schließt regelmäßige Weiterbildungen mit ein.
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