Leitfaden: Brandschutz für Photovoltaikanlagen

Leitfaden: Brandschutz für Photovoltaikanlagen

Beitrag vom 17.07.2023

Zur Themenwelt Brandschutz

Brandfälle bei Photovoltaik-Anlagen: So schützen sich Unternehmen

Eigene Photovoltaikanlagen versprechen Energieeinsparungen, Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit von fremden Rohstoffen und spielen deswegen für kleine, mittlere und große Betriebe aktuell und zukünftig eine entscheidende Rolle. Laut Statistischem Bundesamt befanden sich bereits im März 2022 circa 2,2 Millionen Solaranlagen auf den deutschen Dächern von Privathaushalten und Unternehmen. Eine wachsende Nachfrage deutet darauf hin, dass es bald noch sehr viel mehr werden könnten.

Fraunhofer ISE fand schon zuvor heraus, dass von 1,5 Millionen Solarstromanlagen gerade einmal 0,006 Prozent Brände mit größeren Schäden verursacht haben. Angesichts steigender Nutzungszahlen wächst sicherlich auch das Gefahrenpotenzial. Jedem Unternehmen stehen jedoch zahlreiche Mittel, Methoden und Möglichkeiten zur Verfügung, um sich auf den Fall der Fälle vorzubereiten oder diesen gänzlich zu verhindern.

Wir haben uns mit dem Gutachter und Sachverständigen Dr. Thorsten Kühn, Gesellschafter-Geschäftsführer der KBMS Consult GmbH, darüber unterhalten,

  • welche Brandrisiken bei Photovoltaikanlagen existieren,
  • wie Unternehmen Brände vermeiden können,
  • welche Besonderheiten bei der Brandbekämpfung zu beachten sind und
  • wer im Falle eines Brandes haftbar ist.

Potenzielle Brandrisiken und deren Ursachen bei Photovoltaikanlagen

Die Ursachen für Brände bei Photovoltaikanlagen können vielfältig sein, wie Dr. Kühn verrät. „Das kann teilweise bei älteren Anlagen bei einem Schaden in den Solar-, also den Photovoltaikmodulen selbst liegen.“ Mit der Zeit können sich beispielsweise Komponenten wie Solarmodule oder Wechselrichter abnutzen, was wiederum zu elektrischen Fehlfunktionen führt. Weitere Ursachen wie eine falsche Kabelverlegung oder elektrische Installation der Photovoltaikanlage können ebenfalls eine Rolle spielen. Schon 2015 stellte Fraunhofer ISE fest, dass Installationsfehler sowie Produkt- und Planungsmängel zu den häufigsten Gründen von Photovoltaikbränden gehörten.

Dr. Kühn ergänzt: „Ganz selten brennt das Modul selbst, aber es kann durchaus zu Überhitzungsproblemen kommen, z. B. dadurch, dass sich innerhalb der Module ein sogenannter Hotspot bildet.“ Diese Hotspots werden etwa durch Teilverschattungen verursacht, die beispielsweise durch Verschmutzungen einzelner Zellen hervorgerufen werden. Die verschattete Zelle produziert zwar selbst keinen Strom mehr, ist aber weiterhin mit anderen Solarzellen verschaltet. Der Strom wird durch die inaktive Zelle gezwungen, was wiederum zur Erhitzung führt. „Und wenn die Module dann relativ nahe über der Dachhaut angeordnet sind, könnte durchaus eine Wärmeübertragung stattfinden, die zum Brand führt“, erörtert der Experte.

Diese Brandschutz- bzw. Vorsorgemaßnahmen sollten Unternehmen treffen

Unternehmen stehen mehrere Optionen offen, um diesen Gefahren vorzubeugen. Dr. Kühn erläutert: „In den meisten Bundesländern gibt es Verordnungen, die vorgeben, wie Solaranlagen auf Dächern und Dachhäuten installiert werden sollten. Hierzu gehört unter anderem das Einhalten von Sicherheitsabständen zu Dachgauben und Brandwänden.“ Eine der wichtigsten Vorsorgemaßnahmen besteht nach Ansicht des Experten darin, die Qualitätsvorgaben bei der Ausführung der Solaranlage zu beachten. „Die VdS Schadenverhütung GmbH und der Bundesverband für Solarwirtschaft e. V. (BSW) geben Informationen heraus, wie vernünftigerweise die Installation von Photovoltaikanlagen, die Kabelverlegung und die Installation von Wechselrichtern, Speichern und anderen Komponenten zu erfolgen hat. Grundlegend ist, dass Unternehmen auf eine ordnungsgemäße Elektroinstallation und natürlich auf eine kontinuierliche Wartung und Überprüfung achten.“ Wichtig neben Wartung und Instandhaltung ist auch die regelmäßige Reinigung und die Befreiung der Solarmodule von Staub, Dreck und Pflanzenwuchs, damit sie funktionstüchtig bleiben.

Die Broschüre „Brandschutzgerechte Planung, Errichtung und Instandhaltung von PV-Anlagen“ wurde mit der Unterstützung des Bundesverbands Solarwirtschaft e. V., der Bundesvereinigung der Fachplaner und Sachverständigen im vorbeugenden Brandschutz e. V., der Berufsfeuerwehr München, der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e. V. und dem Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke erstellt. Sie enthält beispielsweise Informationen zu Mindestabständen zwischen Unterkonstruktion und Dachhaut, zum Blitzschutz, zur Inbetriebnahmeprüfung, Instandhaltung, zur Verantwortung der Betreiber:innen und vielem mehr.

Wenn mehrere Parteien an der Planung, Komponentenbeschaffung und Installation beteiligt sind, sollten die Mitwirkenden gut miteinander kommunizieren, damit alle relevanten Risiken berücksichtigt werden. „Es müsste betrieblich geklärt werden, wer sich um die Instandhaltung kümmert. Das ist eine wesentliche Maßnahme des organisatorischen Brandschutzes“, gibt Dr. Kühn zu bedenken.

Vorsorgemaßnahmen sollten außerdem mit dem Versicherer abgestimmt werden. Die Photovoltaikanlage selbst versichert ein Unternehmen mit einer Allgefahrenversicherung. „Ist darüber hinaus eine Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherung vorhanden, müsste man dieser natürlich mitteilen, dass eine Solaranlage installiert wurde, und das in die bestehende Versicherung mit einbinden lassen.“

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Besonderheiten bei der Brandbekämpfung

Ein wichtiger Bestandteil der Brandbekämpfung besteht darin, dass die Feuerwehr schon vor dem eigentlichen Einsatz über das Vorhandensein einer Photovoltaikanlage aufgeklärt wird. „Wenn es sich um Industriebetriebe handelt, gibt es einen Feuerwehrplan, in den die Photovoltaikanlage aufgenommen werden muss“, erklärt Dr. Kühn. „Hinzu kommen Kennzeichnungen, z. B. dort, wo sich die Hauptsicherung befindet. Hierfür gibt es Aufkleber, die darüber aufklären, dass eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert ist.“

Ein weiterer wichtiger Faktor der Brandbekämpfung ist der Feuerwehrschalter. Hiermit lässt sich die Solaranlage komplett herunterfahren, damit die Feuerwehr die Löscharbeiten gefahrlos durchführen kann. Dieser befindet sich in der Regel in der Nähe der Hauptverteilung der Solaranlage oder des Wechselrichters, um die Stromerzeugung zu unterbrechen. „So etwas sollte alles schon im Vorfeld geklärt werden, auch damit die Anlage ordnungsgemäß errichtet werden kann. Ansonsten findet eine Brandschutz- oder Brandverhütungsbegehung durch die Feuerwehr statt und das Photovoltaiksystem muss im Nachhinein kostspielig und aufwendig aufgerüstet werden, um den Betreiberpflichten nachzukommen“, warnt Dr. Kühn.

Damit aber nicht genug. Selbst wenn sich das Gebäude von der Energieversorgung abtrennen und spannungslos schalten lässt, steht die Photovoltaikanlage trotzdem unter Spannung. Aus diesem Grund müssen auch die dazugehörigen Haupt- und Unterverteilungen mit entsprechenden Warnschildern gekennzeichnet sein. „Ansonsten stellt die Brandbekämpfung aber kein Problem dar, weil die Systemspannung der Anlage maximal 1.000 Volt beträgt. Sogar normale Feuerlöscher lassen sich dafür einsetzen“, führt Dr. Kühn aus. Trotzdem sollten Betreiber:innen die Löscharbeiten der Feuerwehr überlassen, damit diese den notwendigen Abstand regelt. Die professionellen Brandbekämpfer:innen sorgen auch dafür, dass die durch Löschwasser gefluteten Bereiche wegen der an der Solaranlage anliegenden Spannung gemieden werden.

Wer ist in einem Brandfall haftbar?

Ob Installateur:innen, Planer:innen oder Betreiber:innen haftbar sind, kann von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen. Generell gilt aber, dass im Sinne des Verordnungsrechts die Betreiber:innen in erster Linie für die Anlage verantwortlich sind, wie Dr. Kühn bestätigt. „Das heißt also, wenn sich jemand eine Solaranlage aufs Dach bauen lässt, gehört sie zu der baulichen Anlage, und die entsprechende Person ist zu deren Instandhaltung verpflichtet. Wenn sich daraus Mängel ergeben, könnte sie haftbar gemacht werden. Aber in extremen Fällen kann es natürlich auch daran liegen, dass sich die sogenannten Solateur:innen, die die Solaranlage installiert haben, nicht an die Regeln der Elektrotechnik oder überhaupt des Aufbaus solcher Anlagen gehalten haben. In einem solchen Fall handelt es sich selbstverständlich um einen groben Mangel in der Ausführung und die Verantwortlichen werden dafür haftbar gemacht.“

Ein Brandfall, den das OLG Oldenburg am 23. September 2019 in der 2. Instanz und der Bundesgerichtshof am 20. April 2020 rechtskräftig entschieden, illustriert dieses Verantwortungsverhältnis sehr anschaulich. Hier musste ein Gebäudeeigentümer nach einem Hausbrand, der scheinbar durch eine Photovoltaikanlage ausgelöst wurde, 60 Prozent und der für die Installation verantwortliche Elektrofachbetrieb 40 Prozent des Schadens übernehmen. Der Grund: Es handelte sich um ein Bitumendach, das keine unmittelbare Befeuerung aushalten konnte. Das hätte das Elektrounternehmen beim Aufbau berücksichtigen müssen. Weil der Eigentümer des Gebäudes aber für die Planung der Anlage verantwortlich zeichnet, trug er die Hauptlast.

PV-Brandschutz heute und in Zukunft noch ein wichtiges Diskussionsthema

Das Thema Brandschutz und Solaranlagen sorgt weiterhin für sogar kontroverse Diskussionen, wie zum Beispiel auf der 6. Photovoltaik- und Sicherheitstagung, die am 24. Und 25. November 2022 in München stattfand. Hier berichtete die Versicherungswirtschaft von Qualitätsmängeln und beanstandete, dass Lichtbögen zum Schmelzen von Modulteilen führen könnten, die wiederum aufs Dach tropfen und das Potenzial haben, Brände zu verursachen. Deswegen wurden eine serielle Lichtbogenerkennung und Lösungen für brennbare Dachdämmungen gefordert. Die VdS Schadensverhütung GmbH veröffentlichte noch im Dezember 2022 die VdS Richtlinie 6023 mit dem Titel „Photovoltaik-Anlagen auf Dächern mit brennbaren Baustoffen“.

Andere Teilnehmer:innen der Konferenz wandten dagegen ein, dass bisher keine umfassenden Statistiken oder Zahlen zu Bränden und Brandursachen bei Photovoltaikanlagen vorliegen würden, um das Schadens- und Gefahrenpotenzial überhaupt richtig einschätzen zu können. Einigkeit bestand darin, dass eine Lichtbogenerkennung für Wechselrichter eine generell angemessene Ergänzung sei, während die feuerfeste Dachabdeckung weiterhin strittig bleibt – insbesondere, wenn es ausreicht, eine hohe Qualität der Installation zu gewährleisten. Übereinstimmung herrschte auch in der Forderung, dass an Solaranlagen interessierte Unternehmen selbst bereit sein müssten, das Brandrisiko auf dem Dach zu minimieren und dabei ihre Versicherer mit einzubeziehen. Ein unverzichtbarer Teil der Brandbekämpfung bleibt also auch weiterhin Kommunikation und Informationsweitergabe zwischen allen beteiligten Parteien – unabhängig davon, ob es sich um Feuerwehr, Installateur:innen, Planer:innen, Betreiber:innen oder Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen handelt.

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Maike DittbernerTÜV NORD Akademie GmbH & Co. KG
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